Ísland 2008

21. Juni - 13. Juli

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1. Etappe

Hamburg - Bergen

2. Etappe

Bergen - Ísland / Seyðisfjörður 

3. Etappe

Seyðisfjörður -   Selfoss

4. Etappe

Oldtimertreffen in Selfoss

5. Etappe

Reykjavík - Seyðisfjörður

6. Etappe

Seyðisfjörður - Hamburg

 

1. Etappe: Hamburg - Bergen

 

21. Juni, Hamburg bis Halmstad

 

Endlich wieder ein Tourenstart ohne Streß; nach dem Eimskip - Abenteuer im vergangen Jahr ist es eine Wohltat erst einmal auszuschlafen, dann gemütlich zu frühstücken, um anschließend ganz entspannt ins fertig gepackte Auto zu steigen und gen Norden zu starten. Kein frühmorgendlicher Trip zum Flughafen, keine Wartezeiten, kein Eingepferchtsein im Flieger, kein leergeräumtes Auto bei der Ankunft.

 

Die ersten Kilometer führen bei herrlichem Sommerwetter über die A1 Richtung Lübeck und weiter bis Großenbrode, vorerst. Als Granada - Fahrer gehört man zu einer aussterbenden Spezies, zu einem relativ überschaubaren Kreis "Ewig-Gestriger", und mit der Zeit kommt man untereinander in Kontakt. Ein solcher sitzt in Großenbrode, bekommt noch eine Verkleidung für die Heckklappe eines IIer Kombis von mir, im Tausch für ein zweites Frühstück und viel Fachsimpelei über das gemeinsame Hobby. Das könnte noch stundenlang so weitergeh'n ...

 

An der Aral vor der Fehmarn-Sundbrücke die erste Überraschung des Tages, 15l nachgetankt, bei 150 gefahrenen Kilometern, das macht nach Adam Riese 10l auf 100km. Der Ford Granada, ein echtes Sparmobil, am Heck fehlt also definitiv der Kult-Aufkleber der 70er: "Ich bin Energiesparer". 

 

Die nächste Überraschung gibt es ein paar Kilometer weiter in Puttgarden, 102 Euro kostet die Fähre nach Rødby incl. der zweiten Passage zwischen Helsingør und Helsingborg, einfache Fahrt, versteht sich. Das Ganze gab es auch schon für 120 DM, mit Rückfahrt, versteht sich. Und ohne darauf hinzuweisen, daß zwei Euro wegen der gestiegenen Treibstoffpreise extra berechnet werden ( müssen ). 

 

Der einzig wirkliche Vorteil heutzutage auf dieser Fährverbindung: auch jetzt, zur Hauptreisezeit, gibt es praktisch keine Wartezeiten, die Fähren pendeln im Halbstundentakt, und die Fahrzeit hat sich von einst gut einer Stunde auf 45min verkürzt. Ansonsten erinnert nichts mehr an die Zeit, wo die Deutschland, die Karl Carstens und die Theodor Heuss über den Belt schipperten, die Fahrtzeit nach Rødby stets kürzer war als umgekehrt, weil die Schiffe auf dem Rückweg sowohl nach dem Auslaufen aus Rødbyhavn, als auch vor dem Einlaufen in Puttgarden erstmal drehen mußten. Und auch nicht an die Zeit, wo man sich gemütlich im Restaurant auf schweren Holzmobiliar ( Theodor Heuss ) niederlassen und á la carte speisen konnte, mit dem winzigen Hauch einer Kreuzfahrt.

 

Es pendeln Doppelendfähren, die vorn aussehen wie hinten, mit Selbstbedienungs-Schnellrestaurants, die Preise haben wie das Atlantic, und wo es im Laden tatsächlich noch gestattet ist, 15min nach dem Auslaufen eine Schachtel  ( oder gar zwei ? ) Zigaretten zollfrei zu erwerben. Service wird groß geschrieben, deshalb ist Geld einwechseln nur noch am Automaten möglich, und nur gegen Bares. Sitzt am Ende doch noch jemand dahinter und zählt das Geld ab? Anders sind die Gebühren nicht zu erklären.

 

Die Überraschungen reißen gar nicht mehr ab, die dritte des Tages folgt in Rødby, Zollkontrollen ja, aber nicht für den Granada mit seiner roten 07er Nummer. Na, das verspricht wirklich ein ganz entspannter erster Urlaubstag, pardon, Anreisetag zur Oldtimerveranstaltung, zu werden. 

 

Die Autobahn hinter Rødbyhavn kann, muß aber nicht der weitere Weg gen Norden sein, gleich hinter dem Zoll rechts abgebogen ist die alte Landstraße ( 153 ) eine echte Alternative für Reisende, den Rasenden bleibt ja erstere. Rødby ist nett anzuschauen, etwas verschlafen heute, wie so viele der Ortschaften entlang der alten Verbindungsstraße nach Kopenhagen, seit es die Autobahn gibt. In Maribo führt die alte Strecke leider nicht mehr durch die Ortsmitte, dafür aber in Sakskøbing. Sehr schnuckelig, die alten Häuser entlang der engen Gasse, alles piekfein herausgeputzt. Und doch, irgendwo muß es gebrannt haben ...

 

Vor der Zuckerfabrik in Sakskøbing biegt die 153 nach links ab, alle Hinweisschilder zur Autobahn ignorierend, erreicht man alsbald das Örtchen Guldborg am gleichnamigen Sund, welcher wiederum die Inseln Lolland und Falster voneinander trennt. Daß die alte Klappbrücke über den Sund ihre Pforten öffnet kommt selten vor, aber heute sollte es sein, willkommener Grund für einen kleinen Stop am benachbarten Strand. Selbstverständlich nur, um die Fahrtüchtigkeit des Granada sicherzustellen.

 

am Guldborgsund zwischen Lolland und Falster

 

die alte Landstraße Rødby-København über den Guldborgsund

 

Pause des Hauptakteurs am Guldborgsund

 

Der Weg über Falster ist schnurgerade und kurz, alsbald kommt die alte, aber immer noch sehr markante Brücke über den Storstrømmen in Sichtweite. Die schon etwas betagte Brücke über dem Meeresarm zwischen Falster und Seeland ist seit Jahren eine Baustelle, und so wie es ausschaut wird dies auch noch eine Weile so bleiben. Kaum vorstellbar, daß bis zur Fertigstellung der neuen Autobahnbrücke etwas weiter östlich, der gesamte Verkehr auf der Vogelfluglinie über diese schmale Brücke rollte. 

 

Für den schweren Güterverkehr ist das Bauwerk aus den 30ern mittlerweile gesperrt, sowieso erscheint es schleierhaft wie je zwei LKW nebeneinander auf die Fahrspuren der Brücke gepaßt haben. Aber es hat gepaßt, jahrzehntelang, der ein oder andere entnervte Autofahrer dürfte nur eine unliebsame Bekanntschaft mit den hohen Bordsteinen der Storstrømmenbroen gemacht haben, anders sind die vielen Kerben nicht zu erklären. Heute ist die Strecke aber wenig befahren, da bleibt Muße die Aussicht zu genießen. 

 

Die alte Landstraße Rødby - København erreicht und umkurvt Vordingborg, führt nun als 151 weiter nach Norden. Der interessanteste Teil dieser Strecke liegt kurz hinter dem Autobahnanschluß, schnurgerade verläuft die Straße über Seeland, und die erhöhte Position gewährt dem Verlauf folgend einen sehr schönen Ausblick nach Norden.

 

Seit Jahrzehnten ein Muß, ist die Pause an einem Feldweg rechts der Landstraße kurz vor Tappernøje; der schmale Weg überquert eine kleine Kuppe, nach Süden breiten sich Felder aus, während sich an der Nordseite ein Wald erstreckt. Der Fleck, vor dem mittlerweile halb verfallenen Schlagbaum an einer Zufahrt in das Wäldchen, ist immer für Ford Granada reserviert, heute natürlich nur, um noch einmal die Fahrtüchtigkeit des Wagens zu überprüfen. Und um im Schatten der Eichen die Knochen zu strecken und die Aussicht zu genießen ...

 

Pause am altbekannten Feldweg vor Tappernøje

 

Die 151 führt direkt in das Centrum Kopenhagens, eine Strecke, die aus Zeitgründen nicht mehr zur Diskussion steht. Ab Rønnede ist bis auf Weiteres Autobahn angesagt, Ziel ist heute nicht die dänische Hauptstadt, sondern Helsingør nördlich davon. Von mehreren Baustellen abgesehen eine recht entspannte Fahrt, daran ändert auch die Motorradstreife nichts, sie macht heute lediglich Jagd auf Raser, taucht immer wieder aus Auffahrten auf und interessiert sich nur kurz für den Granada mit dem roten Kennzeichen.

 

Es ist dann auch nicht die Streife, sondern die Aussicht auf die schöne Aussicht entlang des Øresundes, welche ab Hørsholm die Fahrt auf die Nebenstrecke, den Sundveien nach Helsingør, lenkt. Die Riviera Dänemarks wird der Küstenabschnitt zwischen København und Helsingør auch genannt, und obgleich die Temperaturen - besonders des Meeres - eher selten Mittelmeerniveau erreichen, die Strände und Marinas, die Ortschaften mit ihren Bauten und das oft bewaldete etwas ansteigende Hinterland erinnern stark an die südlichen Gefilde. 

 

In einem Kreisverkehr direkt vor dem Fährterminal Helsingørs endet der Sundveien, wie praktisch ... . Zwei Linien verbinden Helsingør und Helsingborg über den Øresund, immer noch, muß man sagen, trotz der festen Querung zwischen Kopenhagen und Malmö. Das frühere Gedrängel und die langen Wartezeiten während der Hauptreisezeit sind aber Vergangenheit, es geht sehr übersichtlich zu. Geblieben sind die kollektiven Besäufnisse von nationalen und internationalen Reisegruppen jüngerer Klientel, und das Preisniveau an Bord der Fähren. Beides zwingt zum Glück nicht zur Teilnahme ... .

 

Helsingør, der Bahnhof

 

Schloß zu Helsingør

 

auf dem Weg nach Helsingborg

 

an Bord der "Aurora af Helsingborg"

 

Der Zoll in Helsingborg interessiert sich auch nicht für die rote 07er - Nummer, das ist schon sehr verwunderlich. Die Aufmerksamkeit gilt eher möglichem Schmuggelgut in Wohnwagen und –mobilen. Ein wirklich sehr entspannender Tag bisher, fürwahr. Die sich an den Zoll anschließende Verkehrsführung bis zur Hauptstraße muß man nicht verstehen, ist schon fast wie eine Sightseeingtour durch den Hafen von Helsingborg. Und am Ende stehen wie immer die überdimensionalen Schilder mit dem netten Hinweis zur Autobahn, um auch ja alle Touris vom Stadtcentrum fernzuhalten.

 

Nur schön rechts abbiegen, schon ist der Tross von der Fähre fort, und die „richtige“ Sightseeingtour kann beginnen. Vierspurig führt der Weg durch die City, mit dem Hafen zur Linken, und dem Stadtkern mit wuchtigen alten Häusern zur Rechten. Verfahren ist nur schlecht möglich, auch hier tauchen alsbald die Hinweise zur Autobahn auf. Nebenbei: dies ist der direkte Weg in Richtung Norden, alles andere wäre ein Umweg.

 

In Zeiten, wo es den Autobahnanschluß in der heutigen Form noch nicht gab, und die Fähren im älteren, nördlichen Teil des Hafens an- und ablegten, da standen die Warteschlangen der Reisenden oft bis zur Kurve am St. Jörgens plats. Davon ist heute nichts mehr zu sehen. Die vierspurige Hauptstraße windet sich hinter dem Platz einen Berg hoch, passiert einige nicht mehr ganz so ansehnliche Wohnblocks, erreicht schließlich Gewerbegebiete am Stadtrand, und die E4. Sind noch ein paar Ersatzteile nötig, oder Einkäufe zu tätigen? Ford liegt links, ein großer ICA rechts, kann man gar nicht verfehlen.

 

Im nächsten Autobahnkreuz bitte die E6 nehmen, die Autobahn nach Stockholm ( E4 ) ist nicht unbedingt der direkte Weg nach Bergen. Oder bereits eine Ausfahrt zuvor beim Einkaufzentrum Väla die Autobahn wieder verlassen und über die parallel zur Autobahn verlaufende Landstraße weiterfahren.

 

Heute soll es zunächst die Autobahn sein, bis Ängelholm wenigstens. Wo der Flughafen ausgeschildert ist, gibt es dann aber kein Halten mehr, bloß weg von der Rennpiste. Naja, Rennen kann man in Schweden auf der Autobahn eigentlich nicht fahren, bei erlaubten 110km/h. Scheint aber nicht für alle zu gelten. Wo gibt es die Ausnahmegenehmigungen ?

 

Nein, die alte Landstraße nach Norden ist viel schöner zu fahren, nur nicht immer so einfach zu finden, zumal an jeder Ecke wieder ein Schild Richtung Autobahn steht. So auch hier, es gilt zunächst hinter der Ausfahrt die E6 nach links zu überqueren, dann an der nächsten Ampel rechts abzubiegen in Richtung Flugplatz. Im nächsten Kreisverkehr abermals dem Wegweiser zum Flugfeld nach rechts folgen, und jenem nach Margretetorp, einem Dörfchen zu Füßen des Hallandsås. Dann ist auf jeden Fall die alte Landstraße unter den Rädern ...

 

Der Hallandsås, auch der „Brenner Schwedens“ genannt, ist ein sich in West-Ost-Richtung erstreckender meist bewaldeter Höhenzug nördlich von Ängelholm, den Autobahn und Landstraße mehr oder minder parallel zueinander überqueren. Der Anstieg von Süden her ist auf der E6 recht sanft, auf der Landstraße geht es in vielen Kurven und durch viel Wald den Berg hoch. Von Norden kommend steigen beide Trassen steil an, da hat so mancher LKW zu kämpfen, eben ähnlich wie am Brenner.

 

Die Landschaft ist wie ausgewechselt, vor Margretetorp noch reine Kulturlandschaft, jetzt Wälder und Moore, so wie sie in Mittelschweden und weiter nördlich anzutreffen sind. Die alte Landstraße folgt durch Eichen- und Buchenwald einem Bachverlauf bergauf, und rechts gibt es viele kleinere und größere Parkplätze, meist direkt am Wasser. Einer davon ist - wie der Platz vor Tappernøje - für Ford Granada reserviert, nur hat leider jemand das Schild gemopst ...

 

altbekannter Rastplatz auf dem Hallandsås an der alten Landstraße Helsingborg-Göteborg

 

Könnte dieser Platz berichten, er wüßte aus den letzten 40 Jahren ähnliche Geschichten zu erzählen wie jener bei Tappernøje in Dänemark. Von den anfänglichen unzähligen Pausen einiger Hamburger auf dem Weg von/nach Göteborg, den späteren Übernachtungen zu jeder Jahreszeit, den morgendlichen Bädern im Bach ( so er denn eisfrei war ). Kinder, wie die Zeit vergeht ... Heute bleibt es bei einer kurzen Pause im Schatten der Bäume, und einigen „Beweisphotos“. Die E6 ist als nahes Rauschen durch den Wald zu vernehmen, auf der Landstraße ist es dagegen still, nur noch Wenige sind auf dieser Strecke unterwegs.

 

Ein paar Kurven später wechselt der Wald von Laub auf Nadel, ein weitläufiges Moor taucht links auf, aus dem der jetzt nicht mehr benachbarte Bach unter anderem sein braunes Wasser holt. Es gibt einen letzten größeren Parkplatz an der Landstraße, nicht er selbst, aber der abzweigende Feldweg zum Bach hin, gleich rechts hinter der Brücke über selbigen, eignet sich gut zum Campen.

 

Kurz vor einem Motel erreicht die alte Landstraße die E6 und damit ihren höchsten Punkt auf dem Hallandsås. Ok, das Motel ließe sich natürlich auch für eine Übernachtung nutzen, aber muß das wirklich sein? Es gibt Alternativen, sowohl in Feld und Flur ( s.o. ), als auch in Form einer festen Behausung ( s.u. ), die es mit dem Motel allemal aufnehmen können Am Motel vorbei geht’s nun steil bergab nach Östra Karup, der erste Härtetest für die neuen, dazu noch innenbelüfteten, aber bis jetzt noch nicht wirklich geforderten Bremsen des Granada. Im Ort links oder rechts zur Autobahnauffahrt, das ist egal, nur nicht geradeaus in den Vorgarten. Denn für die nächsten Kilometer gibt es keine parallele Landstraße zur E6, nur den Umweg über Laholm, da hier seinerzeit die bestehende Landstraße erst zur Schnellstraße, dann zur Autobahn ausgebaut wurde.

 

Der Lågan, ein großer Fluß, ist im Weg, das ist’s; dunkel, moorbraun, und träge unterquert er die Autobahn, um kurze Zeit später in die Laholmsbukten zu münden. Von der E6 ist aber nicht einmal zu erahnen, daß sich an die seichte Mündung ein toller Sandstrand anschließt, mit Dünen und einem Naturschutzgebiet dahinter. Muß auch nicht jeder wissen …

 

Heute nicht auf dem Plan, aber generell leicht und schnell erreichbar ist diese Oase, und das nur etwa sechs Stunden Fahrzeit von Hamburg entfernt! Der Rasthof Snapparp gleich hinter der Brücke über den Lågan ist auch eine Ausfahrt, steht nur nirgends ( zum Glück ). Einmal rechts, zweimal links, und noch einmal rechts, schon ist der direkte Weg zum Strand erreicht. Oder das letzte „rechts“ weglassen, und den nächsten Abzweig nach links wählen, sobald ein Wald durchquert ist. Strand pur, ohne Mallorcarummel.

 

Es bleibt heute auf dem Rasthof bei einem kurzen Tankstop – und 10l auf 100km - J

 

Jede andere Reise dieser Art wär’  für heute normalerweise auf dem Hallandsås beendet gewesen. Schnell den Wagen in die richtige Liegelage gebracht, die Bettstatt vorbereitet, etwas Wasser zum Zähneputzen aus dem nahen Bach geholt, und schon ist bei etwas Gerstenkaltschale Zeit für den angenehmen Teil des Tages/Abends. „Normalerweise“, das hieße aber auch, mit dem sonst für Islandreisen üblichen Gefährt unterwegs zu sein ...

 

auf dem Hallandsås im November 2007

 

… da dem heute aber nicht so ist, und es sich auf dem Fahrersitz einer Granada Limousine nur unter Schmerzen schlafen läßt, muß adäquater Ersatz her. Dem Internet sei Dank, fand sich nach etwas Suchen vor Tourbeginn eine schnuckelige Unterkunft am Stadtrand von Halmstad, das Hotell Hovgård.

 

Der Weg dorthin ist gleich mit einer kleinen Sehenswürdigkeiten-Anguckfahrt ( das dinglische Wort fällt mir grad nicht ein … ) durch Halmstad verbunden; über die vierspurige Hauptstraße von der Autobahnausfahrt Halmstad Süd, den Laholmsvägen, geht es direkt ins Stadtcentrum und vorbei an Halmstads Hochschule. Im sich an die Slottsbron über den Nissan ( hat nichts mit der japanischen Automarke zu tun … ) anschließenden Kreisverkehr ist es dann die letzte Ausfahrt, der Slottsjordsvägen, ausgeschildert nach Tylösand. Und weil Kreisverkehre auch in Schweden sehr beliebt sind, kommt bald darauf noch einer, zur Orientierung aber gar nicht schlecht, denn hier ist das Hotel fast erreicht, nur noch gleich hinter dem Kreisel rechts abbiegen in den Gamle Tylösandsvägen.

 

Das Hotell Hovgård liegt hinter den letzten Wohnhaussiedlungen Halmstads rechts der Straße, gleich neben Kirche, Friedhof und Schule, ist quasi nicht zu verfehlen. Typisch schwedisch, die ganze Anlage, sehr nett, mit genauso netten Betreibern. Die Zimmer sind in einem umgebauten Pferdestall untergebracht, alles sehr rustikal, aber gepflegt und auf Anhieb familiär. Die uneingeschränkt empfehlenswerte Alternative zu den Hotels und Motels direkt an der E6.

 

Nicht minder empfehlenswert, aber nichts für den schmalen Geldbeutel, ist das Restaurant Heagårds Skafferie gleich in der Nähe. Beim Bau im Jahre 1877 der größte Pferdestall Europas, wartet das heute in dem komplett restaurierten und in einer parkähnlichen Anlage gelegenen Gebäude untergebrachte Restaurant mit dem Besten auf, was Feld und Flur der Umgebung für den Gaumen zu bieten haben. Ob Kräuter, Gemüse, Fisch oder Fleisch, alle in den Gerichten verarbeiteten Produkte kommen aus der Umgebung und werden frisch zubereitet. Das hat natürlich seinen Preis, aber ist an Qualität nur schwer zu überbieten. Wer seinen Nahrungsbedarf mit „Pommes Schranke“ decken möchte, ist hier jedenfalls fehl am Platze.

 

 

22. Juni, Halmstad bis Hvittingfoss

 

 

So schön, wie der gestrige Tag endete, so schlecht beginnt der heutige, zum Glück nur in Sachen Wetter. Am Frühstück liegt es jedenfalls nicht, dies ist einerseits typisch schwedisch, mit viel „gesundem“ Zeugs wie Müsli, Grünfutter und den leckeren Heringshappen, andererseits kernig bodenständig, mit Brot, Käse, Aufschnitt und dem obligatorischen sonntäglichen Frühstücksei, wobei letzteres nicht zum Scheibeneinwerfen hartgekocht ist. Just bei diesem Frühstück fängt es an zu plestern, und daran soll sich heute auch nichts mehr ändern. Das ein oder andere anvisierte Photomotiv kann also zu den Akten.

 

Gleich Autobahn, oder später? Später, trotz Regen und schlechter Sicht. Gleich dem Wochenendtrip im letzten Herbst verläuft die Fahrt bis Göteborg zunächst konsequent abseits der E6, und wieder ist dies nicht ohne Tücken. Die E6 wurde einst in Teilstücken fertiggestellt, Zubringer verbanden diese mit der alten Landstraße. Dadurch wurde die ehemals durchgehende Landstraße immer wieder unterbrochen, schien zu enden und nur noch zur Autobahn zu führen. Das ist bis heute so geblieben, einmal nicht aufgepaßt und rechtzeitig abgebogen, und schon ist man wieder auf der E6.

 

Das erste Stück nach Verlassen des Hotels führt über den Kustvägen ans Meer nordwestlich von Halmstad und damit weit abseits der E6. Entlang dieser Strecke liegen mehrere kleine Ortschaften und Naturschutzgebiete, urige Flecken am Meer, die für sich schon einen Urlaub lohnen. Gullbrandstorp, Haverdal, Särdal und Steninge, um nur einige zu nennen, und Naturreservate wie die von Haverdal, Enet, Steninge oder Stensjö.

 

Dann biegt die Strecke Richtung E6 ein, aber im Dorf Eftra gibt es die Möglichkeit nach links über Land weiter nach Norden zu fahren. Sehr schön ist hier am Weg der kleine Ort Boberg mit seiner alten, steinernen Brücke über den Suseån und der alten Mühle gleich nebenan. Nett, nett. Leider seinerzeit bei der Unterkunftssuche schon belegt, ansonsten sicher auch einen Aufenthalt wert, ist das Hotel Grimsholmen links abseits der Strecke direkt am Meer. Naja, es wird nicht die letzte Fahrt nach Schweden sein, und auch nicht die letzte zu einem Oldtimertreffen. Die Chancen für einen „zwangsweisen“ Aufenthalt in einem Hotel stehen nicht schlecht.

 

Falkenberg und Varberg sind die nächsten großen Städte entlang der heutigen Reiseroute abseits der E6. Die Gewerbe- und Industriegebiete entlang der Umgehungsstraßen in beiden Orten werden im Regen auch nicht schöner, im Gegenteil. Hinter Falkenberg Obacht, die alte Landstraße steuert zielstrebig die E6 an, vorher links abbiegen ( Richtung Varberg ).

 

Am Ortseingang von Varberg im Kreisverkehr - so er denn endlich fertiggestellt ist - vor der Bahnunterführung die Ausfahrt geradeaus, im zweiten Kreisel dahinter die erste nach rechts nehmen. Västkustvägen nennt sich die Strecke jetzt, macht Sinn an der schwedischen Westküste. Es folgt, na, was wohl, ein Kreisverkehr, kurz hinter Varberg und dem Himleån, in ihm ( im Kreisverkehr, nicht im Fluß ... ) für den weiteren Weg auf der alten Landstraße die letzte Ausfahrt Richtung Åskloster und weiter nach Kungsbacka nehmen.

 

Es ist eine Krux in Kungsbacka, wo zum Henker geht es zur 158 nach Billdal? Klar, gleich am Ortseingang links, da steht doch auch ein Schild. Ja, denkste, diesem Schild folgend landet man auf der E6, fährt auf ihr Richtung Göteborg bis zur nächsten Ausfahrt, ist dann auf der 158. Nein, es muß irgendwo im Ort noch eine weitere Strecke geben, die dann bei eben jenem Autobahnanschluß rauskommt. Nur gibt es nirgends einen Hinweis darauf, eh man sich versieht ist schon der Willys am nördlichen Stadtrand erreicht.

 

Ob es letzten Endes der richtige Weg war, das bleibt mit Fragezeichen versehen, irgendwie durch die Innenstadt, durch Einbahnstraßen und verkehrsberuhigte Zonen, und immer ein wenig der Nase nach. Nächstes Mal klappt’s besser … Die 158 ist wieder ein Stück des alten Wegs nach Göteborg, wobei die jetzige zur Schnellstraße ausgebaute Trasse auch noch nicht lange existiert, es daneben eine noch ältere Strecke gibt, aber nicht mehr durchgehend. Alles klar …?

 

Bei schönem Wetter locken die vielen kleine Buchten und Schären an der Küste südlich von Göteborg, ein Grund, unbedingt auf die 158 zu wechseln und z.B. über Lindome, Billdal oder Säro zum Meer zu fahren. Heute ist der Schlenker eigentlich total überflüssig, es gießt mittlerweile in Strömen, und das über Jahrzehnte hinweg angesteuerte Ziel in Billdal gibt es nicht mehr. Es reicht immerhin für eine kurze Pause um den weiteren Weg neu abzustecken. Der ursprüngliche Plan, Göteborg auf nicht direktem Weg, sondern u.a. auf der Hochbrücke über den Kungsälv zu durchqueren, wird dabei ersatzlos gestrichen. Es gibt eh heute nix zu sehen, also nur auf die Autobahn und dann zunächst über den direkten Weg weiter Richtung Oslo.

 

Da war doch was? Jepp, in Schweden fährt man auch bei Tage mit Licht, in einem Auto, das nicht piept, wenn man irgendetwas vergißt auszuschalten, wird man andersherum auch nicht daran erinnert irgendetwas wieder einzuschalten. Gibt Schlimmeres … Trotz Sonntag – oder gerade deswegen? – ist die Autobahn in und um Göteborg gut gefüllt; na klar, es ist/war Mittsommer, und nun strömen die Städter zurück in ihre Behausungen, denen sie für wenige Stunden so sehnlichst zu entfliehen suchten.

 

Eine willkommene Alternative zur E6 nördlich von Göteborg ist noch vor Uddevalla die Landstraße 160 über Orust, Mjörn und Tjörn, landschaftlich sehr schöne Inseln vor der Küste und westlich der Ortschaft Stenungsund. Einer Karawane gleich zieht sich heute auf der Straße ein einziger Stau über die Inseln, zum Glück in der Gegenrichtung. Nach Norden ist dagegen kaum jemand unterwegs. Uddevalla bleibt bei dieser Route rechts außen vor, ebenso wie die E6. Denn auch nördlich von Orust gibt es bis zur nächsten größeren Ortschaft Munkedal eine kleine Landstraße als nette Alternative zur Autobahn. Heute einzig getrübt durch einen Touristenbus holländischer Herkunft, der sich entschieden hat, auf der Hauptkreuzung im Kreisverkehr zu parken.

 

auf Orust nördlich von Göteborg

 

Aufmerksame Kartenleser kennen sie schon lange, die parallel zur E6 an der Küste weiter im Inland verlaufende Landstraße 165 Richtung Norwegen. Nicht nur landschaftlich sehr schön, auch wenig befahren und zudem mautfrei ist diese Strecke - auf der E6 wird seit Fertigstellung der neuen Brücke über den Svinesund an der Grenze zu Norwegen kassiert -. Natürlich, auf der E6 geht’s schneller, aber die ist eben für die Rasenden … An den langgestreckten Seen S. und N. Bullaresjön entlang, ist es sehr entspannend zu fahren, trotz der trüben Suppe heute. Anzeichen für den baldigen Wechsel ins Norwegische Königreich gibt es auch, zwei Tankstellen mit einer Schlange norwegischer PKW verrät es. Dazu ein Schild und die zu schwedischen Straßen farblich abweichende Fahrbahnmarkierung, und Norwegen ist erreicht. Zollkontrollen? Fehlanzeige. Wenigstens eine Kontrollstation? Schon lange nicht mehr.

 

Bleibt also noch die Einreise nach Ísland ...

 

am Bullaresjön kurz vor der norwegischen Grenze

 

Der erste größere Ort in Norwegen ist Halden, am Ortseingang grüßen die rauchenden Schlote der Papierfabriken. Annehmlicher ist da die Strecke zuvor, eine ganze Weile ist der Idefjorden zur linken, und mit ihm tolle Aussichten. Letztere verschwimmen heute nicht nur des trüben Wetters wegen, Norweger auf der Heimreise vom Mittsommerwochenende spielen russisch Roulette auf der engen und kurvenreichen Straße. In Halden, an der ersten Ampel, gibt es ein Wiedersehen.

 

Ab Halden ist eine Alternative zur E6 Richtung Oslo auf den ersten Blick in den Landkarten nicht erkennbar, in gröberen schon gar nicht. Dabei gibt es auch hier – wie in Schweden – eine nahezu durchgängige Landstraße parallel zur Autobahn, oft sogar nur wenige Meter entfernt, die 118. Grobe Karten, vor allem wenn es sich nicht um norwegisches Kartenmaterial handelt, kennen diese Strecke einfach nicht. Und was die gedruckten Landkarten natürlich ebenfalls überhaupt nicht kennen, weder inländische noch ausländische, das sind die vielen Starenkästen entlang der 21 zwischen Halden und der E6. Sind die Einnahmen aus dem Erdölgeschäft noch nicht genug? Gulesider.no benennt für die nicht einmal 10km lange Strecke sage und schreibe zehn dieser Dinger.

 

Umgerechnet 1,75 Euro für einen Liter 99 Oktan, das verlangt die Shell-Zapfsäule kurz vor der Auffahrt zur E6, wie gut wenn man da mit einem Sparmobil unterwegs ist. Heilige Einfalt, andere erdölproduzierende und –exportierende Länder berechnen Cent-Beträge. Und doch, so voll wie es heute Abend an der Tanke ist, kommt die Frage auf ob der Sprit denn noch nicht teuer genug ist. Aber Norwegen war in Sachen Preisgefüge schon immer etwas anders als die anderen, für den Preis der ebenfalls erstandenen zwei Cola und des Tütchens Gifflar – auch der Fahrer muß mal nachtanken – versorgt sich in Deutschland bei Feinkost - Albrecht eine Großfamilie.

 

Aha, auch Norwegen hat ein Verkehrsproblem; so wie die Menschen heute Nachmittag in Schweden nach Göteborg hineinströmten, so strömen, oder besser gesagt, stehen sie derzeit in Richtung Oslo. Die 118 ist auch aus diesem Grund heute die bessere Wahl. Bliebe zu ergründen, warum nur so Wenige die Landstraße als Alternative zur überfüllten E6 nutzen. Landschaftlich hat die alte Strecke jedenfalls eher wenig zu bieten, viel Kulturland, wenig Wald; und auch die Ortschaften am Weg wirken – des Wetters wegen ? – ein wenig trist.

 

Die Stadt Moss am Oslofjord erinnert heute ein wenig an Kungsbacka, im entscheidenden Moment fehlt ein ( der ? ) Wegweiser zur Fähre nach Horten. Diese Sackgasse ist es jedenfalls nicht ... Prinzipiell ist die Strecke zum Anleger aber nicht schwer zu finden, so denn die Orientierung im Ort an der Straßennummer 19, nicht mehr an der 118, stattfindet. Klugscheißerweisheit, hinterher ist man immer schlauer.

 

Mal kurz überschlagen, zwei Cola und eine Tüte Gifflar haben vorhin 81 Kronen gekostet, die einfache Fahrt mit dem PKW über den Oslofjord schlägt mit 85 Kronen zu Buche, das sind jeweils rund 10 Euro. Wer einerseits so bekloppt war, für ein paar Küchlein und gefärbtes Zuckerwasser die horrende Summe von 20 DM auszugeben, fragt sich andererseits schon, warum die Fahrt auf einem Schiff genauso viel kostet, also, so wenig, um nicht zu sagen, fast gar nichts. Die Lösung liegt in der besonderen Verkehrspolitik des Landes, Fährverbindungen werden in Norwegen stark subventioniert, da sie in vielen Gebieten die einzige Verbindungsmöglichkeit zwischen Inseln und Festland, oder sogar auf dem Festland selbst, darstellen.

 

auf dem Oslofjord

 

Zwei Doppelendfähren versehen den Dienst zwischen Moss und Horten am Westufer des Oslofjords, etwa 20min dauert die Überfahrt. So schnell, wie man auf der Fähre ist, so ist man auch schon auf der anderen Seite des Fjords und wieder runter vom Schiff. Das schlechte Wetter trübt die Aussicht über den Oslofjord leider beträchtlich, die Uferlinien verschwimmen im Einheitsgrau der tiefziehenden Regenwolken. An Deck der Fähre schwappt das Regenwasser zwischen den Füßen der wenigen Passagiere, die sich tatsächlich mal an Deck wagen. Das Gros hält sich im Schiff auf, übt kollektive Nahrungsaufnahme oder Maximalshopping innerhalb kürzester Zeit.

 

Das Ziel westlich des Oslofjords heißt Hvittingfoss am Fluß Lågen; einen direkten Weg dorthin gibt es von Horten aus nicht, es bleiben nur die E18, verbunden mit einem Umweg, oder eine Fahrt "querfeldein" über nummernlose, bessere Feldwege zwischen den in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Hauptverbindungsstraßen. Keine Frage, auf welche Strecke die Wahl fällt ...

 

Im Kreisverkehr gleich nach Verlassen der Fähre trennt sich die Spreu vom Weizen, die meisten Passagiere fahren die 19 weiter, nach rechts auf die 310 biegt kaum jemand ab. Über verschlungene Wege wird zunächst Horten passiert, anschließend ist schon bald die Auffahrt zur neuen E18 erreicht. Der weitere Weg geradeaus ( Kopstadveien ) bis zur 35 ist so lala, zwar etwas kurvenreich, aber noch gut ausgebaut; größere Ortschaften liegen nicht am Weg, allenfalls Dörfer und Höfe.

 

Auf der 35 fällt das erste Mal der miserable Zustand norwegischer Straße auf, ein guter Test für Federung und Stoßdämpfer, aber bei höheren Geschwindigkeiten nicht ungefährlich. Die Norweger scheint es nicht zu stören ... Auf die 35 Richtung Norden eingebogen ist es schon der nächste Abzweig nach links für den weiteren Weg querfeldein, diesmal zur 312. Und das ist hier durchaus wörtlich zu nehmen, anfangs säumen noch meist Äcker und Wiesen den schmaler werdenden Weg, dann geht es nur noch durch Wald, einspurig, mit viel Gegenverkehr.

 

Nicht viel besser ist die Querverbindung von der 312 zur 40, das letzte Stück des Wegs "querfeldein". Insgesamt ist die Strecke landschaftlich sehr abwechselungsreich, aber nicht gerade entspannend. Naja, wer nur Autobahnen und plattes Land mit kilometerlangen stets geradeaus führenden Straßen gewohnt ist, dem dürfte hier das ein oder andere graue Haar wachsen. Die Norweger stört auch dies nicht weiter, es paßt eben immer irgendwie, gerade noch so, im letzten Moment ...

 

Abseits der 40, etwas außerhalb von Hvittingfoss, wohnt Geir Andersen, Vorstandsmitglied des norwegischen Granadaklubs. Leider ist er an diesem verregneten Abend nicht daheim, und auch die Nachbarn können mir nicht nicht sagen, wann er wieder zurück sein wird. So bleibt es bei ein paar Fotos vor seiner Haustür und einer Nachricht im Briefkasten. 

 

bei Geir Andersen in Hvittingfoss

 

Geir ist auch nicht das eigentliche Ziel des Abends, vielmehr der kleine Hof Hamremoen Gård noch ein Stück weiter nördlich von Hvittingfoss an der 40, wo eine Unterkunft für die nächste Nacht gebucht ist. Geir gab vor der Tour den Tip zu der niederländischen Familie, die auf dem Hof Hütten vermietet, aber auch Stellplätze für Wohnwagen und -mobile, und nebenher einen Hofladen betreibt. Bei dem Dauerregen heute ist es sehr angenehm ein festes und dazu noch beheizbares Dach über dem Kopf zu haben, allen sonstigen Vorzügen eines Platzes in der Wildnis zum Trotz. Und der Hofladen sorgt mit frisch gebackenem Brot sowie etwas Käse und Fisch aus der Umgegend wieder für ein ganz besonderes Abendessen. Keine Frage, auch dieser Ort ist mindestens genauso empfehlenswert wie das Hotell Hovgård

 

 

23 Juni, Hvittingfoss bis Bergen

 

 

Hütte auf Hamremoen Gård nördlich von Hvittingfoss

 

In der Nacht hatte es noch kräftig geprasselt, gegen Morgen klaart es auf, die tiefhängenden, den Wald an den umliegenden Berghängen einhüllenden Wolken steigen höher, die Wälder beginnen zu dampfen. Die Windrichtung ist allerdings geblieben, drückt von Süden her die Wolken in die Täler. Unbeständiges Wetter wird auch heute der Begleiter sein.

 

Die Hütten auf Hamremoen Gård haben keine Naßzelle, die Sanitäranlagen für Hüttengäste und Camper liegen in einem extra Gebäude auf der anderen Seite des Geländes. Das einzige Manko für allzu verwöhnte Urlauber. Dafür ist die Benutzung inklusive, kein Hantieren mit Münzen oder ähnlichem. Nun ja, eine Renovierung täte mal Not, aber an der Sauberkeit gibt es nichts auszusetzen.

 

Das erste Ziel am Morgen ist Kongsberg, zum Tanken und Einkaufen. Die Antwort auf meine Frage, wie man denn an den Treibstoff aus dem Zapfhahn kommt, ist genial, genial daneben: "damit haben wir nichts zu tun, geht nur mit Kreditkarte". Goldige Zeiten .... Zum Glück liegt ein Stück zurück, aber auf der Gegenseite, eine weitere Tankstelle, die dann auch Papiergeld akzeptiert. Und weil eine Filiale der mir bis dato völlig unbekannten Kette Kiwi auch am Weg liegt, werden die Einkäufe gleich miterledigt, anstatt noch halb Kongsberg nach einem Supermarkt abzusuchen.

 

Am Weg, das heißt in diesem Falle: an der 40 Richtung Geilo und Bergen. Generell gibt es ab Kongsberg im Groben zwei Möglichkeiten weiter nach Bergen zu fahren, die E134 / 13 südlich und die 40 / 7 nördlich von Hardangervidda. Beide Strecken sind landschaftlich sehr interessant und bieten zudem teilweise Möglichkeiten, über kleinere Wege, alte Strecken oder Alternativrouten abseits der Hauptverkehrsstraßen zu fahren. Das möge jeder für sich entscheiden, heute fällt die Wahl auf die nördliche Route, nachdem die letzte Reise nach Bergen über die südlich von Hardangervidda verlaufende Strecke führte.

 

Die 40 folgt dem Lågen gemächlich aber mitunter recht verschlungen flußaufwärts, bleibt dabei aber stets im Tal. Bis kurz vor Rollag besteht zudem die Möglichkeit, alternativ zur 40 die nummernlose Straße durchgehend auf der jeweils anderen Flußseite zu fahren. Wer es nicht gerade eilig hat, dem sei diese Strecke empfohlen, auf der 40 wird man schnell zum Verkehrshindernis. Bis auf kleinere Ortschaften wie Rollag ist das Tal des Lågen geprägt von Landwirtschaft und viel Wald, eben ganz typisch für diesen Teil Norwegens.

 

Nördlich von Rollag wurde der Lågen einige Male zwecks Stromerzeugung aufgestaut, das Ergebnis sind langgezogene Seen wie der Nore- und der Kravikfjorden. In Rødberg gibt es weitere Wasserkraftwerke, eines davon erzeugt Strom aus den Wassermassen des nördlich und weit oberhalb des Ortes gelegenen Stausees Tunhovdfjorden. Der Weg zum See hoch ist steil und kurvenreich, bietet aber eine weitere sehr schöne Alternativstrecke zur 40. Und man hat nicht immer ausgerechnet jetzt einen LKW vor sich ...

 

Der Weg am Tunhovdfjorden entlang führt meist durch Wald, dabei fällt auf, daß der dichte Mischwald aus dem Tal einem lichter werdenden Kiefernwald weicht. Es geht also immer weiter in die Höhe ... Der Boden des Waldes wird oft von leuchtend weißer Rentierflechte bedeckt, auch sonst erinnert die Vegetation hier oben immer mehr an jene wesentlich nördlicherer Breiten. Und doch, auch in dieser Höhe gibt es noch Landwirtschaft, das ist im kleinen Ort Tunhovd oberhalb des gleichnamigen Stausees nicht zu übersehen.

 

Geilo ist eines DER Wintersportzentren Norwegens, bereits Kilometer vor dem Ort ist die nun nur noch birkenbestandene Landschaft entlang der 40 mit Hütten zugepflastert, tauchen überall mondäne Hotel- und Appartementanlagen auf. Jetzt im Sommer wird überall kräftig weitergebaut, und Sommertouristen bevölkern die Straßen. Über eine Bergkuppe hinweg führt die 40 ins Tal des Usteåne und direkt ins Zentrum von Geilo, wer mag, kann im Kreisverkehr nach rechts auf der 7 zur 50, und über diese weiter zur E16 fahren, der einzigen Strecke nach Bergen ohne eine Fährverbindung dazwischen, aber auch mit einem Umweg verbunden. Der direkte Weg von Geilo nach Bergen führt dagegen in der letzten Ausfahrt des Kreisverkehrs der 7 folgend nach Westen und über Hardangervidda.

 

Abgesehen von der Serpentinenstrecke hinauf zum Tunhovdvatnet war die heutige Strecke bislang fahrtechnisch nicht besonders anspruchsvoll, und daran soll sich zunächst auch nicht viel ändern. Die Strecke über Hardangervidda ist gut ausgebaut und um diese Jahreszeit schneefrei. Entsprechendes Wetter vorausgesetzt, gewährt die Strecke herrliche Ausblicke in die umgebende Landschaft. Im Norden tauchen zunehmend schneebedeckte Berge wie z.B der Prestholtskarvet oder der Storeskuta auf, im Westen ist mit etwas Glück der Hardangerjøkulen zu sehen. Die Strecke steigt weiter an, entsprechend karger wird die Vegetation; die jetzt vorherrschenden Birken werden niedriger und lichter, zudem tragen sie mit zunehmender Höhe auch Ende Juni noch nicht einmal Laub.

 

Hardangervidda am Westzipfel des Ustevatn

 

an der 7 auf Hardangervidda westlich des Ustevatn

 

Westlich des Ustevatn erreicht die 7 den gänzlich baumlosen Teil der Hardangervidda südlich des Hardangerjøkulen. Mehr und mehr Altschnee des letzten Winters bedeckt die Landschaft und rückt immer dichter an die Straße heran. Die Seen auf der Hochebene sind auch Ende Juni noch ganz oder teilweise mit Eis bedeckt. Zusammen mit dem ( noch ) sonnigen Wetter sorgt dies für das ein oder andere gute Fotomotiv, und der ein oder andere ebenfalls aus Deutschland stammende Touri muß feststellen, daß sich ein Oldtimer im Schnee gar nicht so schlecht auf dem Urlaubs-Erinnerungs-Foto macht.

 

Hardangervidda, am See Ørteren

 

Das Wetter bleibt leider nicht so sonnig, wie es noch die letzten zwei Bilder zeigen. Der weiterhin vorherrschende Südwestwind drückt das schlechte Wetter in die Täler und auf die Bergflanken. Mit Erreichen des Scheitelpunktes im Verlaufe der 7 auf etwa 1300 m ( wo zum Henker steht nur das Schild dazu an der Straße ? ) wechselt das Wetter binnen Minuten. Die tiefhängenden Wolken hüllen die Landschaft ein, es beginnt zu nieseln und wird naßkalt. Mit einem Mal wirkt die Landschaft gar nicht mehr fotogen, ganz im Gegenteil. Auch an ein Foto mit dem Hardangerjøkulen im Hintergrund ist nun nicht mehr zu denken.

 

Hardangervidda, kurz vor dem Skiftesjøen auf etwa 1300m Höhe

 

Westlich des Skiftesjøen fällt die 7 rapide in die Täler zum Hardangerfjorden hin ab, auf nicht einmal 40km geht es von etwa 1300m auf NN, nach 250km auf der 40 und der 7, um die Höhe überhaupt zu erreichen. Das erste tiefergelegene und bewohnte Tal ist das Sysendalen, mit dem gleichnamigen Dammen und dem dahinter aufgestauten Sysenvatnet. Die eigentliche Attraktion dieses Tals ist aber der Vøringfossen am Talausgang. Eingerahmt von eng zusammenrückenden Bergflanken rauschen die Wasser des Flusses Bjoreio in die Tiefe. Zu verfehlen ist diese Sehenswürdigkeit nicht, rechts der 7 gibt es ein großes Tourizentrum, im Zweifelsfall einfach den Touribussen hinterherfahren ...

 

Dann geht es richtig abwärts, auf einer Serpentinenstrecke, die auch durch mehrere Tunnel - einer davon schraubenförmig - führt, windet sich die 7 dem Bjoreio folgend nach unten ins Måbø- und sich anschließende Hjølmadalen, wo mit dem Eidfjordvatnet schon fast Meeresniveau erreicht ist. Die Landschaft ringsum ist nun gebirgig, mit steil abfallenden Berghängen und schmalen Tälern, steht in keinem Vergleich mehr zu bislang durchquerten Landschaften Norwegens. An einem Seitenarm des Hardangerfjorden, dem Eidfjorden, und in der dazugehörigen gleichnamigen Ortschaft, ist man schließlich wieder "unten", auf Meeresniveau.

 

die Fähren über den Eidfjorden zwischen Brimnes und Bruravik

 

Die kürzeste Fährverbindung über den Hardangerfjorden und seine Seitenarme mit dem Ziel Bergen befindet sich im Verlauf der 7 zwischen Brimnes und Bruravik über den Eidfjorden. Zwei Doppelendfähren pendeln über den Fjord, die Überfahrt selbst dauert nur ca. 10min und kostet ( in 2008 ) 75 Kronen. Andere Verbindungen gibt es weiter westlich zwischen Kinsarvik und Kvanndal, Utne und Kvanndal oder Jondal und Tørvikbygd. Sie dauern aber entweder länger oder sind nur über Umwege erreichbar.

 

Der weiterer Verlauf der 7 ab Bruravik ist nur eine von zwei möglichen Strecken nach Bergen, alternativ gäbe es noch die E16 weiter nördlich; weil aber norwegische Landkarten die Strecke am Hardangerfjord entlang als besonders sehenswert preisen, fällt die Wahl auf Erstere. Ja, nun, sehenswert in jedem Fall, auch mit Regen, aber wo kann man halten um das Sehenswerte zu genießen? An der gesamten Strecke gibt es gerade mal zwei ausgeschilderte Parkplätze. Das ist leider nicht weiter verwunderlich, denn oft ist die 7 nur einspurig und wie an den Fels geklebt. Bleiben nur noch die wenigen Ortschaften am Weg für einen Stop.

 

Schön ist der Weg am Fjord entlang ja, schön nervig, denn trotz des mitunter abenteuerlichen Straßenverlaufs ist die 7 vielbefahren, auch von LKW, und das mit hohem Tempo. Frei nach dem Spruch "Tod den Renntieren" aus Asterix Band IX, wird hier, eben im Land jener in dieser Szene zu sehenden, geheizt daß die Heide wackelt. Ob Albert Uderzo und Réne Goscinny seinerzeit Urlaub in Norwegen machten, bevor sie den Asterix-Band vollendeten ?

 

Viele erzählen mir, daß es in Bergen gar nicht so oft regnet wie stets behauptet wird. Wie kommt es dann, daß ich hier noch nicht einen trockenen Tag erleben durfte ? Je näher das heutige Ziel, der Campingplatz "Lone-Camping" in Haukeland ca. 10km vor Bergen, rückt, desto stärker kommt Nasses von oben. Eigentlich ein Jammer, denn die Landschaft hält viele tolle Fotomotive parat. Heute allerdings sind diese mal wieder hinter Regenschleiern und Wolken verschwunden.

 

an der 7 kurz vor Bergen

 

Jæja, Hochglanzbilder im weltweiten Netz oder in teuren Prospekten, und nun die Realität. Die Eisenbahnlinie durch Haukeland und vorbei am Campingplatz ist stillgelegt, was bleibt ist der Verkehr  - besonders der LKW -  auf der 580; hier nagelt alles durch, was nicht nach Bergen muß, oder die Straßenmaut dort umgehen will. An der Tankstelle gleich am Eingang zum Campingplatz herrscht natürlich entsprechend Betrieb bis spät Abends, und ganz nebenbei scheint nebenan noch jemand seinen Hof abzufackeln, die Rauchschwaden werden dank des Regens schön im Tal festgehalten und auf den Campingplatz gedrückt.

 

Daß die Rezeption für den Platz in einem Nebenraum der Tanke untergebracht ist, erklärt ein Schild am Ende des Platzes. Wie schön, die im Vorwege angemietete Hütte befindet sich sehr zentral gelegen an der Zufahrt zum Campingplatz, nur einen Steinwurf von der Tankstelle an der 580 entfernt, mit der Wohnmobilkloake und dem - dank des Regens heute verwaisten - Zeltplatz als unmittelbare Nachbarn. Ob die Rattenfalle unter der Veranda der stark gen Zeltplatz geneigten Hütte schon belegt ist ... ? Und sind die überall hinschiffenden Köter der Campinggäste als natürliche Düngemittellieferanten für die Campingplatzvegetation eingesetzt ? Wem der Appetit immer noch nicht vergangen ist, der kann sich an der Dunstwolke eines Schnellrestaurants neben der Tanke laben. Der Ölwechsel in den Friteusen dürfte schon eine Weile her sein ...

 

Wenn es für die Unterkünfte in Halmstad und Hvittingfoss ein uneingeschränktes "ja" für eine weitere mögliche Übernachtung an diesen Orten gab, so gibt es für Lone-Camping ein eindeutiges "nein". Das ist schon alles sehr grenzwertig ... Leider sind  - für norwegische Verhältnisse gesehen - preiswerte Unterkünfte in und um Bergen Mangelware, die Hütte auf Lone-Camping ist in der jetzt beginnenden Hauptsaison schon fast ein Schnäppchen. Für zukünftige Anreisen nach Ísland über Bergen wird die Suche nach einer Alternative jedenfalls aktuell bleiben. Was finden die Touris nur alle an Bergen so toll ... ?

 

Ein Gutes hat die zentrale Lage allerdings: es ist nicht weit zum nächsten Supermarkt, und der Wasseranschluß der Wohnmobilkloake taugt auch zum Autowaschen. Nein, nicht für eine Vollwäsche, das wäre wohl etwas frech, aber ein paar Eimer zum Abspülen des Straßendrecks lassen sich ohne Weiteres abzapfen. Der Supermarkt, besser gesagt derer zwei, nämlich Rimi und Spar, liegen an der 580 in Höhe der Tankstelle, Rimi diesseits, Spar jenseits der Straße. 

 

Als alter Sparianer fällt die Wahl für den abendlichen Einkauf natürlich auf den Spar-Supermarkt, es gilt das Sortiment etwas näher in Augenschein zu nehmen. Der Nachteil in der Lage des Marktes liegt allerdings von vornherein auf der Hand, es ist einfach die verkehrte Straßenseite. Keiner der bequemen Camper latscht über die Straße, sie schaffen es gerade bis zum Rimi. Entsprechend schaut der Laden in den Frischeabteilungen aus, wie kurz vor der Schließung. Und so, wie die Wahl des heutigen Übernachtungsplatzes eher ein Griff ins Klo war, so ist es auch mit dem ersten Griff ins Regal. MHD der Kekse: 28.05.08. Upps, das war schon gewesen .... Das Sortiment reicht natürlich aus, um sich für den Abend und die nächsten zwei Tage auf See zu versorgen, Ökobier der Marke Lammbräu muß es aber nun wirklich nicht sein, und auch der Dosencamembert der Käserei Champignon steht nicht ganz oben auf der Einkaufsliste ( und auch nicht ganz unten ). Fisch oder Käse aus der Region z.B., so wie gestern auf Hamremoen Gård, das täts schon eher. Aber darum ist es im norwegischen Spar schlecht bestellt. Insgesamt ist der Spar-Markt rödelig und keinen Grund wert, um noch einmal die Straße freiwillig zu überqueren. 

 

 

2. Etappe: Bergen - Ísland

 

 

24./25. Juni, Bergen bis Färöer-Inseln

 

Dem Regen folgt in der Nacht eine unangenehme nasse Kälte, überhaupt nicht mehr sommerlich, und vor allem dem alten Vergasermotor des fahrbaren Untersatzes so gar nicht zuträglich. Das Stottern und Spotzen will nach dem recht zeitigen Start vom Campingplatz kein Ende nehmen, sehr unangenehm. Nachdem einige Liter unverbrannten Benzins die norwegische Luft bereichert haben, legt sich der Hustenreiz der Maschine mit Erreichen der Betriebstemperatur zum Glück, ernsthafte Probleme mit dem Vehikel hätten im Zweifelsfall das vorzeitige Ende der Reise bedeutet, noch bevor sie richtig begonnen hat.

 

Zum Fähranleger in Bergen sind es vom Campingplatz in Haukeland Luftlinie keine 10km. Leider ist ein Berg dazwischen, man kann sich nun aussuchen, diesen nördlich oder südlich zu umfahren. Heute fällt die Entscheidung auf den südlichen Weg über die 580, etwa 25km mißt diese Strecke. Und laut Karte gibt es auch eine Möglichkeit, die Stadtautobahn zu umgehen, aber wie schon auf den letzten Reisen bleibt es bei einem nett gemeinten Versuch, diesen Weg zu finden. Im morgendlichen Berufsverkehr und ohne Kartenleser nebenan ein eher hoffnungsloses Unterfangen.

 

Wie viele andere große Städte Norwegens erhebt auch Bergen eine Mautgebühr für die Fahrt in das Stadtzentrum, aber wo? Früher gab es Mautstationen mit Schranke, wo man entweder direkt beim Kassierer zahlte oder abgezähltes Kleingeld in einen Trichter werfen mußte. Und heute? Keine Spur mehr von Schranken, auch Kameras oder Ähnliches - so wie auf bundesdeutschen Autobahnen - sind zumindest auf Anhieb nicht zu entdecken. Das weltweite Web schreibt Widersprüchliches dazu, mal heißt es, eine Maut wird generell und für alle erhoben, an anderer Stelle ist zu lesen, daß Norweger zahlen müssen ( über ein Kartensystem ), Touristen nicht ( mehr ). Findet also doch eine Kontrolle über Kameras o.ä. statt? Wie dem auch sei, eine Rechnung aus Bergen ist bislang nicht gekommen ...

 

Von Süden kommend und sich Richtung Zentrum orientierend landet man irgendwann ( mit Glück ) beim Fischmarkt in Bergen, hat anschließend Tyske Bryggen zur Rechten und dahinter den Fähranleger zur Linken. Ich frage mich seit nunmehr drei Fahrten von Süden nach Bergen hineinkommend, wie ich hier immer wieder gelandet bin. Nun ja, immerhin sind es heute alles offizielle Straßen auf dem Weg bis zur Fähre, keine Busspuren o.ä. :-)

 

Die Fähre ist noch nicht da, es bleibt etwas Zeit für einen kleinen Spaziergang, zumal es gerade nicht regnet. Touristen stellen heute morgen ganz klar die Mehrheit unter den Fußgängern, wobei es international gemischt zugeht. Auf dem Parkplatz an der Rückseite der Festung Bergenhus sind die Karten eindeutiger verteilt, hier scheint es eine deutsche Kolonie zu geben. Der Parklatz gibt allerdings auch eine willkommene Gelegenheit, um das letzte Gepäck für die Fähre zurecht-, und den Wagen trockenzulegen. In der Hoffnung, es möge bis zum Stellplatz im PKW-Zwischendeck der Norrøna nicht mehr schiffen ...

 

Die Hoffnung erfüllt sich nicht, Bergen bleibt seinem Klischee treu, es gießt schon bald wieder wie aus Kübeln. Das Einchecken am Kai ist recht entspannt, über Bergen reisen nicht eben viele Touris gen Ísland. Viele Färinger stehen in den Warteschlangen, auch Ísländer und Norweger. Parallel zu den Reisenden mit Ziel Färöer / Ísland füllt sich der Kai auch schon mit Fahrzeugen für die nächste Fähre. Und nicht nur darum ist der wichtigste Mann im Dorf - pardon, auf dem Kai - der "Platzanweiser", mit gestrenger Miene und ruppigen Anweisungen führt er eisern Regie in seinem Hoheitsgebiet. Der Granada entlockt ihm jedoch ein breites Grinsen. Ja, nun, einen alten Ford, so was hätte er auch mal besessen, einen Taunus, lacht und haut mit der flachen Hand krachend auf das Vinyldach.

 

Bergen, gleich geht`s auf die Fähre

 

auf dem Weg in die Norrøna

 

Norrøna, PKW - Zwischendeck

 

Die "neue" Norrøna, wie sie im Folgenden des besseren Verständnisses wegen genannt wird, kann nur durch das Heck be- und entladen werden, ein Manko, welches sich vor allem beim Entladen negativ auswirkt. Natürlich, Sicherheit geht vor, allerdings schwimmt die alte Norrøna, ihres Zeichens 1973 als Gustav Vasa in Rendsburg vom Stapel gelaufen, mit Bug- und Heckklappe immer noch. Die wurde auf den Reisen über den Nordatlantik aber auch nicht von minderqualifiziertem Ostblock-Personal schwimmfähig gehalten...

 

Aber der Reihe nach:

 

Irgendwann am späten Vormittag setzen sich die Reihen der wartenden Íslandreisenden in Bewegung, zunächst nur die PKW, da diese im PKW-Zwischendeck verstaut werden. Vom unteren Laderaum auf der Backbordseite rollt die Autoschlange zunächst "eine Etage" höher in Richtung Bug, biegt hier im 180° - Winkel nach Steuerbord ein und fährt über eine Rampe noch ein Stockwerk höher zurück in Richtung Heck. Die PKW für die ersten drei oder vier Reihen wenden auf dem Zwischendeck am Heck ein weiteres Mal und werden nach und nach an der Steuerbordwand der neuen Norrøna "einsortiert".

 

Man sollte besser sagen "eingepfercht" ... Platz kostet Geld auf Schiffen, da macht die neue Norrøna keine Ausnahme. Zwischen Vorder- und Hintermann wird wenigstens soviel Platz gelassen, daß man dort die Reihen passieren kann und an den Kofferraum kommt. Zwischen den Reihen allerdings, d.h. links und rechts vom Wagen, ist in den meisten Fällen kein Platz mehr um sich noch durchzuquetschen, wenn das Beladen des PKW-Decks abgeschlossen ist. Wer dann auch noch mit Gepäck beladen ist, hat verloren. Sobald der Wagen abgestellt ist, hat man gerade noch genügend Zeit, um sich seinen Zampel zu greifen, den Wagen abzuschließen und das Deck zu verlassen.

 

Nicht vergessen: merke Dir den Aufgang, über welchen Du das PKW - Deck ( oder eines der anderen Autodecks ) verlassen hast. Die neue Norrøna hat Ausmaße, wo das Suchen des eigenen Fahrzeugs inmitten der ganzen anderen Reisenden nicht nur fünf Minuten dauert. Anstatt der sonst geläufigen Buchstaben- und/oder Zahlenkombinationen sind auf der neuen Norrøna Bilder verschiedener Vögel zur Markierung der einzelnen Treppenhäuser gewählt worden.

 

Im Schiff, auf den beiden Decks mit Restaurant, Cafeteria, Bar, Duty-Free-Shop usw., stinkt es nach Zigarettenqualm ( die Färöer-Inseln führen ein Rauchverbot erst am 1. Juli 2008 ein ), die Luft über dem Nordatlantik ist wahrscheinlich zu sauber und sauerstoffreich. Die mit Teppich ausgelegten Flure und Gänge sind dreckig, der Staubsauger ist entweder defekt oder noch nicht erfunden. Die Kabinen sind noch in Arbeit, naja, ist auch erst Mittag, das Personal muß wohl erstmal ausschlafen und in Ruhe frühstücken. 

 

Und an Deck? Das Sonnendeck ist versifft und verpekt, überall Abfälle und Speisereste, ein Duft von schalem Bier, Kippenresten und "ich laß' mir alles noch einmal durch den Kopf gehen" umweht die Reisenden; und das natürlich besonders dort, wo das Deck zu beiden Seiten des Schiffes zum Schutz vor Wind und Wetter ein Stück überdacht ist. Auf einer Seite gibt es unter der Überdachung so etwas wie einen Imbiß, zu o.g. Düften gesellen sich nun jene eines typischen Fast-Food-Restaurants, bei dem der Ölwechsel schon eine Weile zurückliegt. 

 

Unterirdisch ...

 

Auf den Außendecks befinden sich überall verstreut Holzliegestühle, eine feine Sache, um bei einigermaßen Wetter, und wenn nötig entsprechend warm eingepackt, die Seeluft während der Überfahrt zu genießen. Auf Grund o.g. Situation empfiehlt es sich, den Stand- bzw. Sitzort mit Bedacht zu wählen, möglichst mit der Nase im Wind, und nicht unter der Überdachung. Auch sollte man sein Augenmerk auf den Zustand der Sitzmöbel richten, irgendwer hatte offenbar versucht, einige zu Feuerholz zu verarbeiten. Und wo wir gerade beim Thema "Verarbeitung" sind: die neue Norrøna, nicht einmal sechs Jahre alt, rostet ...

 

Bergen von der Wasserseite

 

Neues und Altes an der Wasserseite von Bergen

 

alte Speicher am Wasser

 

die "Stadsraad Lehmkuhl"  verläßt Bergen

 

Der tolle Ausblick vom Sonnendeck der neuen Norrøna auf Bergen entschädigt für den ersten Eindruck an Bord und den mehr als fahlen Beigeschmack, welchen dieser hinterläßt. Das launige Wetter Bergens hält für eine Weile inne, und so gelingt das ein oder andere schöne Foto von der Wasserseite Bergens rund um den Vågen, das natürliche Hafenbecken Bergens. Dank der Ausmaße der neuen Norrøna kommt der Standort an Deck einem Logenplatz gleich, nichts behindert die Aussicht.

 

Gegen 12:00 Uhr Bordzeit ( mitteleuropäische Sommerzeit abzüglich einer Stunde, oder ísländische Zeit zuzüglich einer Stunde ) macht sich die neue Norrøna von Bergen aus auf die rund zweitägige Reise nach Ísland. Davon vergehen die ersten etwa 1 1/2 Stunden, um das offene Meer zu erreichen, da Bergen geschützt hinter einer Insel(Schären-)kette liegt. Ein sehr interessanter Teil der Reise, den man tunlichst draußen an Deck verbringen sollte. Langsam schiebt sich das Schiff durch enge Fjorde und an bewohnten sowie unbewohnten Inseln/Schären vorbei, erst in südliche, dann in südwestliche Richtung.

 

Das Sonnendeck gewährt einen Logenplatz, mit ungehindertem Blick in die Vorgärten und Häuser so manches, direkt am Wasser stehenden norwegischen Anwesens. Daß hier nicht unbedingt die weniger betuchte Bevölkerungsschicht Norwegens zu Hause ist, davon zeugt das ein oder andere Grundstück mit Bootshaus und Bootssteg direkt am Fjord, und/oder einem Pool im Vorgarten. 

 

auf dem Weg durch die Schären

 

nette Häuschen am Wegesrand

 

Wohnen am Wasser

 

ja, auch ganz nett ...

 

da muß die Fähre durch

 

der Eingang zur Hölle ?

 

Auch nach 1 1/2 Stunden dauert es noch lange, bis die Küste ganz hinter dem Horizont verschwunden ist und sich rings um das Schiff nur noch der offener Nordatlantik ausbreitet. Spätestens jetzt sind auch die Kabinen bezugsfertig und es geht daran, sich häuslich einzurichten. Das gebuchte Bett in einer der Vier-Mann-Außenkabinen erinnert stark an die Kasernierung zu Bundeswehrzeiten, nur mit dem Unterschied, daß es damals Sold und mehr Platz gab, während die Unterkunft auf der neuen Norrøna teuer bezahlt werden muß und einer Sardinenbüchse gleichkommt. Die Etagenbetten sind schmal, und besonders die oberen, von der Wand her ausklappbaren Kojen schauen nicht aus, als trügen sie das Gewicht eines stämmiger gebauten Mitteleuropäers. Und der kleine Metallrahmen, welcher aufgestellt werden kann, damit man bei starkem Seegang nicht aus der Koje fällt, verhindert allenfalls, daß die Bettdecke nicht eine Etage tiefer saust. Es geht beengt zu, viel Gepäck sollte man nicht mit auf die Kabine nehmen. Die Naßzelle ist gerade groß genug um sich einmal umzudrehen, Möglichkeiten für Wanderer oder Fahrradfahrer z.B., dort Sachen zu trocknen, gibt es nicht. Die Klimaanlage, die Frischluft in den Raum drücken soll, ist bei voller Besetzung der Kabine überfordert, zumal die Abluft über die Entlüftung in der Naßzelle bei geschlossener Badezimmertür nicht klappt. Erste schwarze Flecken rings um die Öffnung der Klimaanlage deuten dies an. Leute mit empfindlichen Atemwegen sollten hier unbedingt vorsorgen !

 

Wer wenig Berührungsängste hat, dem dürfte das Zusammengepferchtsein auf engstem Raum, dazu mit oft internationaler Mischung, nichts ausmachen. Man ist als Íslandreisender ja sozusagen unter "Seinesgleichen". Nun ja, zumindest meistens ... Die Besetzung in Kabine 7305 auf Deck D ist heute in der Tat international, der typische Íslandreisende ist darunter aber eindeutig in der Minderheit. Der Färinger begleitet die färingischen Countrymusiker, welche sich gerade an Bord befinden, der Shetländer ist auf dem Weg nach Hause, und der Norweger will mit seiner Familie Verwandte auf der Färöerinseln besuchen.

 

Und trotzdem, oder gerade deswegen, paßt die Mischung, und es kommen sehr interessante Gespräche zustande. Jetzt lassen sich auch die seit heute Mittag auf dem Sonnendeck an Backbord saufenden Färinger einordnen, dies sind besagte Musiker, die einmal im Jahr die Tour von den Färöerinseln nach Bergen und zurück mitfahren, um in den verschiedenen Etablissements an Bord aufzutreten. Der Färinger auf Kabine 7305 ist als Fotograf für die Countrymusiker mit an Bord, Fan ist er sowieso. Aber wie wollen die Jungs heute Abend noch aufrecht auf der Bühne stehen, geschweige denn einen geraden Ton rausbringen ... ?

 

Der Shetländer, eigentlich Feuerwehrmann auf dem Flughafen der Shetlandinseln, ist seit Jahren ein begeisterter Fan der färingischen Countrymusiker und deswegen mit der Fähre unterwegs. Wenn er nicht gerade pennt, ist er in einer der "Locations" an Bord verschwunden, wo gerade ein Auftritt der Musiker stattfindet.

 

Vom Norweger ist viel über die Verhältnisse in Norwegen zu erfahren, die Klüfte zwischen Nord und Süd, West und Ost innerhalb des Landes. Wenn auch die Berichterstattung wenig objektiv sein mag, und ganz die Sicht eines Einwohners benachteiligter Landesteile Norwegens, in diesem Falle des Westens, wiedergibt, so gewinnt man doch einen Eindruck davon, was die Leute abseits der Nachrichten wirklich bewegt. Bunte Prospekte für Norwegentouristen sind jedenfalls nicht darunter ...

 

Spätnachmittag auf offener See

 

...

 

Woher das Geld stammt, um sich in den Schären vor Bergen stattliche Anwesen am Wasser mit eigenem Boot zu bauen, das taucht auf einer Fahrt mit der "neuen" Norrøna von Norwegen in Richtung Schottland/Shetlandinseln am Spätnachmittag aus dem Meer auf. Hier steht kein alternativer Wohnungsbau für Naturfreaks mitten im Meer, sondern hier werden Rohöl und/oder Erdgas gefördert. In weitem Umkreis verstreut tauchen nun Bohrinseln mitten im Meer auf. Die meisten davon sind nur am Horizont zu erkennen, einige passiert die neue Norrøna aber sehr nah. Wer schon jeden Winkel des Schiffes abgelichtet hat, der kann sich nun über ein paar neue Fotomotive freuen.

 

Offshore Ölplattform

 

Die neue Norrøna war in den letzten 12 Monaten mehrere Male in den Schlagzeilen, geriet sie doch in Stürme, die nicht unerheblichen Schaden verursachten. Neben schweren Beschädigungen am Unterschiff geriet auch die Ladung, sprich die PKW der Reisenden, und Fracht, in Bewegung. Wie es danach auf dem Autodeck der neuen Norrøna aussah, ist auf den Shetland News und bei der BBC nachzulesen. Die Internetseite Youtube hält dazu außerdem einen Ausschnitt aus einer färingischen Nachrichtensendung bereit. Bloß nicht das Bier verschütten ...

 

Damit hier keine Mißverständnisse aufkommen: so rauh geht es auf dem Nordatlantik nicht immer zu, aber schlechtes und stürmisches Wetter kann jederzeit auftreten, auch im Sommer. Man sollte sich nur immer vor Augen halten, daß die Fähre hier nicht über einen Teich schippert, sondern über den offenen Nordatlantik, und die Überfahrt nicht einige Stunden, sondern einige Tage dauert. Wie dem auch sei, die Überfahrt gestaltet sich wettertechnisch sehr entspannend, die nachfolgenden Bilder vermitteln davon einen kleinen Eindruck.

 

Abend auf dem Nordatlantik ...

 

... mal ohne Seegang

 

Irgendwann am frühen Morgen des zweiten Tages auf See erreicht die neue Norrøna den Hafen von Scrabster im äußersten Norden Schottlands. Bei starkem Seegang macht sich der Stop für alle Reisenden, die in ihren Kojen pennen, allenfalls dadurch bemerkbar, daß man plötzlich ruhig schlafen kann. Im Falle der Reisenden in Kabine 7305 steht allerdings ein Bettenwechsel an, und damit ist die Nacht dann auch zuende. Die Shetlands werden von England ersetzt, es bleibt weiterhin international. Ganz nebenbei: frisches Bettzeug hat es für die frei gewordene Koje nicht gegeben ...

 

Scrabster wird von der Fähre erst seit letztem Jahr angelaufen, vorher war es - auch mit der alten Norrøna - die Stadt Lerwick auf den Shetlandinseln. Die Hintergründe für diesen Wechsel kann ich nur vermuten, wahrscheinlich erhofft man sich dadurch eine bessere Auslastung des Schiffes. Der Shetländer in Kabine 7305 findet dafür jedenfalls keine positiven Worte. Dabei ist die Tatsache, daß er nun einen Umweg machen muß, um wieder nach Hause zu kommen, nicht einmal der Hauptpunkt seiner Kritik. Der Bau der neuen Norrøna wurde seiner Aussage nach nicht von den Färöerinseln allein, sondern auch durch einen Beitrag der Shetlandinseln, realisiert. Daß die Reederei nun den Fahrplan umgestellt und die Shetlandinseln herausgenommen hat, stößt damit - verständlicherweise - bei Shetländern auf wenig Gegenliebe.

 

Noch am Nachmittag des gleichen Tages, auf der wöchentlichen Rundreise der neuen Norrøna ist es in 2008, wie auch in den letzten Jahren, stets der Mittwoch gewesen, erreicht die Fähre Tórshavn, die Hauptstadt der Färöerinseln. Doch schon vorher sind an Backbord - klares Wetter vorausgesetzt - die südlichsten Inseln des Archipels zu sehen, Suðuroy und Sandoy, mit den kleinen unbewohnten Schären Lítla und Stóra Dímun dazwischen. 

 

die Färöer-Inseln kommen in Sicht

 

erster Blick auf  Tórshavn

 

im Hafen von Tórshavn kurz vor dem Anlegen

 

Der Hafen von Tórshavn ist, bezogen auf die Abmessungen der neuen Norrøna, klein, das hatte man auf einer der ersten Reisen etwas unterschätzt und prompt Anfang 2004 eine unangenehme Berührung mit einer Hafenmauer gehabt, wobei einer der Propeller zu Bruch ging und es erhebliche Schäden am Rumpf gab. Bei Blohm & Voss wird nach weiteren Havarien in 2007 bereits gescherzt, wann die Fähre das nächste Mal in der Werft ist. Heil bis an den Liegeplatz zu gelangen, ist jedenfalls mit viel Können verbunden, immerhin läuft das Schiff vorwärts in den Hafen ein, dreht dann mit dem Bug zunächst nach Backbord in den Hafenteil Vestara Vág, um anschließend mit dem Heck voraus die Landspitze Tinganes zu umschiffen und rückwärts an der Kaimauer im Hafenteil Eystara Vág festzumachen. Eine rote Tonne vor Tinganes markiert dabei die flachen Ausläufer der Landspitze unter Wasser.

 

die "Altstadt" von Tórshavn, der Regierungsbezirk auf Tinganes

 

Das Gros der per Fähre reisenden Íslandfahrer wählt den Weg ab Hanstholm für die Überfahrt, immer verbunden mit einem zwangsweisen zweitägigen Zwischenaufenthalt auf den Färöerinseln ( Stand 2008 ! ). Nur wenige Reisende, zumeist Färinger, verlassen in Tórshavn die Fähre, dagegen steigen weit mehr zu, füllen das Schiff in der Hauptsaison bis auf den letzten Platz. Ein Blick vom Heck auf den Kai vermittelt einen ersten Eindruck, wie die Fähre am Abend gefüllt sein wird.

 

In diesem Jahr - nach 10 Jahren Abstinenz von der Norrøna - fällt beim Blick auf die Warteschlangen eines sofort auf: Reisemobile stellen, von "normalen" PKW abgesehen, die Mehrheit unter den Wartenden; die von früheren Reisen gewohnten unzähligen Geländewagen jeglicher Couleur sind heute dagegen klar in der Unterzahl. Es mag Zufall sein, Fakt ist aber, daß sich die Straßenverhältnisse Íslands in den letzten Jahren deutlich verbessert haben, vom Hochland abgesehen eine Reise mit "normalen" Fahrzeugen nicht mehr automatisch einen Totalschaden für den fahrbaren Untersatz zur Folge hat.

 

Was geblieben ist, das sind die vielen Möchte-Gern-Abenteurer, überheblich und total overdressed. Die sich offenbar auch auf der Fähre den Weg durch unwegsamstes Gelände bahnen müssen. Ein lustiger und zugleich doch immer wieder erschreckender Anblick. Naja, die Ísländer werden auch diesen Schwung wie immer mit stoischer Gelassenheit über sich ergehen lassen.

 

Kabine 7305 ist nun mehrheitlich deutsch/deutschsprachig belegt, das war auch nicht anders zu erwarten, stellen die Deutschen doch weiterhin den größten Teil jener Reisenden, die mit der Norrøna Ísland besuchen. Ein Bielefelder und ein Schweizer füllen die leer gewordenen Kojen. Der Deutsche ist mit seinem Motorrad nach Ísland unterwegs, von ihm ist allerdings nicht viel zu sehen, er reist in einer Gruppe und nutzt die Kabine nur zum Schlafen. Der Schweizer will das Land zunächst per Rad näher erkunden, später dann zusammen mit einem Wagen und der ganzen Familie. Da er das erste Mal in Ísland unterwegs ist, entwickeln sich zusammen mit ihm und dem Engländer die interessantesten Gespräche.

 

die wollen alle mit ...

 

sogar Fracht paßt noch auf die ausgebuchte Fähre

 

Plastikschrott fürs ísländische Hochland

 

die Smyril läuft ein

 

 

25./26. Juni, Färöer-Inseln - Seyðisfjörður

 

 

Diese Reise ist voller Überraschungen angenehmer Art, und das liegt bei Weitem nicht nur an dem außergewöhnlichen Fortbewegungsmittel auf dieser Tour, oder den interessanten Gesprächspartnern. Nach drei Reisen per Fähre, wo sich die Färöerinseln hartnäckig in Nebel und Wolken hüllten, oder in der Dunkelheit verschwunden waren, herrscht heute nach dem Auslaufen aus Tórshavn klare Sicht. Der starke, eiskalte Nordostwind, welcher schon beim Einlaufen die meisten Touris vom Sonnendeck fegte, sorgt nun für perfekte Sichtverhältnisse.

 

Die neue Norrøna läuft zunächst wieder Kurs Süd, es scheint, als wolle sie nach Schottland zurück. An der Sudspitze der Hauptinsel Streymoy biegt das Schiff dann aber nach Westen in den Skopunarfjørður ein, steuert nun zwischen der Insel Sandoy im Süden und Streymoy sowie der kleinen vorgelagerten Insel Hestur im Norden durch. Bei widrigen Witterungsbedingungen und schlechter Sicht wird dieser Kurs mit Sicherheit auch beibehalten, führt er doch direkt in die offene See westlich der Färöerinseln und im Anschluß in Richtung Nordwesten direkt auf Ísland zu.

 

Heute aber umfährt die neue Norrøna zunächst die Insel Hestur, nimmt dann Kurs Nordwest in den Vágafjørður und anschließend in den schmalen Vestmannasund. Spektakuläre Bilder sind die Folge, man weiß gar nicht auf welcher Seite des Schiffes man zuerst stehen soll, um die besten Motive einzufangen. Hinter Hestur passiert die Fähre die ebenso schroffe und in westliche Richtung senkrecht abfallende Insel Koltur.

 

kurz nach dem Auslaufen aus Tórshavn

 

die Färöer-Inseln mal ohne Nebel und Regen, Einfahrt in den Vágafjørður

 

nur einen Steinwurf entfernt ...

 

senkrechte Felswände der Insel Koltur

 

die Insel Koltur

 

die Insel Hestur in der Bildmitte, davor rechts Koltur

 

Mit immer noch sehr beachtlicher Geschwindigkeit segelt die neue Norrøna mit Kurs Nord in den schmaler werden Vestmannasund. An Backbord kommt das markante südliche Ende der Insel Vágar in Fotoreichweite, an Steuerbord erhebt sich die nicht minder spektakuläre Westseite von Streymoy aus dem Meer. In nordwestlicher Richtung geht es weiter durch den schmaler werdenden Sund, auf Streymoy tauchen nun nach und nach kleine Ortschaften, z.B. Kvívík und Vestmanna, in geschützten Buchten auf. 

 

Südzipfel der Insel Vágar

 

die Insel Streymoy am südlichen Eingang zum Vestmannasund

 

Streymoy

 

Kvívik auf Streymoy

 

Vestmannasund

 

Vágar

 

Vágar mit Hauptverbindungsstraße

 

Vestmannasund nach Süden

 

Vestmanna auf Streymoy

 

Den Ausgang des Vestmannasunds in die offene See markieren die Landspitze Slættanes auf Vágar, sowie der spektakuläre Küstenabschnitt Vestmannabjørgini auf Streymoy. Daß die Fähre hier nur bei gutem Wetter durchsteuert, mag noch plausibler erscheinen, wirft man einmal einen Blick auf die Wasseroberfläche am Ausgang des Sundes. Die gut sichtbaren Strömungen nehmen bei Sturm mit Sicherheit nicht ab. Bei derzeit recht ruhiger See ist die Passage aber problemlos, schnell erreicht die Fähre wieder offene See und läuft mit voller Kraft gen Ísland.

 

Vestmannasund nach Norden

 

Streymoy am Ausgang des Vestmannasunds

 

Westküste von Streymoy, Vestmannabjørgini

 

Eingang zum Vestmannasund zwischen Streymoy ( links ) und Vágar

 

zerklüftete Küste von Streymoy

 

die Färöer-Inseln entfernen sich

 

Seeluft macht bekanntermaßen hungrig, wie ist es nun um die Verpflegung an Bord bestellt? Der Preis für die Überfahrt beinhaltet lediglich den Autotransport und die Koje in der Kabine, beim allgemeinen skandinavischen Preisniveau - das färingische bewegt irgendwo zwischen dem norwegischen und dem ísländischen - liegt es nahe, sich an Bord selbst zu verpflegen. Klar dabei dürfte sein, daß Kochen in den Kabinen absolut verboten ist, ein Feuer an Bord muß nun wirklich nicht sein. Wer seine Stullen gern nicht in der engen Kabine, sondern irgendwo im Schiff futtern möchte, wird überall mit mehr oder weniger netten Schildern darauf hingewiesen, daß ein Verzehr mitgebrachter Speisen untersagt ist. Ein nettes Schiff, fürwahr ... Geduldet wird es zumindest an Deck, bei Sturm und schwerer See aber ein recht zweifelhaftes und im ärgsten Falle wenig dauerhaftes Vergnügen.

 

Nun gibt es mehrere Lokalitäten an Bord, wo es sich gegen Bezahlung mehr oder weniger excellent speisen läßt. Keine Frage, das bordeigene Restaurant ist, was die Qualität der Speisen angeht, vorzüglich, die Preise sind es aber auch. Für den schmalen Geldbeutel fällt das Restaurant jedenfalls aus, zumal sich hier nur zum Abendbrot speisen läßt. Die Cafeteria im Heck wartet mit einem reichhaltigen Frühstücksbuffet auf, Mittagstisch gibt es ebenso wie ein Abendbuffet. Das Abendbuffet konnte ich nicht genießen, die Schlange war mir einfach zu lang, in der Hauptsaison ist es wenig entspannend sich abends hier zu verköstigen, wenigstens nicht auf den "vollen" Strecken zwischen Färöerinseln und Ísland bzw. Dänemark. Näher in Augenschein nehmen konnte ich das Frühstück und die Speisen zu Mittag. Fazit: Skandinavische Preise, die Qualität eher mäßig, der Service mies. Auch wenn das Frühstücksbuffet für die Zeit von 7:00 Uhr bis 10:00 Uhr ausgeschrieben ist, so ist es eine Unsitte, einem dieses kurz nach 10:00 Uhr vor der Nase abzuräumen. Und wer schon damit überfordert ist, Essen auszugeben und gleichzeitig ein paar Würstchen heißzumachen, gehört zur "Rushhour" nicht hinter die Theke in der Cafeteria, auch wenn diese zur Mittagszeit nicht über das Niveau einer stinknormalen Firmenkantine hinausreicht.

 

Beim Thema Service schließt sich auch wieder der Kreis zum Anfang der Berichterstattung über die Fährüberfahrt. Als die alte Norrøna außer Dienst gestellt wurde, da gab es ernsthafte Überlegungen, die neue Norrøna auszuflaggen um die Kosten zu senken. Das Schiff läuft nun doch unter färingischer Flagge, Färinger sind unter dem Bordpersonal aber nur noch in den leitenden Funktionen vertreten. Durch die Kabinen wuseln - oder eben auch nicht - meist Leute osteuropäischer Herkunft, das Personal in den Lokalitäten und Geschäften an Bord ist international gemischt, selten sind auch noch Färinger darunter. Die Menschen können ja nichts dafür, aber das Niveau an Bord leidet durch diese Art, das Schiff zu betreiben, deutlich. Und dies wird umso unverständlicher, zieht man dann noch die Preisgestaltung für eine Überfahrt mit in die Betrachtung hinein ...

 

Die wenig schmeichelhaften Gedanken zum Thema "Viehtransporter Norrøna" verfliegen am nächsten Tag erst, als bei eisigem Wind aus Nord unter hohen Wolken die Küste von Ostísland auftaucht. Dank moderner Satellitennavigation steuert das Schiff zielstrebig auf die Einfahrt in den Seyðisfjörður zu, schnell kommt die schroffe Küste näher. Zeit, die Kamera auszugraben und auf der Suche nach den besten Fotomotiven ständig die Seiten an Deck zu wechseln. Der Engländer zeigt sich sehr beeindruckt, vor allem von den einsam gelegenen Farmen am Fjord. Für den Schweizer ist in erster Linie das Wetter von Interesse, will er doch von Seyðisfjörður aus zunächst den Norden erkunden.

 

Tags darauf, die ísländische Ostküste kommt in Sichtweite

 

die ísländische Ostküste unter Wolken

 

Einfahrt in den Seyðisfjörður, Südseite

 

Skálanesbjarg am Eingang zum Seyðisfjörður

 

Eine Stunde vor dem Anlegen in Seyðisfjörður sind die Kabinen zu räumen, ein Grund mehr nicht mit allzu viel Gepäck den Aufenthalt an Bord zu gestalten. Auf die Wagendecks kommt man erst unmittelbar vor dem Anlegen, hat vorerst also sein Gepäck "am Hals", schleppt es über die Decks und durch die Gänge, oder läßt es einfach irgendwo unbeaufsichtigt stehen. Die Kabinen werden nun bereits für die Rückfahrt hergerichtet, daß die Zeit trotzdem noch nicht ausreicht, zeigt sich dann bei der Rückfahrt.

 

In den Bergen zu beiden Seiten des Seyðisfjörður liegt noch reichlich Schnee, das läßt nun auf schöne Bilder während der weiteren Reise hoffen, vorausgesetzt, das Wetter spielt mit. Und natürlich muß der ísländische Zoll "mitspielen", denn noch steht der Wagen mit dem sonderbaren Kennzeichen auf dem PKW - Deck der neuen Norrøna, rollt nicht über die 93 gen Egilsstaðir. Während so die Gedanken kreisen, schiebt sich die neue Norrøna weiter in den Seyðisfjörður hinein, legt schließlich pünktlich um 12:00 Uhr Ortszeit mit dem Heck voran am neuen Fährterminal in Seyðisfjörður an.

 

Hánefsstaðir an der Südseite des Fjords

 

Nordseite des Seyðisfjörður

 

Seyðisfjörður

 

Seyðisfjörður

 

Alles neu, macht der Mai, so sagt ein Sprichwort, und das ist nach der Ankunft ein ums andere Mal der Fall. Wie nach dem Beladen der Fähre in Bergen schon befürchtet, dauert es etwa eine Stunde, bis das Deck unter dem PKW - Zwischendeck leer ist, die Rampe abgelassen werden kann. Unter ohrenbetäubendem Geheule irgendwelcher Sirenen senkt sich der vordere Teil langsam ab, dann können die ersten Fahrzeuge rollen. Überhaupt aber ans Auto heranzukommen ist schwierig, es zu entern fast unmöglich. Dies hat aber auch Vorteile, wenn man selbst nicht am Wagen vorbeikommt oder hinein, so kann diese auch niemand anders. Zumindest Schrammen an den Seiten sind somit ausgeschlossen.

 

Der Einstieg gelingt schließlich über die Beifahrertür, in der Bordwand ist just in Höhe der Tür eine Aussparung. Als dann die Reihen rollen, springt der Motor sofort an, die in Bergen mit verfrachtete Feuchtigkeit hat keine Spuren hinterlassen. Draußen auf dem Kai wird nun nicht mehr nach diesel- und benzingetriebenen Fahrzeugen sortiert, sondern eher nach Größe. Und es wird die obligatorische Zollplakette verteilt. Das Datum der Abreise ist bereits vorgestanzt, bis Anfang August könnte ich theoretisch bleiben. Ob mein Chef damit einverstanden wäre ... ?

 

Dann passiert lange nichts, außer daß die Reihen ab und zu um ein oder zwei PKW vorrollen. Als das Ende der Reihen in Sicht kommt, wird es noch einmal interessant, hier steht nicht etwa der Zoll und kontrolliert, sondern die örtliche Polizei. Und hier wird noch einmal sortiert, allerdings mehr auf Gutdünken. Nach Fragen zu dem Wageninhalt, die sich allerdings auf frische Lebensmittel und Alkohol beschränken, bekommt man entweder freie Fahrt durch einen "Seitenausgang" des Geländes, oder aber darf sich zwecks eingehender Kontrolle des Gepäcks an eine neue Reihe anstellen, die zu neuen Hallen des Zolls neben dem Anleger führt.

 

Den PKW wird heute größtenteils freie Fahrt gewährt, später, auf der Rückfahrt, erfahre ich, daß eine Reisegruppe aus Tschechien den Zoll komplett in Beschlag genommen hat. Und so beschränkt sich der lögreglumaður auf o.g. Fragen und weist anschließend mehr oder minder grimmig dreinschauend auf das geöffnete Gitter im Zaun. Die Wagenpapiere will hier niemand sehen ... 

 

Die Zeiten, in denen man bei der Ankunft freundlich nach dem Personalausweis und der Nationalität gefragt wurde, um anschließend mit einem "Gute Fahrt" durchgelassen zu werden, sind endgültig vorbei. Das kommt aber nicht von ungefähr, obgleich nach Alkohol und frischen Lebensmitteln gefragt wird, das eigentliche Problem, womit der Zoll zu kämpfen hat, ist Rauschgift. In immer größeren Mengen rollt das Zeugs ins Land, die Fähre ist nur ein Weg, aber dieser wird immer mehr genutzt. Die nördliche Idylle hat merkliche Kratzer bekommen, es vergeht mittlerweile kein Sommer, wo es nicht Meldungen über neue Mengenrekorde des Zolls beim Fund von Drogen auf der neuen Norrøna gibt.

 

 

3. Etappe: Ísland, Seyðisfjörður - Selfoss

 

 

noch 26. Juni, Seyðisfjörður bis Þorgeirsstaðadalur

 

 

Es dauert einen Moment, bis ich es so richtig begreifen kann, aber es ist tatsächlich wahr, rolle mit einem Ford Granada 2,8l Ghia und roter 07er Nummer ganz offiziell nach Ísland hinein. Das ist mehr als nur ein erhebendes Gefühl, das ist einfach nur g... !!! Mit einem Mal ist der ganze Streß der vergangenen Monate fort, die durchschraubten Nächte in der Werkstatt vergessen, das ganze Hickhack um Auslandsfahrten mit der roten 07er - Nummer eine Lachnummer. Hier oben, in Ísland, am Rande der bewohnten Welt, ist es nun amtlich: 

was da für ein Nummernschild am Auto hängt, interessiert nicht wirklich, Hauptsache, es hängt überhaupt eines daran. Das ist nun Fakt hier in Ísland, und auch in den anderen bereisten skandinavischen Ländern  auf dieser Tour. Und dabei hatte ich vorhin bei der Einreisekontrolle noch extra erwähnt, daß es mit dem Wagen zum Oldtimertreffen nach Selfoss gehen soll. Aber das nur am Rande ...

 

Ein Aufenthalt in Seyðisfjörður ist nicht eingeplant, die üblichen ersten Erledigungen wie Geld einwechseln und einkaufen sind für Egilsstaðir vorgesehen. Hmm, nun hat die lögga schon jeden Reisenden auf dem Fähranleger einzeln kontrolliert, aber wieso halten die Jungs die Touris kaum 100m hinter der Fähre schon wieder an? Egal, den alten Granada hat niemand mehr auf der Rechnung, freie Fahrt zur 93 also, aus Seyðisfjörður heraus, über Fjarðarheiði nach Egilsstaðir. Natürlich bleibt genug Zeit für ein erstes "Beweisfoto" am Ortseingang von Seyðisfjörður ...

 

Freie Fahrt, das ist heute eher relativ, dafür bietet die Serpentinenstrecke zur Fjarðarheiði hoch einfach zu viele gute Aussichtspunkte, und es sind offenbar zu viele Touris das erste Mal hier unterwegs. Erstes Verkehrshindernis sind aber nicht die "Sehleute", sondern ein qualmender Tschechenbus, der übel mit der Steigung zu kämpfen hat. Dabei kann man heute froh sein, das diese Strecke schon länger asphaltiert ist, die frühere Schotterpiste war schon etwas abenteuerlich. Schnell sind da die Gedanken bei der ersten Tour, und den ersten Eindrücken nach Verlassen der Fähre. Wie heißt es dazu im damaligen Tagebuch: "freudig über den Schotter tanzend, suchen sich erste Radkappen ihren Weg in den Straßengraben, und so mancher Motorkrossfahrer muß feststellen, daß ísländische Straßen andere Ansprüche an Mensch und Maschine stellen, als die Sandkuhle daheim ...".

 

es ist geschafft, das erste Beweisfoto

 

Die Fahrt über Fjarðarheiði ist etwas nervig, überall springen Touris aus ihren Vehikeln auf die Straße und fotografieren. Recht so, aber bitte nicht vergessen, da sind noch andere Autos auf der Straße unterwegs, und ein Ausweichmanöver auf dem mittlerweile hoch aufgeschütteten Bankett der 93 endet unweigerlich mit einem Totalschaden im Acker nebenan. Aber es gibt heute viele schöne Fotomotive hier oben, denn die dicke Bewölkung, so wie sie noch heute morgen an der Küste hing, ist aufgerissen, die Sonne scheint, und die Farben Íslands strahlen. Schnee gibt es auf Fjarðarheiði noch en masse, allerdings weit weniger, als es der letzte Winter vermuten ließe, und weniger, als noch während der letzten Reise per Fähre hier oben lag. Wie dem auch sei, die Touris stauen sich an jedem möglichen Haltepunkt, und besonders natürlich an den exponierten Punkten der Strecke, sowohl in Richtung Seyðisfjörður, als auch nach Egilsstaðir hin.

 

Die nachfolgenden Stops in Egilsstaðir sind eher ein notwendiges Übel als angenehmer Urlaubsstart, hier im Ort bleibt natürlich alles hängen, was von der Fähre kommt oder zur Fähre will. Wie halten die Ísländer diesen internationalen Volksauflauf nur aus, wie gehen sie damit um ? Es hat in der Vergangenheit offenbar nicht nur positive Erfahrungen mit dieser modernen Völkerwanderung gegeben, anders ist nicht zu erklären, wieso beim Geldwechseln neuerdings ein Ausweis vorgelegt werden muß. Der Service an der Tanke ist eingestellt, obwohl es 98 Oktan nur an der Servicezapfsäule gibt. Und im Kaupfélag kann man Brot "nach polnischer Art" kaufen ...

 

Dank der neuen Aluhütte hat die Bauwut der Hauptstadtregion auch den Osten, und insbesondere Egilsstaðir, erfaßt, der Ort ist merklich größer geworden. Aber wieder stellt sich mir, wie schon seit Jahren, die Frage, wo das Geld herkommt, wie das alles funktionieren kann. In einigen Monaten wird diese Frage beantwortet sein ...

 

Die obige Aufzählung deutet es bereits an, der erste Stop ist auf der Bank, es folgen einer am Supermarkt und einer an der Tankstelle nebenan. Letztere ist, wählt man für den Weg nach Reykjavík die Strecke an der Südküste, nach der Ankunft mit der Fähre die erste und einzige Tankstelle, welche noch 98 Oktan Benzin verkauft. Dies jedenfalls war das Ergebnis von Anfragen bei diversen Tankstellen entlang der Strecke vor Reisebeginn, und der Kassierer in der N1 von Egilsstaðir kann auch keine andere Auskunft geben. Klar, welcher Touri kommt hier auch noch mit einem Vehikel angerollt, dessen Maschine auf hochoktanigen Sprit ausgelegt ist. Oldtimer hat's aber reichlich in Ísland, und die wollen entsprechend gefüttert werden. Nun gibt es nette Mittelchen, die den "normalen" Sprit aufpeppen, aber auch da muß N1 Egilsstaðir passen. Hätte ich den Jungs an der Tanke gleich ein paar Buddeln des Octaneboosters verkaufen sollen .... ?

 

Fagridalur südlich von Egilsstaðir

 

Mit gefülltem Tank und ein paar Lammleckereien für heute Abend heißt es dann: bloß weg hier, dieser Trubel ist nicht Ísland. Wie sehr sich alles auf Egilsstaðir konzentriert, das ist schon bemerkenswert; aber kaum liegt die Stadtgrenze hinter einem, kehrt die gewohnte Besinnlichkeit ein. Es verspricht jedenfalls ein alles in allem noch recht entspannter Tag zu werden. 

 

Der Wetterbericht kündigt für die nächsten Tage eine nördliche oder nordöstliche Strömung an, mit schlechtem Wetter für den Norden, bestehend aus Sturm, Regen und Schnee, aber schönem Wetter für den Süden ( Föhnwetterlage südlich der Gletscher ). Vor Reisebeginn stand - mehr zwangsweise - fest, daß die Tour in Ísland nach der Ankunft an der Südküste entlang in Richtung Hauptstadt führen würde, denn bereits morgen beginnt das Oldtimertreffen in Selfoss. Daß sich nun das Wetter damit solidarisch erklärt, ist eine mehr als glückliche Fügung. Nicht so verwöhnt werden wird der Schweizer aus Kabine 7305, die Wettermeldungen ließen ihn allerdings ungerührt.

 

Südlich von Egilsstaðir gibt es zunächst zwei Strecken zur Küste, die Ringstraße 1, und die 92. Erstere ist in diesem Bereich aber nicht durchgehend geteert, da nur Nebenstrecke; allein schon um den fahrbaren Untersatz zu schonen, fällt die Wahl natürlich auf die 92. Dazu heißt es, zunächst den Weg aus Egilsstaðir zurück Richtung Fähre zu nehmen, dann aber geradeaus und durch das Fagridalur nach Reyðarfjörður zu fahren. Das Wetter ist dabei wie angekündigt, ein kalter Wind weht von Nordost, drückt die Wolken von dort gegen die Berge und in die Täler. Je nachdem, wie es gerade pustet, und welche Ecken im Windschatten liegen, ist es sonnig oder dick bewölkt. 

 

Der Schnee, so wie er in den Bergen entlang des Seyðisfjörður zu sehen war, der scheint sich auch wirklich nur auf die dortigen Berghänge zu beschränken. Schon während der Anfahrt in das etwas höher gelegene Fagridalur zeigen sich die Berghänge zwar noch größtenteils braun, d.h. hier lag bis vor kurzem noch Schnee, aber bis auf Reste in Rinnen nun schneefrei. Einen ersten Stop gibt es gleich hinter Egilsstaðir auf einem neu angelegten Rastplatz links der Straße, einen zweiten im Fagridalur kurz hinter der Rettungshütte, ganz so wie 1994.

 

im Fagridalur, Stop wie 1994

 

Zum Reyðarfjörður hin fällt die 92 recht steil ab, auch hier gibt es einen weiteren kleinen Rastplatz rechts vom Weg, mit Aussicht in das tiefer gelegene Tal. In den Ort Reyðarfjörður geht es heute nicht, stattdessen noch vor dem Ortseingang nach rechts auf die 96 weiter in Richtung Süden und zur Küste. Seit am Reyðarfjörður begonnen wurde, die Aluminiumhütte zu bauen, hat Reyðarfjörður einen starken Aufschwung erlebt, am Stadtbild sehr gut an den vielen neuen Wohnblocks zu erkennen. Die Aluhütte selbst liegt an der 92 hinter dem Ort am Fjord, von der 96 aus ist der Industriekomplex recht gut zu sehen. 

 

Ältere Straßenkarten führen die 96 nach dem Abzweig vor Reyðarfjörður immer an den Fjorden entlang, neu ist aber ein knapp sechs Kilometer langer Tunnel ( Fáskrúðsfjarðargöng ), der den Reyðarfjörður mit dem südlich davon gelegenen Fáskrúðsfjörður verbindet, und dadurch den Weg hier erheblich abkürzt. Vor dem Tunnel zweigt nach links die alte 96, jetzt 955, ab, und es gibt links einen Rastplatz mit guter Aussicht auf den Reyðarfjörður, und eben auch auf die Aluhütte.

 

Die Rastplätze hören gar nicht mehr auf, kaum aus dem Tunnel raus gibt es schon die nächste Möglichkeit zu halten, diesmal rechts, mit Ausblick in das Daladalur und auf den Hof Dalir. Fein, fein, das Wetter ist auch wie gemacht für viele Stops, die Fotomotive reißen gar nicht mehr ab, im Sonnenschein leuchten die Farben besonders kräftig. Und natürlich müssen mehr "Beweisfotos" gemacht werden ...

 

im Daladalur kurz vor Fáskrúðsfjörður

 

Pause hinter dem neuen Tunnel zwischen Reyðar- und Fáskrúðsfjörður

 

Den Ort Fáskrúðsfjörður am gleichnamigen Fjord spart die Reise aus, er liegt seit dem Bau des Tunnels links abseits am alten Weg. Apropos alt: auch hier sei der Hinweis auf ältere Karten gestattet, in denen als Ortsname noch Búðir angegeben ist. Also nicht verwirren lassen, die Richtung stimmt, zumal man sich bei nur einer Straße auch schlecht verfahren kann. Meer und/oder Fjord liegen bis auf Weiteres nun immer zur Linken.

 

Die nächsten Orte am Weg sind Stöðvarfjörður und Breiðdalsvík an den gleichnamigen Meeresarmen, hinter letzterem ist die Ringstraße 1 wieder erreicht. Unschön für den fahrbaren Untersatz sind die noch insgesamt vier vorkommenden ungeteerten Straßenabschnitte zwischen Fáskrúðsfjörður und Höfn an der Südküste. In allen Abschnitten wird gebaut, und nach der Tour ist zu lesen, daß die Ringstraße nun auch hier durchgehend asphaltiert ist. Nun ja, das nützt jetzt aber wenig, denn der frisch aufgetragene Schotter ist noch nicht befestigt, wird unweigerlich hochgewirbelt, selbst bei geringer Geschwindigkeit. Im Schrittempo geht es schließlich durch die Baustellen, immer mit Blick auf den entgegenkommenden und vor allem auf den von hinten anrollenden Verkehr, um im Zweifelsfall den Wagen schnell von der Straße in Sicherheit zu bringen. Klappt leider nicht immer, und auch nicht jeder hält sich an das Tempolimit in den Baustellen, nicht war, lieber Eimskip-Laster .... ?

 

Das ist aber auch das einzig Nervige an der heutigen Strecke, ansonsten gibt es dank des Wetters ein ums andere Mal viele schöne Motive zu fotografieren, der nachfolgende Ausblick über die Breiðdalsvík ist nur einer davon. Fjorde und steil aufragende Berge, das sind die Hauptmotive entlang der Strecke. Die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen sind klein, beschränken sich auf die Täler am Ende der Fjorde oder auf breiteren Streifen entlang der Küsten. Die natürliche Vegetation besteht aus Gräsern, Heidelbeerkraut, Moosen, Flechten und dicht am Boden wachsenden Birken und Weiden. Höheren Wald gibt es entlang der Strecke nicht.

 

an der 1 südlich von Breiðdalsvík

 

am Berufjörður

 

Stur der Küste folgend schlängelt sich die Ringstraße um jeden Fjord, jede Bucht, und jeden Berg. Für Sehleute ein Paradies, wer es allerdings eilig hat, der dürfte verzweifeln. Auf der ersten Tour 1994, da war alles neu, jeder Stein und jede neue Aussicht hinter einer Kuppe waren es wert fotografiert zu werden. Die damals angesetzten 150km Fahrstrecke pro Tag waren daher sinnvoll, aber trotzdem bereits am ersten Tag überschritten. 

 

Heute sieht es ein wenig anders aus, und der erste Knackplatz von 1994 dient "nur" noch für eine Pause und ein paar Bilder am Strand. Und das, obgleich sich der Platz an der Selvík südlich des Álftafjörður nach wie vor gut zum Übernachten eignet. Er ist etwas abseits der Ringstraße gelegen, aber nach wie vor über eine alte Trasse der 1 gut erreichbar. Nur Frischwasser in der Nähe, das gibt es nicht mehr, der benachbarte, kleine Bach ist schon seit ein paar Jahren versiegt. Allerdings bieten sich entlang der alten Strecke weitere Möglichkeiten, um zu nächtigen, dann auch mit direktem "Wasseranschluß", aber auch nahe der neuen Trasse gelegen.

 

Selvík, alte 1, erster Knackplatz 1994

 

Ostküste in Höhe Selvík, Mælifell und Krossanesfjall im Hintergrund

 

im Sand der Selvík

 

Ein ums andere Mal schieben sich dicke Wolken gegen die Küste, schnell wird es, auch dank des eisigen Nordostwindes, ungemütlich kalt. Weiter landeinwärts reißt es aber sofort auf, und die Sonne kommt heraus. Daran ändert sich während des restlichen Tages nicht mehr viel, nur der Wind schläft zum Abend hin ein.

 

Es ist erstaunlich, wie schnell sich die Touris von der heutigen Fähre offenbar im Nichts aufgelöst haben. Bei einer Reisegeschwindigkeit deutlich unter den erlaubten 90km/h auf Asphalt ist es schon mehr als verwunderlich, nur von Ísländern überholt zu werden. Oder sind die Touris am Ende noch langsamer unterwegs? Wie dem auch sei, die letzten Wagen mit ausländischen Kennzeichen waren bei Fáskrúðsfjörður zu sehen, seitdem ist Ruhe.

 

Das anvisierte Ziel für den ersten Abend in Ísland ist ein kleines Tal kurz vor Höfn, Þorgeirsstaðadalur. Nach wie vor führt eine alte Piste ein Stück in das Tal, und zumindest bis zur alten Staumauer im benachbarten Fluß ist es bei entsprechend umsichtiger Fahrweise keine große Kunst, den Weg mit einem normalen PKW zu befahren. Gaaaanz vorsichtig, nur wie auf rohen Eiern, und immer schön die Steine umkurven ...

 

Ein Zelt befindet sich zwar im Gepäck, doch die Faulheit obsiegt, und so bleibt es eingepackt, stattdessen wird die Bettstatt auf dem Fahrersitz eingerichtet. Das ist der einzige Nachteil an der Granada Limousine, die Rückbanklehne läßt sich nicht umklappen. Ansonsten wäre es gut machbar sich unter Ausnutzung des Kofferraums in diesem Bereich "häuslich" einzurichten. So muß es nun auf dem Fahrersitz gehen, mit Decken, Kissen und einem dicken Schlafsack ist für ausreichend Polsterung gesorgt, bequem ist aber etwas anderes.

 

Schlafenszeit ist noch lange nicht, es geht zwar schon auf 22:00 Uhr zu, aber der Abend hat ja gerade erst begonnen. Nachdem der Wagen die richtige Liegelage hat, und für die Nacht alles vorbereitet ist, geht es zum angenehmen Teil des Abend über. Ich sage nur: lambalærisneiðar... Dankenswerterweise gibt es diese kulinarische Köstlichkeit fertig geschnitten, mariniert und zu drei bis fünf Stücken fertig verpackt in so gut wie jedem Supermarkt und an fast jeder Tankstelle zu kaufen. Die benutzten Marinaden sind dabei so unterschiedlich wie die Produzenten und die Qualität. Sehr gut in Qualität und Geschmack sind jene Beinscheiben, die trocken, d.h. ohne Öl, mariniert sind. Sie sind aber nicht in jedem Geschäft zu finden. Generell sehr gut ist die Qualität der lambalærisneiðar vom Produzenten fjallalamb hf aus Kópasker, von der Borgarnes kjötvörur ehf. aus Borgarnes und von Kjarnafæði aus Akureyri. Wer selber marinieren möchte, oder auch gar nicht, kann die Beinscheiben auch "nackig" kaufen, frisch oder tiefgefroren.

 

Keiner der o.g. Anbieter war im Kaupfélag in Egilsstaðir vertreten, trotzdem bruzzelt alsbald das erste Stück Lamm im Topf. Dazu gibt es frisches Brot und Käse, zum Nachspülen ein färingisches Bier. Dank des nicht mehr existenten Windes und der Helligkeit trotz vorgerückter Stunde läßt sich der Abend ganz entspannt im Freien verbringen, wer die Wetterküche Ísland schon einmal live miterlebt hat, der kann diesen Genuß nachvollziehen. Die Temperaturen sind trotz allem natürlich nicht mitteleuropäisch hochsommerlich, sondern ísländisch kühl, und fallen mit dem Untergang der Sonne weiter in den Keller. Warme Jacke nicht vergessen ...

 

abends im Þorgeirsstaðadalur, erster Knackplatz 2008

 

 

27. Juni, Þorgeirsstaðadalur bis Illagil

 

 

im Þorgeirsstaðadalur kurz nach dem Aufstehen

 

Es gibt mittlerweile widersprüchliche Aussagen darüber, ob das Campieren in "freier Wildbahn" in Ísland nun noch gestattet ist oder nicht. Generell verboten ist es in Naturschutzgebieten, hier gibt es aber oft ausgewiesene Campingplätze. Auf ( eingezäuntem ) Privatgrund darf ebenfalls nicht gecampt werden, im Zweifelsfall einfach auf dem nächstgelegenen Hof nachfragen. Viele Orte haben in den vergangenen Jahren Campingplätze eingerichtet und wünschen sich natürlich, daß man diese als Reisender auch nutzt. Aber die freie Natur lockt eben doch, und da kommt schnell das Thema "gebrauchen, nicht mißbrauchen", auf. Die Erfahrungen vergangener Touren haben gezeigt, daß es bei einem umsichtigen Umgang mit der Natur keine Probleme gibt, wenn man sich irgendwo in der Pampa für eine Nacht häuslich einrichtet. 

 

Leider gibt es immer mehr Touris, welche die bestehenden Gebote und Verbote mißachten. Ganz oben auf der Liste steht das Fahren abseits der ausgewiesenen Pisten, was in Ísland absolut verboten ist. Nicht nur, daß die empfindliche Natur geschädigt wird, es finden sich auch schnell Nachahmer, die den so neu entstandenen Pisten hinterherfahren und alles nur noch schlimmer machen. Keine Spur mehr von unberührter Natur, die ja jeder irgendwie und irgendwo zu finden hofft ...

Damit verbunden ist auch das Befahren gesperrter Pisten; im Frühjahr, nach der Schneeschmelze, sind die vielen Wege durch das unbewohnte Hochland zwar nach und nach schneefrei, bleiben aber gesperrt. So lange der Frost noch im Boden steckt, und dieser nur von oben langsam auftaut, sind die Pisten weich wie Pudding. Eine Fahrt mit dem Geländewagen über so eine Piste - wenn überhaupt machbar -, und der Weg ist tief zerfurcht, praktisch unbrauchbar, und muß neu hergerichtet werden. Wenn also im Juli immer noch ein Schild die Durchfahrt über eine der Pisten verbietet, so hat das niemand vergessen.

Müll liegen lassen oder vergraben sind weitere Unsitten, die immer mehr einreißen. Zu landläufigem Müll gehören auch Kippen, wobei ich mich immer frage, warum ein Raucher überhaupt Urlaub in der sauberen Luft Íslands macht. Es ist zwar als Touri auf den ersten Blick nicht einfach, seinen Müll loszuwerden, die in Deutschland üblichen Müllbehälter an Park- und Rastplätzen gibt es kaum. Aber an jeder Tankstelle läßt sich z.B. Müll entsorgen, und mit der Zeit fallen überall auf dem Land an Straßenkreuzungen und -einmündungen die großen, blauen Müllcontainer auf, in welche die umliegenden Höfe ihren Abfall entsorgen. Ein Schild mit dem Hinweis, daß Reisende ihren Abfall hier nicht entsorgen dürfen, war noch nirgends zu finden.

Zu einem zünftigen Campingurlaub gehört auch immer ein Feuer, so jedenfalls die weit verbreitete Meinung. Ein bißchen kokeln, das scheint die Urinstinkte zu wecken, und es macht sich in der Abgeschiedenheit immer besonders gut. Ja, geht auch, aber mit einigen Einschränkungen; ein Feuer darf nicht auf bewachsenem und/oder moorigem Boden entfacht werden, und schon gar nicht mit dem Holz der Birken von nebenan. Auf den meisten Camping- und Zeltplätzen gibt es Feuerstellen, wo z.B. gegrillt werden darf. Brennmaterial muß man aber fast überall mitbringen, da es an natürlichem Baumbestand fehlt, und der wenige, den es noch - oder wieder - gibt, sorgsamst gehütet wird. 

 

Die Kontrollen wurden in den letzten Jahren verschärft, dank der vielen Touristen, die ihre gute Erziehung daheim ließen, um in Ísland mal ordentlich "die Sau rauszulassen". Was vorher auch ohne Ordnungshüter funktionierte, wird nun immer mehr ge(maß)regelt. Auch tauchen hier und da plötzlich Schilder auf, die das Campieren verbieten, obgleich kein Naturschutzgebiet oder Hof in der Nähe ist. Das alles sollte man zwar nicht überbewerten, aber auch nicht komplett ignorieren. Sehr gut macht es sich nach wie vor, mit den Leuten vor Ort zu sprechen. Der Ton macht die Musik, das gilt in Ísland ebenso wie hierzulande.

 

Der Granada im Þorgeirsstaðadalur hat niemanden interessiert, es konnte sich eh nur um eine Sinnestäuschung handeln, wer parkt mit so einem alten Wagen schon mitten in der Pampa? Es wird erwartungsgemäß spät mit dem Start in den zweiten Tag, die Sonne und ein laues Lüftchen verleiten zum Trödeln. Nach der üblichen Prozedur am Morgen, bestehend aus Zusammenpacken, Wagen lüften und Katzenwäsche im benachbarten Fluß, geht es zum Frühstück auf den Almannaskarð. Dieser eigentlich recht harmlose Bergpaß kurz vor Höfn war und ist ein Wetterloch, und besonders der Weg an der Westseite steil und oft voll Geröll. Seit 2005 gibt es einen Tunnel, und auf den Paß fährt man eigentlich nur noch, um vom neu entstandenen Aussichtspunkt den Blick hinüber nach Höfn und zu den Gletschern zu genießen. Gutes Wetter wie immer vorausgesetzt ...

 

Almannaskarð, Ausblick Richtung Vatnajökull

 

Skarðsfjörður und Höfn

 

Der Ausblick ist dank klarer Sicht erwartungsgemäß gut, kleinere Wolkenfelder halten sich an und über den Gletscherzungen des Vatnajökull. Wer auf seiner ersten Reise durch Ísland diesen Aussichtspunkt erreicht wird zunächst enttäuscht werden, der in den Landkarten so kompakt ausschauende Vatnajökull versteckt sich größtenteils hinter Bergzügen, zu sehen sind lediglich die vielen in die Täler strömenden Gletscherzungen, und bei absolut klarem Himmel eine helle Kappe dahinter. 

 

Aber heute wird hier kein Touri enttäuscht, denn es ist keiner da ( ??? ); der Parkplatz ist verwaist, erst zum Ende des morgunverður rollt ein Geländewagen heran, hält aber nur kurz. Und der nächste Trupp "kämpft" sich ausgerechnet von Westen her über die nach dem Bau des Tunnels meist gesperrte alte 1 zum Aussichtspunkt hoch, und das auch noch in einem Mietwagen der kleinsten Kategorie. 

 

Der Ort Höfn ist DAS Centrum an der Südküste Íslands, knapp 100km nach Osten hin ist Djúpivogur die nächste größere Siedlung mit entsprechender Infrastruktur, und in Fahrtrichtung Westen sind es sogar knapp 170km bis zur nächsten größeren Ortschaft ( Kirkjubæjarklaustur ). Ja, Höfn hat auch einen Campingplatz, aber der kann es mit einem Platz in freier Wildbahn nicht einmal ansatzweise aufnehmen. Das Ziel in Höfn heißt heute auch ausschließlich Tankstelle. Wie schon vorher per Mail in Erfahrung gebracht ist auch hier bei 95 Oktan Schluß, also heißt es den Sprit ein wenig aufzupeppen. Bleiersatz, Octanebooster, ich komme mir beim Tanken mitunter vor wie ein Barkeeper, der einen Cocktail mixt ...

 

auf der Ringstraße hinter Höfn

 

Höfn liegt auf einer flachen Landspitze, ist umgeben von verästelten Fjorden ( Horna- und Skarðsfjörður ), vorgelagerten Nehrungen und dem Mündungsgebiet des Hornafjarðarfljót. Hier war es bislang nicht möglich, eine Straße durchzulegen, aus diesem Grund macht die Ringstraße von Höfn kommend auf dem Weg nach Westen nun zunächst einen Umweg in Richtung Norden, landeinwärts. Aber keine Sorge, vegagerðinn hat auch dafür schon eine Lösung in der Schieblade. Derzeit werden drei Trassen diskutiert, um die Ringstraße in diesem Bereich um etwa 12km zu kürzen. 

 

Noch führt die 1 aber in altgewohnter Weise landeinwärts, direkt auf die Gletscherzungen des Vatnajökull zu. Doch je mehr man selbst meint sich ihnen zu nähern, desto weiter scheinen sie entfernt zu liegen. Die Ringstraße führt hier nicht wirklich dicht an die Eismassen heran. Dazu wäre es notwendig, die Ringstraße zu verlassen und über teils recht rauhe Pisten weiter an die Gletscherzungen heranzufahren. So gibt es z.B. Wege zum Hoffellsjökull, zum Fláajökull oder auch hinauf zum Skálafellsjökull. Mit dem Granada sind diese Pisten aber völlig indiskutabel.

 

Warum steht obiges Schild nun ausgerechnet an der 1 hinter Höfn, um die Erinnerungen etwas aufzufrischen? Touristen betreten das Land gemeinhin in Seyðisfjörður oder Keflavík, wobei mir in beiden Orten noch nie so ein Schild aufgefallen ist. Am Stadtrand von Reykjavík meine ich noch eine dieser Tafeln gesehen zu haben, aber sonst? Egal, hier muß es heute eh nur als Beweismittel herhalten, an die Geschwindigkeitsbegrenzungen muß mich auch in diesem Jahr niemand erinnern, bin ausnahmsweise gern ein Verkehrshindernis.

 

Die o.g. Bergzüge verdecken die Sicht auf den Vatnajökull und die meisten seiner Gletscherzungen, je näher man ihm und ihnen kommt. Und nachdem die Ringstraße in westliche Richtung eingebogen ist, wird es wieder schmal zwischen Bergen und Meer. Schroff ragen die Gipfel bis über 1500m auf, in den schmalen Tälern dazwischen sind nur einzelne Gletscherzungen zu sehen, davor bleibt etwas Platz für Gehöfte und Landwirtschaft. Steinafjall rückt besonders weit vor, verdeckt zunächst die Sicht auf das, was weiter westlich kommt.

 

Dann aber ist der Blick frei auf die erste der weiten Sand- und Geröllebenen an der Südküste Íslands, auf den Breiðamerkursandur. Und der Ausblick ist auch endlich frei auf die Eismassen des Vatnajökull ... Weit schiebt sich der flache Breiðamerkurjökull in die Ebenen vor, dahinter ragt der Öræfajökull mit seinen vielen Gletscherzungen auf, und in ihm die höchste Erhebung Íslands, der 2119m hohe Hvannadalshjúkur. Ein imposanter Anblick, fürwahr, und die Wettergötter meinen es auch noch besonders gut, toppen das Ganze mit einem fast wolkenlosen Himmel.

 

Sofort sind die Erinnerungen an die erste Tour 1994 wieder da, wo sich ein ähnlicher Anblick bot, mit entsprechend guter Wetterlage. Ja, und vor dieser Kulisse gab es damals auch noch den zweiten Knackplatz. Nach der kleinen Brücke über die Fellsá erhebt sich links ein kleiner Hügel, ein Weg führt(e) von der Ringstraße nach links hinter den Hügel. Den Weg gibt es auch noch, aber neue Wasserläufe haben das Gelände für normale PKW unpassierbar gemacht. Aber kein Problem, am Ende des Hügels gibt es links einen kleinen Rastplatz, mit guter Aussicht zum Gletscher. Und es führt eine Piste weiter hinter den Hügel bis an besagten Wasserlauf. Nun noch wenige Schritte auf den Hügel, und die Aussicht ist nahezu perfekt.

 

Breiðamerkur- und Öræfajökull

 

vor den Gletschern, Knackplatz No. 2 in 1994

 

Das Ganze läßt sich natürlich noch steigern, dies ist erst der Anfang. Nach kurzer Fahrt über den östlichen Teil des Breiðamerkursandur tauchen zunächst Brückenpfeiler auf, dann die Brücke dazu, und rechts davon ein großer, mit Eisblöcken unterschiedlicher Größe, Form und Farbe bedeckter See, der Jökulsárlón. Und es tauchen all' die Touris auf, die seit Egilsstaðir wie vom Erdboden verschluckt waren ...

 

Der Jökulsárlón ist einer DER Touristenmagnete an der Südküste, hier kommt alles vorbei, was die Insel umkurvt. Von Einsamkeit und unberührter Natur kann keine Rede mehr sein, rechts vor der Brücke gibt es einen großen Parkplatz, wo sich jetzt zur Mittagszeit die Autos schon fast stapeln. Das Naturschauspiel wird längst vermarktet, mit Amphibienfahrzeugen kann man sich - natürlich gegen Bares - zwischen den Eisbergen umherschippern lassen, es gibt außerdem eine Cafeteria. 

 

Den etwas nervigen Tourirummel ignorierend ( es bleibt allerdings das Restrisiko des "Zack, einmal Tür in die Seite" ) hat das Land hier natürlich auch etwas zu bieten. Der Jökulsárlón und sein kurzer Ablauf ins Meer, die Jökulsá, werden von den Wassern des Breiðamerkurjökull gespeist. Es ist noch nicht lange her, da reichte der Gletscher bis ans Meer, die Ringstraße wurde hier erst in den 60ern fertiggestellt. Wissenschaftler vermuten hier nicht nur einen einfachen Gletschersee, sondern einen ganzen Fjord, der sich noch unter dem Breiðamerkurjökull verbergen soll. Wenn die Gletscher weiter zurückgehen wie bisher, wird man es bald wissen.

 

Noch kalbt der Breiðamerkurjökull in den Jökulsárlón, und je nach Wind- und Strömungsverhältnissen drängen sich die Eisberge sehr zur Freude der Touris dicht vor der Brücke, oder sind nur weit entfernt auszumachen. Heute pustet es vom Gletscher her, und das Eis drückt in Richtung Ablauf zum Meer. Weiß und blau leuchtet das Eis im Sonnenschein, aber auch ... schwarz. Spätestens hier fällt es Jedem auf, Gletschereis isländischer Gletscher kann auch schwarz sein, ja ist es sogar meist am Ende der Gletscherzungen. Nein, hier steht kein Kohlekraftwerk und äschert das Eis mit ungefilterten Abgasen ein, unter dem Vatnajökull tätige, und bisweilen zur Oberfläche drängende Vulkane, waren und sind für das dreckige Eis verantwortlich.

 

við Jökulsárlón

 

einnig við Jökulsárlón ...

 

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Das Gros der Touris drängt sich rund um die Abfahrtsstelle der Amphibienfahrzeuge, aber auch auf der anderen Seite der Jökulsá gibt es einen kleinen Parkplatz, von welchem aus sich gute Fotos des Sees machen lassen, und es besteht die Möglichkeit, in Richtung Westen am Jökulsárlón entlang zuwandern. Ferner kann man, je nach Art des fahrbaren Untersatzes und der eigenen Bequemlichkeit, zu beiden Seiten der Brücke über die Jökulsá an die offene See fahren und/oder laufen. Besonders fotogen sind hier die bisweilen vom Meer auf den schwarzen Strand gespülten Eisblöcke, die zuvor von der Jökulsá ins Meer getragen wurden. 

 

Heute ist in erster Linie ein Bild des fahrbaren Untersatzes vor der Kulisse des Jökulsárlón und der dahinter liegenden Gletscher von Interesse, und das natürlich ohne Touris und deren Vehikel. Auf dem großen Parkplatz östlich des Sees ist dies praktisch unmöglich, zumal man nicht bis ganz an die Abbruchkante zum See hin heranfahren kann. Bleibt nur der kleinere Parkplatz auf der Westseite ... Natürlich tummeln sich auch hier nicht unwesentliche wenige der wie üblich total "overdressden" Typinnen und Typen mit ihren Wagen und Bussen, doch die geteerte Fläche als offiziellen Parkplatz ignorierend ist es möglich, mit dem Auto bis ganz an die Abbruchkante zu kommen.

 

Also, Jungs und Deerns, bitte kurz zur Seite rücken, ich muß da "mal eben" ein Foto machen. Oder auch zwei ... Es werden zum Schluß ein paar mehr, die Gelegenheit, zumal in einer Wetterlage wie der derzeitigen, in naher Zukunft an dieser Stelle noch einmal ähnliche Aufnahmen zu machen, wird sich sobald nicht wieder bieten. So entsteht unter anderem nachfolgendes Bild, und es läßt tatsächlich vermuten, vollkommen allein auf weiter Fläche zu sein. 

 

das ultimative Beweisfoto ... 

 

Zurück auf der Ringstraße und wieder in Richtung Westen unterwegs, ist von dem Trubel rund um den Gletschersee nichts mehr zu spüren. Ein sehr angenehmer Zustand ... Links und rechts breiten sich jetzt weite Sand- und Geröllebenen aus, und besonders rechts zum Jökulsárlón hin erstrecken sich anfangs auch zahlreiche Endmoränenhügel, immer mit dem Breiðamerkurjökull im Hintergrund. Voraus erhebt sich weiterhin der Öræfajökull, die 1 steuert zunächst direkt drauf zu.

 

Vor einigen Jahren wurde die Ringstraße im weiteren Verlauf auf eine neue Trasse etwas dichter zur Küste hin gelegt, um einen Knick in Richtung der Gletscher, und damit die Strecke insgesamt, abzukürzen. Dadurch liegt der zweite ebenfalls oft eisbrockenbedeckte Gletschersee entlang der 1, der Fjallsárlón, nun nicht mehr direkt am Weg. Sowas von schade aber auch ... Es gibt allerdings ein Hinweisschild zum Fjallsárlón, kurz vor der neuen Brücke über die Fjallsá ( die Landkarte sagt Breiðá ? ) steht es, und man gelangt so auf die alte 1 und tatsächlich zum Gletschersee. Aber zur falschen Seite ...

 

In den See kalbt nicht der noch im Norden erkennbare Breiðamerkurjökull, sondern der in westlicher Richtung zu sehende und direkt vom Öræfajökull herunterkommende Fjallsjökull. Und der liegt zusammen mit dem interessanteren Teil des Fjallsárlón dem ausgewiesenen Aussichtspunkt gegenüber. Und nu ?

 

Kein Problem, einfach erst einmal das Hinweisschild ignorieren und der 1 weiter folgen. Hinter der neuen Brücke über die Fjallsá zweigt eine weitere Piste nach rechts in Richtung des Fjallsárlón ab, erreicht alsbald die alte Trasse, folgt dieser kurz zurück Richtung Osten, biegt dann nach links hinunter zum Gletschersee ab. Der Weg ist etwas rauh, wie der auf der anderen Seite übrigens auch, ruhig ein wenig Zeit lassen, das Ziel ist es in jedem Fall wert.

 

Erreicht wird der alte Parkplatz und Aussichtspunkt nahe des Fjallsárlón, und gleich rechts ist der Abfluß in Form der Fjallsá, wo auch noch die Pfeiler der alten Brücke stehen. Ob nun abgebaut oder bei einem Hochwasser fortgetragen, das kann ich nicht sagen, auf jeden Fall war die alte Brücke bereits ein Jahr nach Fertigstellung der neuen Querung bis auf besagte Pfeiler verschwunden. Aus dem Grund ist es auch sinnlos, dem o.g. Hinweisschild zu folgen in der Meinung/Hoffnung, ja sowieso auf diesem Weg ggf. zur anderen Seite zu gelangen.

 

So dichtgedrängt wie auf dem Jökulsárlón tummeln sich die Eisberge hier meist nicht, trotzdem lassen sich mit Glück vergleichbare Aufnahmen machen. Zudem ist es möglich, in einem kurzen Fußmarsch direkt am See entlang - oder über die daneben liegenden Moränenhügel - in Richtung Westen einen Panoramablick auf die Abbruchkante des Fjallsárlón zu bekommen. Der Ausblick ist auf Grund der Nähe zum Öræfajökull auf jeden Fall imposant, und mit etwas Glück, oder eben mit viel Zeit, läßt sich ein Gletscherabbruch beobachten.

 

Hier wie am, besser gesagt im Jökulsárlón, lassen sich auch ohne lange Wartezeiten Robben beobachten, die offenbar erfolgreich im Trüben fischen, ansonsten würden sie sich kaum in den Gewässern aufhalten. Auf den Geröllebenen ist die Raubmöwe, die Skúa, anzutreffen. Der Vogel brütet inmitten der Einöde, und er wird sehr angriffslustig, kommt man gewollt oder ungewollt dem Gelege - oder den Jungtieren - zu nahe. Diverse Pionierpflanzen lassen sich inmitten der Steine anschauen, man muß sich nur tief genug bücken, entdeckt dann schnell viele farbenprächtige und recht eigenartige Gewächse.

 

nächste Gletscherlagune, Fjallsárlón

 

Fjallsárlón, Öræfajökull og Hvanadalshnúkur í baksýn

 

Fjallsárlón og Fjallsjökull

 

Fjallsárlón og Breiðamerkurfjall

 

Die Spezies "Touri" läßt sich in Ísland, wie wahrscheinlich überall sonst auf der Welt auch, in zwei Kategorien einteilen; jene, die zum ersten Mal hier unterwegs sind und mehr oder weniger stumpf den zuvor studierten Reiseführern sowie den aufgestellten Beschilderungen folgen ( wie ich auf meiner ersten Tour auch ... ), und in jene, die schon einige Reisen hinter sich haben und ihre Sehenswürdigkeiten selber suchen. Erstere rotten sich natürlich an allen markanten und in jedem Reiseführer beschriebenen Punkten zusammen, und stellen die weitaus größte Fraktion. Letztere bleiben zumeist unsichtbar ...

 

Und genau so ist es heute am Fjállsárlón zu beobachten; auf der alten 1 östlich der Fjallsá stehen mehrere Wagen, streunen Leute am Wasser entlang. Westlich der Fjallsá steht nur dieser komische alte Granada ... Also psssst, nichts weitersagen, dann bleibt es auch so. Zur "Ehrenrettung" des ausgeschilderten Aussichtspunktes sei allerdings angemerkt, daß in diesem Bereich eine schlechte, zum letzten Stand nur allradtaugliche Piste nach Norden abgeht, und man auf ihr den Breiðalón erreicht, einen weiteren Gletschersee. Dieser liegt, wie es der Name schon vermuten läßt, wie auch der Jökulsárlón vor dem Breiðamerkurjökull.

 

an der alten 1 vor dem Fjallsárlón

 

Westlich der Fjallsá kommen die Berge wieder näher, rücken dichter zur Küste, und mit ihnen die Gletscherzungen des Öræfajökull. "Öræfi" bedeutet soviel wie Einöde, neben dem Gletscher trägt der Landstrich südlich davon diesen Namen, und deutet damit auf verheerende Vulkanausbrüche und die ihnen folgenden Gletscherläufe 1362 und 1727 hin, welche die einst blühende Region größtenteils verwüsteten. Unter dem Öræfajökull gibt es weiterhin Vulkane, ob sie erloschen sind, kann niemand mit Bestimmtheit sagen.

 

Auf ihrem Weg nach Westen passiert die Ringstraße nun die Zufahrt zum Hof Kvísker, einem der isoliertesten Höfe dieser Region. Im Anschluß erreicht die Straße den Kvíárjökull, der sich allerdings bereits weit zurückgezogen hat. Seit neuestem gibt es aber hinter der Brücke über die Kvíá rechts einen Rastplatz, von welchem aus man zum Gletscher marschieren kann. Vom Eis zurückgelassen wurden nahe der 1 nur hohe Endmoränenwälle.

 

Spätestens jetzt ist in südwestlicher Richtung im Übergang zwischen Küste und Meer ein einsamer Felsen zu erkennen, das Naturschutzgebiet Ingólfshöfði. An dieser vorgelagerten Stelle landete einst der erste Siedler Íslands, Ingólfur Arnarson. Die "Fastinsel" ist auch mit dem Wagen erreichbar, auf Grund der sich ständig ändernden Wasserläufe und weitläufigen Sander aber nur mit einem richtigen Geländewagen, oder auf geführten Touren, die vom Hof Hofsnes aus starten. Übrigens, die in älteren Karten noch verzeichnete Tankstelle beim Hof zuvor, Fagurhólsmýri, gibt es nicht mehr.

 

Ingólfshöfði bleibt heute aus vor, und das natürlich vor allem wegen des fahrbaren Untersatzes. Aber auch sonst wäre es auf Grund der momentanen Wetterlage wenig ratsam, nach Ingólfshöfði zu fahren. Hääää, wieso das, ist doch strahlender Sonnenschein ? Ja, das war so, bis etwa in Höhe des Kvíárjökull. Die von Weitem eher harmlos ausschauende Wolke an den Bergen südlich des Öræfajökull entpuppt sich beim Näherkommen als ausgewachsene Gewitterwolke, die einen lokalen Wettersturz verursacht. Mit einem Mal ist es finster, gießt in Strömen. Und nicht nur das, die ringsum in ein weißes Kleid gehüllte Landschaft gibt berechtigten Grund zu der Annahme, daß es hier vor nicht allzu langer Zeit auch geschneit und gehagelt hat.

 

Zum Glück regnet es nur noch, und kaum ist die 1 hinter Hofsnes nach Nordwesten eingebogen, da ist der Spuk auch schon wieder vorbei. Etwas unheimlich ist so etwas trotzdem ... Im Westen breitet sich jetzt der Skeiðarársandur aus, Europas größter Gletschersander. Und voraus am Horizont ist bereits der Verursacher erkennbar, der Skeiðarárjökull, Europas größter Talgletscher. Der Sander mit seinen vielen Wasserläufen machte den Bau der Ringstraße besonders schwierig, so daß diese hier auch erst 1974, zur 1100 - Jahr - Feier der Besiedlung Íslands, fertiggestellt werden konnte. Bis dahin endete die 1 von Osten kommend vor dem Skeiðarársandur.

 

Heute führt die Straße zunächst nahe der Berghänge und Gletscherzungen des Öræfajökull in nordwestliche Richtung auf den Skeiðarárjökull zu. Es gibt am Weg noch ein paar einsame Höfe, viel ist aber nach o.g. Gletscherläufen an landwirtschaftlich nutzbarer Fläche nicht übrig. Am Weg liegen auch die Reste des Hofes Sandfell, hier wurde 1973 ausgegraben, was die Gletscherläufe übrig ließen. Ein Stück weiter gibt es nach rechts eine rauhe Piste zum Falljökull, unnötig zu erwähnen, daß auch dieser Weg heute tabu ist.

 

Die nächste, auch für normale PKW ohne größere Blessuren zu bewältigende Piste an die Gletscher heran, gibt es nach Passieren der Shell-Tankstelle links und dem Hotel Freysnes rechts der 1. Ein ungewöhnlich gut ausgebauter, aber geschotterter Weg, führt an den Berghang zwischen Skafta- und Svínafellsjökull heran, endet heute vor letztgenanntem. Über einen kurzen Weg ist es möglich, bis an den Svínafellsjökull heranzugehen. Es ist noch nicht allzu lange her, da waren beide Gletscherzungen in diesem Bereich miteinander verbunden.

 

Trotzdem es an vielen Stellen dieser Region sehr einfach ist, an die Gletscherzungen zu gelangen, eines sollte sich jeder verdeutlichen: darauf herumzuturnen ist kein Sonntagsnachmittagsspaziergang mehr. Das Eis ist ständig in Bewegung, zudem von unzähligen Rissen und Spalten durchzogen. Wer es dennoch nicht lassen kann, sollte über entsprechende Erfahrung, Ausrüstung und aktuelles Kartenmaterial verfügen, und er sollte sich unbedingt vor Ort bei den Menschen erkundigen, die ihr Leben am Gletscher verbringen. Aber nicht jeder ist so umsichtig, wie die Nachrichten des letzten Jahres beweisen ...

 

der Skaftafellsjökull ...

 

... und der Svínafellsjökull ( vorn ), im Hintergrund in Wolken Hvannadalshnjúkur

 

Die 1 hat nun wieder den Weg Richtung Westen eingeschlagen, und ein weiterer, sehr lohnenswerter Abstecher, kommt in Reichweite. Die Rede ist vom Nationalpark Skaftafell westlich des Skaftafellsjökull. Die diesjährige Reise spart Skaftafell zwar aus, wer es sich aber zeitlich leisten kann, sollte einen, oder besser gleich zwei Tage hier verbringen, um auch alles Sehenswerte zu erkunden. Ähnlich dem Jökulsárlón drängen sich in Skaftafell die Touristen, dies bleibt aber zumeist auf den Parkplatz und den ebenfalls vor Ort befindlichen Campingplatz beschränkt. 

 

Das Gelände des Skaftafell - Nationalparks ist weitläufig, besteht im Groben aus der Skaftafellsheiði zwischen dem Skeiðarárjökull im Westen und dem Skaftafellsjökull im Osten. Der Bergrücken ist ungewöhnlich dicht bewachsen, bis weit hinauf bedeckt ísländischer Wald das Gelände. Die bekanntesten und auch kürzesten Wandermöglichkeiten in Skaftafell sind die Wege zum Skaftafellsjökull und hinauf zum basaltsäulenumrahmten Svartifoss. Aber es gibt auch längere und anspruchsvollere Touren, wie z.B. in das Morsárdalur bis zum Morsárjökull. 

 

Von Skaftafell biegt die 1 erst nach Süden ein, dann nach Westen quer über die weiten Sanderflächen vor dem Skeiðarárjökull. Am Weg fällt links an einem Parkplatz ein ungewöhnlicher Schrotthaufen, bestehend aus verbogenen Stahlträgern, auf. Als es im Herbst 1996 zu vulkanischen Aktivitäten unter dem Vatnajökull kam, da hatten diese einen Gletscherlauf auf dem Skeiðarársandur zur Folge. Dabei wurden mehrere Brücken im Verlauf der 1 über den Sander ganz oder teilweise zerstört. Die Reste der Brücken fand man irgendwann in Form der genannten Stahlträger wieder.

 

Zum Glück nur teilweise zerstört wurde beim Gletscherlauf 1996 die längste Brücke im Verlauf der Ringstraße, die knapp 1000m lange Querung der Skeiðará. Diese 1974 fertiggestellte Brücke war das letzte noch fehlende Stück der Ringstraße 1. Wie einst alle Brücken Íslands, so ist die Brücke über die Skeiðará noch heute einspurig, auf Grund der Länge gibt es aber mehrere Ausweichbuchten. Einen der besten Ausblicke zum Skeiðarárjökull hat man, so die 1 nicht verlassen wird, von der Brücke aus.

 

Nicht nur Gletscherläufe machten und machen das Überqueren der Sander zu einem Wagnis, bei Sturm treten schnell sehr unangenehme Sand- und Staubstürme auf. In den Nachrichten taucht immer mal wieder die Meldung auf, daß die Ringstraße im Verlauf über den Skeiðarársandur gesperrt ist, weil Sandstürme die Sicht behindern oder das Passieren gänzlich unmöglich machen.

 

Heute sind Sandstürme und Gletscherläufe kein Thema, die Sonne strahlt wieder von einem fast wolkenlosen Himmel. Die Aussicht ist entsprechend, sehr endrucksvoll, das Ganze. Ein paar Kilometer hinter der Querung der Skeiðará zweigt eine Piste nach Norden zum Skeiðarárjökull ab. Ich bin nicht mehr auf dem Laufenden, wie weit man hier noch an den Gletscher heranfahren kann und darf, denn die Hauptattraktion dort, überall auf dem Sander verstreut liegende, haushohe Eisblöcke als Folge des Gletscherlaufes 1996, ist schon lange fort. Bereits im Sommer 1998 war davon nichts mehr zu sehen.

 

Die genannten Eisblöcke waren es auch, die den Brücken im Herbst 1996 ganz oder teilweise den Garaus machten. Während die Skeiðará als Folge des Vulkanausbruches zwar viel Wasser führte ( kurzzeitig die Abflußmenge des Amazonas ), aber kaum Eisbrocken, und dadurch nur die Rampen zur Brücke fortgespült wurden, wurden im Verlauf der Háöldukvísl haushohe Eisblöcke mitgerissen. Die Brücke hier hat es nicht überlebt, wurde vollständig zerstört. 

 

Bliebe zum Thema Brücken noch die dritte auf dem Weg der 1 über den Skeiðarársandur zu nennen, die Querung der Núpsvötn im Westen. Sie blieb 1996 unbeschädigt, bis auf die Rampen, denn auch hier kam nur viel Wasser vom Gletscher, aber kaum Eis. Doch eines wurde beim Gletscherlauf deutlich, die auf ein hohes Bankett gelegte 1 wirkte wie ein Damm, hinter dem sich der Gletscherlauf staute, weil die bestehenden Durchlässe die Wassermassen nicht aufnehmen konnten. Dies führte dazu, daß die 1 schließlich streckenweise überspült wurde, und dadurch zusätzliche Beschädigungen im Trassenverlauf auftraten. Von den Auswirkungen des Gletscherlaufes ist heute - mit Ausnahme der verbogenen Eisenträger - aber nichts mehr zu sehen.

 

Von weit größerem Interesse dürfte heut auf der weiteren Fahrt nach Westen die markante Erhebung Lómagnúpur sein, welche den Skeiðarársandur im Westen begrenzt. Einst vom Meer umbrandet, liegt der Lómagnúpur heute etliche Kilometer landeinwärts, Sand und Geröll vom Gletscher schieben die Küstenlinie immer weiter nach Süden vor. Zu Füßen des Lómagnúpur gibt es eine Allradpiste landeinwärts, Ziel ist Núpsstaðaskógar, ein landschaftlich interessantes Gebiet westlich des Skeiðarárjökull. Die ersten Kilometer lassen sich bei vorsichtiger Fahrweise auch mit einem PKW bewältigen, dann aber steht die Furtung der Núpsvötn an, und diese ist selbst für große Geländewagen nicht ohne Tücken. 

 

Mit Passieren des Lómagnúpur verläßt die Ringstraße den Vatnajökull und seine Ausläufer, allerdings gibt es von dem ein oder anderen exponiert gelegenen Punkt auf den nächsten Kilometern - z.B. vom kleinen Parkplatz links hinter den Hverfisfljót - noch einmal die Möglichkeit für einen Blick zurück auf den Gletscher, und insbesondere auf den Öræfajökull. Heute ist davon nicht viel zu sehen, trotz Sonnenschein hier drängt sich nach wie vor die o.g. Gewitterwolke am Öræfajökull, verdeckt ihn aus der Ferne besehen fast vollständig.

 

Im Groben folgt die 1 nun dem landwirtschaftlich nutzbaren Land zwischen den Bergen zur Rechten und den weiten Sandern links zur Küste hin, und verbindet faktisch die verstreut liegenden Höfe miteinander. Die Berge weichen immer mal wieder zurück und machen weiten, mit alten Lavaströmen ausgefüllten Tälern Platz. Bemerkenswert am Weg sind der einsame, heute verlassene Hof Núpsstaður gleich hinter dem Lómagnúpur, und Fagrifoss mit dem gleichnamigen Wasserfall dahinter, wenige Kilometer vor der ersten größeren Siedlung seit Höfn, Kirkjubæjarklaustur.

 

Im Ort mit dem zungenbrechenden Namen sind alle wichtigen Versorgungseinrichtungen zu finden, direkt am Kreisverkehr liegt die Tankstelle, weiter im Ort ( der Straße geradeaus durch den Kreisverkehr folgen ) befinden sich eine Post, eine Bank und der örtliche Kaupfélag. Der Campingplatz liegt im Kreisverkehr nach rechts fahrend etwas außerhalb nahe des Stjornarfoss, neben diesem Wasserfall gibt es einen weiteren im Ort am Ende o.g. Straße, den Systrafoss, und auf einer Wiese nahe des Kreisverkehrs ist außerdem der Kirkjuból zu bestaunen, eine Fläche bestehend aus den Oberflächen sechskantiger Basaltsäulen.

 

Die einspurige Brücke über Felsen in der Skaftá am Ortsausgang wurde vor einigen Jahren entschärft, wie so viele weitere früher einspurige Brücken im Verlauf der Ringstraße. Mit dem stetig gewachsenen Verkehr in Ísland - auch bedingt durch die steigende Zahl an Touris - kam es vermehrt zu schweren Unfällen an einspurigen Brücken. Also wird fleißig gebaut ... Noch gibt es aber vor allem abseits der Ringstraße fast ausschließlich einspurige Brücken, und da gilt es Vorsicht walten zu lassen. Zwei Wagen passen definitiv nicht nebeneinander auf solche Brücken, im Allgemeinen läuft der Verkehrsfluß bei Gegenverkehr dann nach dem Motto: wer dichter an der Brücke ist, hat Vorfahrt. Darauf verlassen sollte man sich aber keinesfalls !

 

Hinter Kirkjubæjarklaustur rücken die Berge des Innenlandes immer weiter zurück, die 1 durchquert nun auf etlichen Kilometern die Eldhraun, die Feuerlava. Das riesige Lavafeld ist ein Ergebnis des Ausbruchs der Lakispalte zwischen 1783 und 1784. Was heute so nett anzuschauen ist, weil zumeist sanfthügelig sowie dick mit Moos und teilweise auch Birken- und Weidengestrüpp bewachsen, hatte im 18. Jahrhundert katastrophale Auswirkungen auf ganz Ísland. Bis zu 80% der gehaltenen Haustiere starben durch den Ausbruch und seine Folgen, 20% der Bevölkerung kamen um, und der Rest sollte seinerzeit nach Jütland umgesiedelt werden. Zu den Kratern der Lakispalte gibt es eine Piste kurz hinter Kirkjubæjarklaustur, die F206, eine reine Allradpiste.

 

Im Westen wird die Eldhraun durch die Wasserläufe der Kúðafljót begrenzt, bereits vor vielen Jahren wurde die Trasse der 1 abgekürzt, führt zwecks Querung des Flusses nicht mehr in einem Knick nach rechts landeinwärts, sondern geradeaus in annähernd südliche Richtung. Nach rechts biegt eigentlich nur noch ab, wer landeinwärts auf eine der diversen hier beginnenden Hochlandpisten will. Wie der Weg zur Laki, so stehen auch diese Pisten heute nicht auf dem Tourenplan, es geht ohne Stop weiter, immer der 1 folgend. Gehalten wird auch nicht auf dem Parkplatz westlich der Kúðafljót kurz vor dem Zusammentreffen mit der alten Trasse, wo sich Touris in Form von unzähligen Steinmännchen verewigt haben.

 

Der zweite große Sander steht an, der Mýrdalssandur, südöstlich des Mýrdalsjökull gelegen. Wie auf der Fahrt über den Skeiðarárjökull können auf dem Mýrdalssandur schwere Sandstürme auftreten, die 1 bleibt dann gesperrt. Mit Anpflanzungen besonderer Gräser entlang der Straße wird versucht, Sand und Staub zu binden, den Boden zu halten. Gletscherläufe sind ebenfalls nicht ausgeschlossen, unter dem Mýrdalsjökull befindet sich der immer noch aktive Vulkan Katla. Der letzte große Ausbruch der Katla mit einem Gletscherlauf über den Mýrdalssandur datiert auf 1918, bei bislang rund 16 dokumentierten Ausbrüchen seit 930 n.Chr., und einer Ruhephase von 40 - 80 Jahren zwischen den einzelnen Ausbrüchen, ist ein Ausbruch der Katla längst überfällig.

 

Heute bricht hier nichts aus; die Katla bleibt ruhig, der Wind hält sich in Grenzen. Die Sonne verschwindet aber zusehens hinter dicken Wolken, die sich am Mýrdalsjökull stauen, eine typische Wetterlage dieser Region. Im Westen des Mýrdalssandur, kurz vor der Brücke über die Múlakvísl, taucht der Inselberg Hjörleifshöfði links zur Küste hin auf. Zur Landnahmezeit lag dieser noch am Meer, einer der Blutsbrüder Ingólfur Arnarsons siedelte hier. Gletscherläufe füllten die Küste auf, heute liegt Hjörleifshöfði etwa drei Kilometer von dem südlichsten Punkt der ísländischen Festlandsküste, Kötlutangi, entfernt.

 

Vík ( í Mýrdal ) ist gut 70km hinter Kirkjubæjarklaustur die nächste Ortschaft am Weg, eingerahmt von hohen Bergen im Westen und Norden. Die Infrastruktur ist vergleichbar, die Tankstelle liegt wieder direkt an der 1, der Rest dahinter links im Ort. Der einzige Stop im Ort gilt der Zapfsäule, obgleich 98 oktaniger Sprit fehlt und mit dem entsprechenden Cocktailmix nachgeholfen werden muß. Service gibt es auch hier nicht mehr, bei dem derzeitigen Run auch ein hoffnungsloses Unterfangen. Hey, wenn Du schon mein Vehikel unbedingt ablichten mußt, dann frag' wenigstens vorher, ist doch kein Wasserfall ...

 

Es regnet beim Verlassen von Vík, wie so oft an dieser Stelle auf vergangenen Touren, und das auf einer der interessantesten Streckenabschnitte entlang der Südküste. Tröstlich ist da nur, daß die meisten der Sehenswürdigkeiten am Ende von Schotterpisten liegen, womit sie in diesem Jahr automatisch aus der Tour fallen. Die Wege zur Küste nach Reynisfjara ( 215 ) und nach Dyrhólaey ( 218 ) fallen ebenso aus, wie die Piste nach Norden zum Sólheimajökull kurz vor Skógar.

 

Gab es schon eine Tour ohne Regen am Skógafoss ? Ja, im Winter 1997, da war Schneetreiben am größtenteils gefrorenen Wasserfall. Nun ja, der Weg zum Fall ist geteert, und so kommen ein paar Bilder am rund 60m hohen Wasserfall zustande. Der benachbarte Campingplatz steht heute nicht zur Debatte, das Tagesziel ist noch nicht erreicht. Auch eine Wanderung in die Berge zu weiteren Wasserfällen oberhalb des Skógafoss steht heute nicht auf dem Plan, ebenso wenig das Heimatmuseum von Skógar.

 

der Skógafoss, mal wieder im Regen ...

 

Grob geplant war ein nächtlicher Aufenthalt auf dem Campingplatz nahe des Freibades von Seljavellir, am Ende der 242 ein paar Kilometer westlich von Skógar. Doch die Wolken hängen tief , halten sich hartnäckig in den Bergen südlich des Mýrdals- und Eyjafjallajökull, entlassen reichlich Nasses. Seljavellir wird gestrichen in der Hoffnung, das Wetter möge sich weiter westlich genauso schnell wieder zum Guten wenden, wie es sich im Osten plötzlich verschlechterte; und so geht es zunächst weiter Richtung Westen, immer brav der 1 folgend.

 

Die Landschaft vor dem Mýrdals- und Eyjafjallajökull ist dort, wo es möglich ist, landwirtschaftlich geprägt; den Rest teilen sich Sander, Sümpfe und vorgelagerte Nehrungen. Die Berge steigen unvermittelt und steil auf bis zu 800m empor, mit oft senkrechten Felswänden. Das sorgt für das ein oder andere tolle Fotomotiv. Auch hier brandete einmal das offene Meer direkt an die Felsen, bis die "Mitbringsel" der Gletscherflüsse die Küste auffüllten.

 

Die Regenwolken sind heute wirklich sehr lokal angesiedelt, kaum öffnet sich westlich des Eyjafjallajökull die Landschaft zu der weiten Ebene in Südwestisland, da kommt auch schon wieder die Sonne heraus. Ein weiterer sehenswerter Wasserfall liegt am Weg, nur ein paar hundert Meter von der 1 entfernt, der Seljalandsfoss. Der Foss wartet dabei noch mit einer Besonderheit auf, es ist über einen Pfad möglich, hinter dem Wasserfall entlang zu gehen. Bei ungünstigem Wind ein feuchtfröhliches Unterfangen ...

 

Der Seljalandsfoss liegt an der 249, dem direkten Weg in das Naturschutzgebiet Þórsmörk nördlich des Eyjafjallajökull. Bis vor einigen Jahren knickte hier die 1 nach Norden ab, querte die Markarfljót weiter landeinwärts. Neue Brückenbautechniken haben aber die zum Schluß doch sehr baufällige und längst gesperrte Brücke ersetzen können, heute führt die Ringstraße südlich des Seljalandsfoss geradeaus, auf neuer Trasse und Brücke über den hier sehr breiten Gletscherfluß, verkürzt dadurch zudem die Strecke der Ringstraße um ein paar Kilometer.

 

... am Seljalandsfoss kommt die Sonne wieder durch

 

Hinter dem Seljalandsfoss gibt es an der 249 einen Campingplatz, der als Alternative zu Seljavellir herhalten sollte; doch die Ernüchterung kommt schnell, der Platz ist bereits bis zum Bersten gefüllt. Und nu ? Bleibt wieder nur ein Platz in der Pampa, ein Umstand, der mir nur recht ist, alles ist besser als irgendwo auf einem Campingplatz zu stehen. Einziges Manko, der auserkorene Platz liegt ein Stück landeinwärts abseits der 249, und die ist ab dem Seljalandsfoss geschottert. Zum Glück drängt die Zeit nicht, und so geht es dem fahrbaren Untersatz zuliebe im Schrittempo über die 249 in Richtung Þórsmörk. 

 

Das Ziel ist natürlich nicht Þórsmörk, sondern eine wenig bekannte Sehenswürdigkeit hinter den letzten Heuwiesen rechts der 249, mit einem kleinen Parkplatz in der Nähe. Über einen kurzen Weg an einem Bach entlang gelangt man von der 249 näher an die sanft ansteigenden grünen Berghänge heran, und fragt sich bereits, was es hier außer grasenden Schafen überhaupt zu sehen gibt. Ein Hinweisschild fehlt, womit dieser Platz beim Gros der Touris eh keine Beachtung findet. Das Sehenswerte offenbart sich einem auch erst, folgt man dem benachbarten Bach weiter Richtung Hang. Hinter dem nächsten Knick wird eine schmale Schlucht erkennbar, aus welcher der Fluß hervorplätschert. Mit entsprechendem Schuhwerk ausgestattet ist es mühelos möglich, in die Schlucht hineinzugehen. Sehenswert ist einmal die Schlucht als solches, aber auch die knorrigen Birken, welche die Schlucht nach oben hin an vielen Stellen fast vollständig verschließen. Böse Zungen behaupten, man habe in der Vergangenheit schlichtweg vergessen diese abzuholzen, zählen die urwüchsigen Bäume doch zu den ältesten in Ísland.

 

Der Aufenthalt am Eingang der Schlucht, der Illagil, ist heute allerdings sehr profaner Art, dient er doch ausschließlich zur Übernachtung. Der kleine Parkplatz am Ende der Fahrspur ist wie geschaffen dafür. Es folgen die üblichen Handgriffe, um den Wagen für die Nacht herzurichten, und um das Abendbrotbuffet vorzubereiten. Dazu kommen heute noch ein paar Reinigungsarbeiten am Wagen, vorn die Fliegeneinschläge entfernen, hinten den Staub. Ansonsten hat sich der Wagen bis jetzt wacker gehalten und die Wege heil überstanden, von ein paar Steinschlägen unterhalb der Rammschutzleisten abgesehen. Von Lokari erhältliche Innenkotflügel mit angebauten Schmutzfängern erscheinen da als sinnvolle Investition in naher Zukunft.

 

Knackplatz am Eingang zur Illagil

 

 

4. Etappe: Ísland, Fornbílamót á Selfossi

 

 

28. Juni, Oldtimertreffen Selfoss / Fornbílamót á Selfossi

 

 

Es schläft sich schlecht auf dem Fahrersitz, das ist nicht von der Hand zu weisen. Aber immerhin sorgen die diversen Decken für ausreichend Polsterung, und so richtig kalt ist es eh nicht. Der gestrige Regen südlich von Eyjafjalla- und Mýrdalsjökull hat sich nicht weiter ausgebreitet, im Gegenteil, am Morgen ist es ringsum wolkenlos, mit einer kühlen Brise, weiterhin aus nördlichen Richtungen. Das verspricht ein angenehmer Tag zu werden, und das muß es auch, denn heute ist schließlich DER Tag, der Tag des Oldtimertreffens in Selfoss. DER Tag, der seit Beginn des Jahres nicht unerhebliche Mühen und Kosten "verursacht" hat. Aber das war ja gewollt ....

 

Lange hält es mich daher auch nicht in den Federn, recht zeitig am Morgen geht es daran, das Bett zu verstauen, den Bach nebenan für ein Bad zu mißbrauchen, zusammenzupacken und gen Selfoss zu starten. Da ist zunächst wieder Geduld gefragt, die 249 ist über Nacht nicht geteert worden, also geht es im Schrittempo bis zum Seljalandsfoss. Wider Erwarten herrscht trotz der frühen Stunde reger Betrieb auf der Piste, und das an einem Wochenende ? Die Frage bleibt unbeantwortet, und nach einigen Stops, um den nachfolgenden Verkehr vorbeizulassen, ist die 1 erreicht, und damit geteerter Boden bis Selfoss. So wenigstens die Theorie, tatsächlich gibt es vor Hvolsvöllur eine lange Baustelle, die 1 wird komplett saniert und neu geteert. Ich lande nun ausgerechnet in jenem Bauabschnitt, in dem der neue Schotter bereits aufgetragen, aber noch nicht befestigt ist. Also wieder Schrittempo ...

 

Der Spuk ist aber nach wenigen Kilometern vorbei, und weitere Baustellen gibt es nicht ( Puuuh ). Der Wagen ist auf den zwei Schotterstrecken auch nicht mehr groß eingestaubt, also geht es nun schnurstracks nach Selfoss weiter, ohne noch einmal einen Waschplatz anzusteuern. Die Veranstaltung findet auf dem Campingplatz im Ort statt, und selbst wer sich nun überhaupt nicht in Selfoss auskennt - der Ort ist schließlich riesig, da kann man sich schnell verfahren -, dürfte den Platz nicht verfehlen, denn es gibt an der 1 Hinweisschilder zur Veranstaltung. Für die ganz Blinden: aus Osten kommend vor der Tankstelle N1 von der 1 nach links einbiegen und die Straße bis zum Ende durchfahren, hier dann nach rechts einbiegen, und anschließend links in die Einfahrt zum Campingplatz.

 

Wie darf man sich nun das jährliche Haupttreffen des Ísländischen Oldtimerklubs vorstellen ? Zunächst einmal sehr bunt, denn das Treffen ist nicht auf eine Marke, ein Modell oder ein Baujahr beschränkt. Da kann alles anrollen, was vier - oder auch zwei Räder - hat, PKW genauso wie Geländewagen, LKW oder Busse. Hauptsache alt, in diesem Fall ist die grobe Marschrichtung: 1980 und älter. Es sind aber auch ein paar jüngere Fahrzeuge vertreten, und das stört absolut Niemanden.

 

Der Campingplatz von Selfoss ist sehr groß, besonders die zentrale Wiese, und eben jene muß für die Oldtimer herhalten. Da ist es schon mal sehr gut, daß das Wetter mitspielt, kein Regen fällt. Der Großteil der teilnehmenden Fahrzeuge ist bereits auf dem Platz, sie stehen in mehreren Ringen um eine freigelassene Stelle der Wiese. Es geht sehr entspannt zu, keine Kontrolleure, keine festgelegte Platzordnung oder ähnliche, typisch deutsche Ordnungsunsitten. Ekkert mál, ekkert stress ...

 

Ich stelle mich einfach dazu, gehe anschließend auf die Suche nach Jón ( jsl ). Bei einem alten Buick aus den 30ern bleibe ich hängen und frage nach. Ja, der schwirrt hier irgendwo herum, und nach einem kurzen Telefonat taucht er auch auf. Na, das gibt ein Hallo, denn wie ich schnell erfahre, sind ausländische Teilnehmer an den jährlichen Treffen die absolute Ausnahme, neben meiner Wenigkeit gibt es nur noch ein paar schwedische Landsleute, die mit zwei VW-Bullies den Weg hierher auf sich genommen haben. Umso besser :-)

Der Platz füllt sich langsam weiter, dann werden die Wagen ein wenig nach Modell und Baujahr sortiert, wobei im inneren Kreis die älteren und besonders sehenswerten Fahrzeuge stehen, nach außen hin dann eher die einstige "Massenware", jüngere Vertreter oder die "Großen", sprich ein paar LKW und Busse. Aber so 100%ig ist das Ganze am Ende nicht, wozu auch ? Wichtig ist, es bleibt genügend Platz, um die Wagen zu umrunden und abzulichten, und: ekkert stress, ekkert stress ...

 

Das Gros der Fahrzeuge, von denen die meisten im Ísländischen Oldtimerklub ( FBÍ, www.fornbill.is ) organisiert sind, stammt aus den 50ern und 60ern, und es sind bis auf wenige Ausnahmen amerikanische Fahrzeuge. Also viele Heckflossen, mit viel Hubraum unter der Motorhaube. Sehr viel ältere Fahrzeuge sind in geringer Zahl ebenfalls vertreten, das älteste Fahrzeug datiert auf 1901 und kommt ausgerechnet aus Deutschland, von der ehemaligen Firma Cudell & Co. aus Aachen. Die Fahrzeuge der jüngeren Generation schließlich, sie entstammen größtenteils den 70ern, und auch hier sind es zumeist großvolumige Amischlitten mit Ausmaßen, die in keine deutsche Standardgarage passen. Aus den 80ern gibt es nur wenig Blech auf dem Platz, unter anderem ein lindgrün lackiertes Gefährt der Marke Ford ...

 

 

 

fornbílamót á Selfossi, 28.Juni 2008

 

Dies ist noch nicht alles, das grüne Vehikel mit dem seltsamen roten Kennzeichen taucht auch in den Nachrichten des FBÍ auf:

 

Fréttir júni 2008

 

Und ja, das weltweite Netz ist wirklich eine feine Sache, welches auch andere Besucher/Teilnehmer des Oldtimertreffens in Selfoss zu nutzen wissen, um die selbst gemachten Bilder zu präsentieren. Das unter dem nachfolgenden Link zu sehende Album von Jói und Sissa beinhaltet über 500 Bilder vom 27. und 28. Juni 2008. Wer sich ein wenig geduldet, bis alle hinter den Miniaturansichten steckenden Bilder hochgeladen sind, der wird schließlich auf Seite 20 von 65 ( Síða 20 af 65 ) den o.g. grünen Ford Granada wiederentdecken.

 

Fornbílamót á Selfossi 2008 bei 123.is

 

Sämtliche Miniaturansichten ( mit der Möglichkeit, sie vergrößert anzuschauen ) des Albums vom Oldtimertreffen 2008 in Selfoss gibt es unter:

 

Fornbílamót á Selfossi 2008 bei 123.is, alle Miniaturansichten

 

Natürlich gibt es auch weitere selbstgeschossene Bilder vom Treffen:

 

 

Was macht man/Mann auf einem Oldtimertreffen? Natürlich Autos gucken ... Das Wetter bleibt überwiegend sonnig, da ist es nicht mit einer Runde über den Platz getan. Bei all' dem funkelnden Altmetall ist es schon eine Tagesaufgabe, sich jeden Wagen nicht nur im Vorbeigehen zu betrachten. Da oft die Eigentümer zugegen sind, entwickeln sich bisweilen interessante Gespräche. Umso mehr, wenn die Unterhaltung irgendwann beim eigenen Vehikel ankommt, und man sich erstmal als "utlendingur" outen muß.

 

Nicht nur toprestaurierte Fahrzeuge, die zu Treffen wie diesem allenfalls per Tieflader oder Hänger anreisen, finden sich heute auf dem Campingplatz von Selfoss. Einige der Oldtimer sind immer noch im Alltag unterwegs, z.B. das alte Hreyfill - Taxi, die 50er - Jahre Heckflosse der Autolackiererei, und nicht zuletzt der knuffige Fiat 500 von Ómar Ragnarsson. Viele der alten Fahrzeuge können auch eine ganz eigene Geschichte vorweisen; wer sie wann ins Land holte, wo und wie lange sie ihren "regulären" Dienst versahen, bis sie dann jemand in pflegende Hände nahm ( oder eben auch nicht ). Ähnlich der den Ísländern anhaftenden Eigenart, bei jedem fremden Ísländer nach den Verwandtschaftsverhältnissen zu fragen, da quasi jeder mit jedem irgendwie verwandt ist, finden sich in den Auto-Biographien oft detaillierte Informationen zu den einstigen Eigentümern.

 

Der lindgrüne Ford ist bei den Besuchern der Veranstaltung von eher unterdurchschnittlichem Interesse, halt zu jung ... Bemerkenswert bei kurzen Gesprächen ist, daß alle davon ausgehen, der Wagen sei auf Grund der roten Nummer gerade frisch importiert worden. Auf die Idee, auch ein Ausländer könne sich mal zu einem Oldtimertreffen in Ísland verirren, kommt niemand.

 

 

29. Juni, mehr vom Oldtimertreffen in Selfoss

 

 

Für die Nacht sollte es ein festes Dach über dem Kopf sein, und so steht ein Aufenthalt auf dem Campingplatz nicht zur Debatte. Auf einem Hof nahe Selfoss leben Freunde, und die gilt es zu überraschen. Was dann auch gelingt, und womit der erste Tag auf dem Oldtimertreffen auch vorzüglich ausklingt. Die hellen Nächte um diese Jahreszeit bringen es mit sich, daß die Nacht quasi zum Tag wird. Und so ist dann an ein Zubettgehen nicht vor 2:00 Uhr in der Früh' zu denken.

 

Der Sonntag startet entsprechend spät, wie so oft auf vergangenen Touren und bei Besuchen hier auf dem Hof. Und das Frühstück dehnt sich auch heute bis Mittag, viel zu viel gibt es zu erzählen, als daß man ad hoc auseinandergehen könnte. Die Nacht hier zu verbringen war auch des Wetters wegen eine gute Wahl, es prasselte heftig in der Nacht, und der Wind pfoff weiterhin ungemütlich kalt aus nördlichen Richtungen.

 

Natürlich gilt es auch heute, die Bedingungen der roten 07er - Nummer zu erfüllen, und so ist das erste Ziel wieder das Oldtimertreffen in Selfoss. Vorher werden noch die Tankstellen im Ort näher in Augenschein genommen, im letzten Jahr gab es wenigstens bei Olis 98 Oktan. Aber nun ist hier Fehlanzeige, entweder der Sprit reicht bis Reykjavík, oder es muß wieder mit Octanebooster nachgeholfen werden.

 

Es gießt in Strömen, als ich den Campingplatz erreiche; die Reihen sind gelichtet, viele der Teilnehmer sind bereits wieder abgereist. Besucher sind auch kaum noch zu sehen, der Samstag ist definitiv der Haupttag der Veranstaltung. Wer noch auf dem Platz ist übt sich heute ein wenig in Geschicklichkeit, es geht darum, mit seinem Fahrzeug auf einer Wippe in möglichst kurzer Zeit das Gleichgewicht zu bekommen. Das klappt mal mehr, mal weniger gut, ist im Regen aber allemal besser, als planlos auf der Wiese herumzustehen. Und für die Vereinsmitglieder ist es die Möglichkeit, sich gegenüber des Vorjahres zu verbessern, einige sind richtig "heiß", und ärgern sich die Platze, als die Kiste nicht in der Waage stehenbleibt:

 

 

Was der Bulli aus Schweden geschafft hat, kann der Ford aus Deutschland auch; naja, einen goldenen Blumentopf habe ich mit meiner Zeit nicht gewonnen, aber wie heißt es immer so schön: dabei sein ist alles. Und was soll's, ist doch eine Gaudi, und es geht ja um nix. Den Reaktionen einiger Clubmitglieder ist zwar zu entnehmen, daß intern schon geschaut wird, wer es in diesem Jahr vermasselt hat ( oder auch nicht ), aber wirklich ernst geht es nicht zu. Ekkert stress, ekkert stress ....

 

Einweisung ...

 

... und los geht's

( herzlichen Dank an jsl für die beiden Bilder ! )

 

Kaum vorstellbar, aber der Regen, so wie er auf den letzten Bildern zu sehen ist, hält sich nur kurz, es saut leider genau in jenem Moment am Heftigsten, als es zur "Fahrprüfung" auf die Wippe geht. Schon kurz darauf reißt es auf, die Sonne kommt zum Vorschein. Verabschiede mich in Richtung Reykjavík mit dem Vorsatz, im kommenden Jahr das Treffen erneut zu besuchen. Unter der Voraussetzung, es findet ein vergleichbares Treffen des Clubs statt ...

 

Der Regen brachte es an den Tag, der Wagen war ziemlich eingestaubt, schaut nun leicht fleckig aus. Da ist es mehr als günstig, daß man überall an den Tankstellen umsonst den Wagen waschen kann. Der Staub ist an der N1 schnell beseitigt, was etwas aufhält sind die Felgen, sie bedürfen nach nun mittlerweile rund 2200km der etwas intensiveren Pflege. Besonders vorn setzt sich der Bremsstaub in jeden Winkel der Speichen, es ist eine elendige Sisyphusarbeit ... So schön wie die Felgen sind, zum leichten Reinigen sind sie nicht gemacht.

 

Und wie ich so am Schrubben bin ( merke: für die nächste Tour ein paar alte Zahnbürsten mitnehmen, macht das Reinigen der Felgen etwas einfacher... ), gesellt sich jemand aus dem auf der Tanke pausierenden Reisebus zu mir und möchte wissen, wie es denn angehen kann, daß ich hier mit einem Wagen ohne offizielle Zulassung unterwegs bin. Dat geht, und wie, der deutsche Michel macht's möglich, in diesem Fall die Bedingungen für die Nutzung einer roten Oldtimernummer. Obwohl ich nicht glaube, daß der Knabe am Ende unseres Gesprächs die ganze Sachlage wirklich verstanden hat. Wie auch, da sind sich ja selbst unsere Beamten und Politiker daheim nicht einig ...

 

Egal, nach der Schönheitspflege in Selfoss geht es ohne Umwege nach Reykjavík, und damit erstmal richtig schön in den Wochenend - Rückreiseverkehr. Einer Karawane gleich zieht sich die Blechschlange von Selfoss vorbei an Hveragerði und über Hellisheiði bis zur Stadtgrenze von Reykjavík. Wenn man bedenkt, daß im ganzen Land nicht einmal 320.000 Menschen leben, ist es schon beachtlich, was die wenigen hier am Sonntagnachmittag veranstalten.

 

Ziel im Ort ist die alte Wochenendhaussiedlung oberhalb des Elliðaárvatn, Vatnsendi. Die Zeiten, in denen das Gebiet weit vor den Toren der Stadt lag, sind vorbei. Der Großraum Reykjavík, in diesem Fall speziell die Stadt Kópavogur, hat Vatnsendi nicht nur erreicht, sondern bereits überholt. Überall am Hang hinunter zum See wird gebaut. Von den kleinen, verstreut gelegenen Häuschen ist nicht mehr viel übrig, sie sind zumeist modernen Mehrfamilienhäusern gewichen. 

 

Aber, ähnlich dem uns allen wohlbekannten gallischen Dorf, gibt es Flecken, die von der Bauwut ausgespart wurden. Und dazu gehört Fagrabrekka, das Anwesen von langjährigen, sehr guten Freunden in Vatnsendi. Wie immer habe ich mich nicht angemeldet, rolle auf gut Glück den Berg runter und nach rechts in die Einfahrt. Aber was soll ich sagen, habe Glück, Jón und Auja sind daheim. Das gibt erstmal ein freudiges Hallo, nicht zuletzt, weil die diesjährige Tour auf ganz besonderen vier Rädern steht.

 

Jón ist im Garten zugange, Auja werkelt am Haus. Lade zunächst die Mitbringsel aus, mache mich dann nützlich. Mag nicht immer - wie das fünfte Rad am Wagen - nur danebenstehen und die Leute im Schnack aufhalten. Bekomme Säge und Astschere in die Hand gedrückt und kann die Weiden zerkleinern, die Jón im letzten Winter gefällt hatte. Schaffe den Berg an Ästen und Gestrüpp leider nicht ganz weg, es geht irgendwann zum gemütlichen Teil des Abends über, mit bayerischer Gerstenkaltschale und Lamm vom Grill. Auch müssen Jón und Auja morgen wieder früh zur Arbeit, insofern währt der Abend auch nicht mehr allzu lang'.

 

auf Fagrabrekka

 

 

5. Etappe: Reykjavík - Seyðisfjörður

 

 

30. Juni - 6. Juli, Ausflüge und Besuche in und um Reykjavík

 

 

Die Oldtimerveranstaltung in Selfoss ist passé, was also tun mit den restlichen Tagen bis zur Abfahrt der Fähre? Längere Fahrten mit dem eigenen Wagen sind nicht geplant, weniger aufgrund der besonderen, nicht existenten Zulassung, vielmehr wegen der Tatsache, daß die Ausflüge über kurz oder lang auf Schotterpisten enden würden. Der Lack unterhalb der Rammschutzleisten hat schon mehr als genug in den Baustellen auf der Ringstraße gelitten, weitere Einschläge müssen nicht sein.

 

Um gleich Irritationen vorzubeugen: Langeweile kommt nicht auf ...

 

Der Montag nach dem Oldtimerwochenende beginnt mit einem Frühstück im Büro von Jón und Auja in Garðabær. Hauptberuflich beschäftigen sich beide damit, Touris über die Insel zu kutschieren. Und in dieser Branche ist jetzt Hauptsaison, entsprechend viel ist zu tun. Und das ist auch gut so, immerhin währt die Saison nicht lange. Obwohl es auch immer mehr Touristen gibt, die den Winter in Ísland für sich entdecken, das Gros kommt weiterhin im Sommer.

 

Heute habe ich mich darum auch mit einer Freundin verabredet, die seit einigen Jahren bei ihrem Lebenspartner in Reykjavík lebt. Wir wollen zusammen gegen Mittag in Richtung Osten starten, um das im Bau befindliche Sommerhaus nahe der Hekla anzuschauen. Zeitangaben sind in Ísland immer relativ, es bleibt genügend Zeit, um die Mitbringsel auszuladen und bei einem Käffchen Neuigkeiten auszutauschen. Und es dauert dann auch eine Weile, bis alles Notwendige für's Sommerhaus im Wagen der Zwei verstaut ist.

 

Wird ein "Arbeitsbesuch", und darum halten wir auf dem Weg bei Baumärkten in Reykjavík und Selfoss, um Deckenbalken für eine Zwischendecke zu kaufen. Und etwas für's Abendbrot muß auch noch organisiert werden, also gibt es einen weiteren Stop bei Nóatún in Selfoss. Am späten Nachmittag erreichen wir schließlich das Anwesen inmitten eines alten Lavafeldes nordöstlich von Hvolsvöllur. Hmm, die Gegend erinnert mich doch an etwas ...? Jepp, genau, hier bin ich 1996 mit dem Turnier gewesen und wollte eine "Abkürzung" nach Süden nehmen. Nur ist südlich des besagten Lavafeldes ein Fluß im Weg.

 

Mit dem Landi der Zwei wäre der Fluß das geringste Problem, aber soweit müssen wir gar nicht fahren, schon kurz nach dem Abzweig von der F210 ist das Sommerhaus erreicht. Es liegt leicht erhöht in einem dichtbewachsenen, alten Lavafeld der Hekla, mit Blick zur selben, und mit viel Platz zu den Nachbarn, etwa 10.000qm Land gehören zum Haus. Und Haus ist dabei wörtlich zu nehmen, der Begriff "Sommerhaus" ist eine lächerliche Untertreibung. Hier kann man ohne Weiteres ganzjährig wohnen, der Bau ist entsprechend ausgestattet. Ich möchte mal behaupten, viele Menschen daheim wohnen nicht so großzügig, wie es hier angedacht ist nur das Wochenende zu verbringen.

 

Die o.g. Arbeit besteht nun darin, besagte Deckenbalken unterzubringen. Im Schlafbereich des Hauses soll eine weitere Etage für einen zusätzlichen Schlafraum entstehen, dafür müssen ein paar tragende Balken eingezogen werden. Nach und nach wandern die Kanthölzer ins Haus, werden zugeschnitten und verschraubt. Was professionelles Werkzeug nicht alles ausmacht ... Ich daheim mit meiner alten Säge und ein paar Schraubendrehern hätte mich schwerer getan. Aber so kommen wir gut voran und können das tragende Gerüst für die Zwischendecke bis auf ein paar kleine Stücken fertigstellen. 

 

Daß ich mit Hand anlege, war zwar nicht geplant, aber so kann ich mir wenigstens das Abendbrot und die Übernachtung "verdienen". Natürlich ist dem nicht so, nichts ist schlimmer als teilnahmslos danebenzustehen und allenfalls ein paar dusselige Kommentare abzugeben. Also die Ärmel hochgekrempelt und mitgeholfen, bringt doch Spaß. Wird auf dieser Reise aber langsam zur Gewohnheit, gestern der Garten, heute das Haus. Was da wohl noch kommt ...?

 

Ursprünglich hatten die Zwei geplant, mit mir auf der Rückfahrt vom Sommerhaus in einem netten Lokal in Hella essen zu gehen. Daß wir uns dann doch selbst versorgten, u.a. mit leckerem Lamm und etwas ísländischem Bier, liegt am Landsmót Hestamanna 2008. Das alljährliche Pferdetreffen ist gerade in vollem Gange, und findet nahe Hella statt. Um den Ort herum ist, um es mal salopp zu formulieren, dieser Tage kein Bein an die Erde zu bekommen. Und das nicht nur in irgendwelchen Lokalitäten ...

 

Nach einem Tag Pause erhält der fahrbare Untersatz am Folgetag wieder etwas Bewegung; noch immer tummeln sich "Geschenke" im Wagen die es gilt, an den Mann zu bringen. So steht heute zunächst der Besuch bei weiteren Freunden an, bei Gonsi und seiner Familie. Er wohnt in einem neueren Stadtteil abseits der 1 Richtung Mosfellsbær, aber auch nicht mehr lange, ein Haus in Kópavogur ist seit letztem Jahr im Bau.

 

Nachdem auch die letzten Mitbringsel verteilt sind, unter anderem eine schwere Uhr, die Gonsi im vergangenen Jahr in Ebeltoft bei einem Antikhöker gekauft hatte, geht es daran den Neubau zu besichtigen. So richtig Form hat der Bau noch nicht angenommen, die meisten Nachbarn ringsum sind schon fertig, aber vieles entsteht in Eigenleistung, und das dauert eben. Das Haus liegt an einem Hang am Ende einer Sackgasse, von der Terrasse vor dem Wohnzimmer hat man einen ungehinderten, und vor allem unverbaubaren Blick auf ganz Reykjavík. Noch Fragen .... ? Allein dieses Ausblicks wegen ist das Haus ein Traum. Ringsum stehen Einfamilienhäuser, der Hang hinterm Haus bleibt frei, als Grünanlage, eine weitere Bebauung im Umkreis kann es also nicht mehr geben.

 

Das Haus ist auch von innen weitestgehend Baustelle, die Fußböden noch nicht fertig, die Wände größtenteils kahl. Aber die Küchenzeile steht bereits, und Bier ist schon im Kühlschrank. In wagen Bildern male ich mir aus, wie es im Haus aussehen möge, wenn denn mal alles fertig ist. Und da kann ich nur sagen: Hut ab, wirklich einmalig, einmalig schön. Die Frage, die ich mir auch wieder stelle - aber nur mir -, ist jene nach der Finanzierung. Wie geht das alles, wo kommt nur das ganze Geld her? Daheim schuften die Leute Jahrzehnte, um mit Ach und Krach und viel Entbehrungen ihr Eigenheim zu finanzieren, und hier läuft alles "wie von selbst" ? In einigen Monaten wird die Frage beantwortet sein ...

 

Noch ist aber alles im grünen Bereich, und es geht nicht ums Geld, sondern um das kommende Wochenende. Donnerstag will Gonsi ein paar Tage nach Strandir hoch, um das Fundament für das Sommerhaus zu gießen. Keine Frage, daß ich mir eine Einladung zu einem Ausflug nach Strandir - auch wenn dieser wieder mit Arbeit verbunden ist - nicht entgehen lasse. Mit meinem alten Töfftöff käme ich in diesem Jahr definitiv nicht dorthin, zu viele Schotterstrecken unterwegs. Das ist also die Gelegenheit ...

 

Im Groben sind die Tage bis zur Rückreise jetzt abgesteckt, bleibt nur noch diese nach Kräften zu genießen und sinnvoll zu nutzen. Nach einem Mittagessen bei Gonsi, es gibt Urriða aus dem Þingvallavatn, geht's auf eine kleine Sehenswürdigkeiten-Anguckfahrt zu besagtem See. Die Straßen dorthin sind gut ausgebaut und geteert, Blessuren demnach nicht zu erwarten. Die kommen, wenn überhaupt, an diesem Dienstagnachmittag auch aus einer ganz anderen Richtung. 

 

Das Wetter schlägt um, es gibt Regen, so schaut es jedenfalls beim Blick von Gonsis Eingangstür in Richtung Nordosten aus. Dunkle Wolken ziehen auf, ein ganz und gar ungewohntes Bild nach dem vielen Sonnenschein der letzten Tage. Ja, dunkle Wolken ziehen auf, aber die bringen keinen Regen, sondern Staub und Sand. Der Himmel verfinstert sich auf dem Weg über die 36 Richtung Þingvellir immer mehr, die Landschaft versinkt zusehens in einem schmutzigen, gelbbraunen Schleier. Upps ...

 

Die Schönwetterlage hat einen frappierenden Nachteil: durch den fehlenden Regen trocknen die  vegetationslosen Ebenen des Hochlandes völlig aus, ein Windstoß genügt dann, um den leichten Vulkanstaub in die Luft zu befördern. Von einem "leichten" Windstoß kann heute überhaupt keine Rede sein, es stürmt kräftig aus Nordost, da wird nicht mehr nur die Vulkanasche in die Atmosphäre befördert, sondern auch der schwarze vulkanische Sand. Und der Wind läßt auf dem Wag nach Þingvellir nicht nach, ganz im Gegenteil.

 

an der 36 am Eingang zu Þingvellir 

 

Der Plan, die Thingstätte auch als Übernachtungsplatz zu nutzen, fällt flach, wer einmal in einem ausgewachsenen Sand- und Staubsturm in Ísland gesteckt hat, und im Nachgang mit den Resten desselben im Wagen zu kämpfen hatte, weiß auch warum. Schmirgelpapier ist ein Dreck dagegen...  Eine Alternative ist nach einem kurzen Telephonat schnell gefunden, was bleibt ist eine kleine Runde durch den Nationalpark. 

 

Atemberaubend interessant, egal bei welchem Wetter, sind die geologischen Besonderheiten von Þingvellir. Hier bricht die Erde auseinander, bewegen sich zwei große Kontinentalplatten voneinander fort, wird Ísland immer größer. Der Ísland von Südwesten nach Nordosten durchziehende Riß tritt in Þingvellir auf besonders auffällige Weise zutage. Ein Teil des Risses ist mit Wasser gefüllt, bildet heute den Þingvallavatn, im sich nördlich des Sees anschließenden Gelände zieht sich diverse tiefe Spalten durchs Gelände. Die bekannteste davon, die Almannagjá, schließt sich unmittelbar nördlich des Sees an und zählt wie er selbst zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten im Nationalpark Þingvellir. 

 

In diese Spalte hinein stürzt ein kleiner Fluß, die Öxará, und bildet den nicht minder sehenswerten Wasserfall Öxarárfoss. Die anhaltende Trockenheit ist auch am Fluß gut abzulesen, so wenig Wasser wie heute habe ich hier allenfalls im Winter erlebt. Da war der Großteil des Flusses und des Falls allerdings auch gefroren. Die Öxará durchfließt in Richtung Süden ein Stück der Almannagjá, bricht dann aus der Spalte heraus in die Ebene von Þingvellir. Hier gibt es unterhalb des Drekkingurhýlur einen weiteren kleinen Wasserfall.

 

Öxarárfoss

 

in der Stekkjargjá nördlich des Öxarárfoss

 

Nach Norden hin führt ein Wanderweg durch den jetzt Stekkjargjá heißenden Erdriß, um die Vegetation in Þingvellir zu schonen, werden die Touriströme dabei mehr und mehr kanalisiert, in diesem Fall in Form eines hölzernen Stegs. Leider latschen noch immer viel zu viele Besucher querfeldein, Spuren von zertrampelter Vegetation sind allgegenwärtig. "Uti, non abuti", kann doch nicht so schwer sein ...

 

Ob es am Wetter liegt? Die Zahl der Besucher hält sich merklich in Grenzen, von Hauptsaison keine Spur. Naja, die nächsten Busse werden es richten. Nach einer kleinen Kurve durch Þingvallaskógur geht es auf den Rückweg nach Reykjavík. Nebst Unterkunft steht nun auch das Abendbrot fest, ich soll noch saltfiskur und etwas Gemüse mitbringen. 

 

Nehme nicht den direkten Weg zurück, sprich die 36, oder etwa den wesentlich weiteren Weg über Selfoss, sondern die weniger bekannte Strecke an der Heißwasserleitung entlang. Dies ist für mich auch die bei Weitem interessanteste und abwechselungsreichste Route zwischen Reykjavík und Þingvellir, aber das nur nebenbei. Nummeriert ist der Weg nicht, direkt ausgeschildert auch nicht, vielleicht ist er auch darum nicht so stark frequentiert. Am Straßenzustand kann es nicht liegen, der Weg ist durchgehend geteert.

 

Von Þingvellir aus heißt es zunächst der 36 ein Stück Richtung Reykjavík zurück zu folgen, dann nach links auf die 360 abzubiegen. Es ist noch nicht lange her, da war die Piste am Westufer des Þingvallavatn eine staubige Schotterstraße, schmal und gewunden. Nun, eng und kurvenreich ist die 360 geblieben, aber mittlerweile durchgehend geteert worden. Das macht das Fahren sehr angenehm, zumal es einiges zu sehen gibt. Hier am See ein Sommerhaus zu besitzen, das wäre traumhaft, aber ist derzeit kaum bezahlbar. Die Aussicht ist jedenfalls grandios.

 

Auf etwa halber Strecke zwischen der 36 nördlich und - ebenfalls - der 36 südlich des Þingvallavatn ist Nesjavellir erreicht, ein Hochtemperaturgebiet im Verlauf des Ísland durchziehenden Erdrisses. Die Erde wird hier zwecks Energiegewinnung angezapft, ein Kraftwerk ist entstanden, und von diesem führt eine Heißwasserleitung nach Reykjavík. Noch vor dem Kraftwerk zweigt eine Straße nach rechts ab, der besagte Weg an der Pipeline entlang. Steil geht es nach oben und über die Berge, von links taucht noch am Hang die Wasserleitung auf. Hier gibt es auch einen Parkplatz mit einem vorzüglichen Aussichtspunkt auf das Kraftwerk und die umliegende Landschaft.

 

Die Heißwasserleitung ist anfangs nicht immer sichtbar, versteckt sich meist irgendwo unter Geröll. Im Zickzack, rauf und runter, führt die der Pipeline folgende Straße durchs Gelände, durch schmale Täler, Klüfte und über Kuppen. Dann öffnet sich nach Westen eine weite, kahle Ebene, Mosfellsheiði. Am Horizont ist bereits das Ziel von Rohrleitung und Straße zu erkennen, eine Anordnung rostigbrauner Tanks auf einer Bergkuppe vor der Skyline von Reykjavík. Mit der Heißwasserleitung zur Rechten geht es nun schnurgerade über die Mosfellsheiði nach Reykjavík. Keine Frage, dies ist die mit Abstand entspannendste Möglichkeit, per Auto in die Stadt zu kommen. Naja, fast ... Noch vor der ausgeschilderten Stadtgrenze trennen sich Straße und Leitung, erstere knickt nach links ab zur 1, letztere führt geradeaus zu besagten Tanks. 

 

Der Himmel über Reykjavík ist nun auch schmutzigbraun, die Staubwolken haben das Stadtgebiet erreicht. Umsomehr macht sich da eine feste Unterkunft bezahlt. Saltfiskur, also Salzfisch, ist gar nicht so salzig, wie es der Name vermuten läßt, und schmeckt auch noch lecker ( wer Fisch mag ). Ein schnell und problemlos zuzubereitendes Gericht, den Fisch einfach in einen Topf mit Wasser geben, kochen, fertig. Ob nun, wie heute Abend, Kartoffeln und Salat als Beilage sein müssen, oder z.B. nur etwas Brot, ist völlig belanglos und gut den jeweiligen Umständen anzupassen. Es muß ja nicht immer ein Drei-Gänge-Menü sein.

 

Der Staub ist am Morgen vom Himmel verschwunden, kein Wunder, es hat in der Nacht kurz geregnet. Entsprechend schaut der Wagen wieder aus, als hätte ihn jemand mit gelber und schwarzer Asche berieselt. Nach dem Frühstück ist daher der Waschplatz an der nächsten Tankstelle das erste Ziel. Während ich sonst zu der Spezies gehöre, die ihren Wagen im Urlaub so gut wie nie wäscht, ist in diesem Jahr jedes Staubkorn auf dem fahrbaren Untersatz ein Krümel zu viel. Mag übertrieben klingen, hat aber seinen Grund. Der vulkanische Staub ist rasiermesserscharf, gerät dieser zwischen zwei sich gegeneinander bewegende Teile, z.B. eine Türdichtung oder die auf die Motorhaube gelegte Jacke, wirkt er wie Schmirgelpapier, nur schlimmer. Deswegen: runter mit dem Zeugs.

 

Soweit wieder fit bliebe zu klären, wo wir bis zum Start gen Strandir morgen Abend abbleiben könnten. Da ich einer Bekannten in Laugarás noch einen Besuch abstatten möchte, fällt die Wahl auf das Þjórsárdalur. Dorthin ist es von Reykjavík ein ganzes Stück, eine Übernachtung in der Pampa ist auch dabei, es gilt also, sich zunächst mit ein paar Vorräten einzudecken. Um Umwege zu vermeiden, die den eben nachgefüllten 98-oktanigen Sprit kosten würden, fällt die Wahl zwecks Einkaufs auf den Bónus in Hveragerði. Die Auswahl ist so lala, das Preisgefüge nicht nur der schwachen Krone wegen völlig ok, und wirklich viel muß eh nicht an Bord, in der Hauptsache etwas Lamm für heute Abend.

 

Thema Einkaufen: 

Vergeblich im Supermarkt suchen wird man Hochprozentiges; denn alles, was mehr als 2,2% Vol. hat, findet sich ausschließlich in der vínbúð, der "Weinbude" ( früher ÁTVR, áfengis- og tóbakverzlun ríkisins ). Vergleichbar den staatlichen Alkoholgeschäften in Schweden gibt es nur eine begrenzte Anzahl dieser Läden in Ísland, mit oft nur eingeschränkten Öffnungszeiten, und meist etwas versteckt gelegen. Mit einem Preisgefüge, das einen mitteleuropäischen Quartalssäufer glatt zum Antialkoholiker werden läßt. Wie dem auch sei, den Weg zur nächsten vínbúð kennt hier im Land jeder. In Hveragerði bedarf es allerdings nicht des langen Herumfragens, praktischerweise liegt die vínbúð gleich gegenüber des Bónus bei der Tankstelle N1.

Die bauliche Anordnung von vínbúð und Tankstelle in Hveragerði steht allerdings in völligem Gegensatz zu dem, was mir ein Bekannter gerade tags zuvor bezüglich der besonderen Regulierung des Alkoholverkaufes in Ísland erzählte. Um Suchtgeheilte nicht in Versuchung zu führen, sei Alkoholisches eben nicht an jeder Tankstelle und in jedem Supermarkt erhältlich. Aha, deswegen haben Tanke und Schnapsladen hier auch den gleichen Eingang ...

 

Von Weinbuden und Suchtprävention zu dem, was Ísland ausmacht; sie liegen zwar nicht am direkten Weg nach Laugarás, trotzdem landen Geysir und Gullfoss heute mit auf der Reiseroute. Sich ein wenig das Tourigetümmel anzuschauen, und sei es nur um sich entspannt zurücklehnen zu können, wohlwissend, daran nicht teilnehmen zu müssen, und nebenbei noch ein paar nette Fotomotive einzufangen, das allein ist schon den Umweg zu DEN Sehenswürdigkeiten im Südwesten Íslands wert.

 

Das mit dem Geysir war allerdings keine besonders gute Idee; nicht daß es an Touris mangelt, ganz im Gegenteil, die rennen sich heute schon gegenseitig über den Haufen. Nein, die lange Trockenheit hat auch hier ihre Spuren hinterlassen, die Fontänen des Strokkur sind arg geschrumpft, mangels Wasser. Es ist schon fast mehr eine pure Dampfsäule, die da regelmäßig aufsteigt, denn emporschießendes Wasser. Der Tourikarawane ist das egal, sie rollt mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks, aus den Bussen heraus und über das Gelände rund um Strokkur und Geysir hinweg.

 

am Gullfoss, heute bei mehr als ungemütlichem Wetter

 

Am Gullfoss geht es, zumindest auf der "unteren Etage", etwas entspannter zu, wohl auch, weil der anhaltende Nordoststurm die Gischt des Falls genau über den Parkplatz treibt. Größere Busladungen bleiben aus, die werden wohl "oben" direkt zum Gullfosscenter gekarrt. Dafür gibt es ein unerwartetes Wiedersehen, der Schweizer aus Kabine 7305 steht plötzlich vor mir. Na, das ging aber schnell mit dem Norden ... Bis Raufarhöfn sei er gekommen, dann habe ihn nach der Lust auf mehr Kälte und Regen auch noch das Material, in diesem Falle die Mäntel seines Fahrrades, verlassen. Von dort sei es per Bus weitergegangen, zuletzt über die Kjölur bis zum Gullfoss. Die nächsten Tage würden entspannter, Frau und Kind sind auf dem Weg nach Ísland, dann soll der Rest mit dem Auto erkundet werden. Ja, das leidige Thema Wetter, es kann einem von jetzt auf gleich die beste Tourvorbereitung zunichte machen. 

 

Der Blick zum Himmel verheißt allerdings auch für den Südwesten nichts Gutes, die Sonne von heute Vormittag ist wieder dunklen Wolken gewichen, die noch nicht erkennen lassen, ob sie nur staub-, oder auch regengefüllt sind. Bliebe zu klären, was die bessere Alternative wäre. Eine Antwort darauf gibt es vorerst nicht, nächstes Ziel ist Laugarás, und hier die Straße Vesturbyggð. So es sie im Ort überhaupt gibt, so 100%ig sicher war das vor Reisebeginn noch nicht. Aber tatsächlich, kurz vor dem Ortsende zweigt tatsächlich eine Straße diesen Namens nach rechts ab, und ganz am Ende findet sich sogar die gesuchte Hausnummer. Daheim ist allerdings niemand, schade ... Der "Besuch" beschränkt sich daher auf eine kurze Nachricht im Briefkasten, ein paar Tage bin ich noch in der Nähe. 

 

Hatte ich erwähnt, daß ich ísländische Baustellen hasse ? Ja, wirklich ? Es ist auch wie verhext, an jeder größeren Kreuzung wird heut' gebuddelt, so viele Baumaschinen kann es hier gar nicht geben, wie sich Baustellen auf der gewählten Strecke befinden. Zum Glück sind die Abschnitte nur kurz, alles andere wär' auch zu sehr an Nerven und Material gegangen. Wenigstens auf der 32 ist Ruhe, kann entspannt Richtung Þjórsárdalur rollen. 

 

Das Þjórsárdalur westlich der Hekla ist prinzipiell kein Ziel, welches mit einem "normalen" PKW erkundet werden sollte, schon gar nicht mit einem mehr oder weniger gehätschelten Oldtimer. Die sehenswerten Ziele im Tal liegen stets abseits der geteerten Hauptstraße ( 32 ), die einzelnen Wege dorthin sind meist mehr oder minder grobe Schotterpisten. Aber es muß nicht immer das volle Programm sein. 

 

Stöng, Gjaín und der Háifoss bleiben außen vor, das Bad von Reykholt ist aber eines der Ziele. Weit abseits der Hauptstraße liegt es, inmitten einer öden Geröllandschaft, die mehr an Fotos vom Mond erinnert als von der heimischen Erde. Ausbrüche der Hekla haben diese Landschaft hinterlassen, die Nähe zum heißen Erdinneren ist aber auch für die heiße Quelle inmitten des Nichts verantwortlich, aus der Reykholt das warme Wasser hat.

 

Wieso "lokað" ? Es ist Mittwochnachmittag, da hat das Bad für gewöhnlich geöffnet. Diese Frage stellen sich offenbar auch andere Reisende, die nun am Abzweig von der 32 Richtung Reykholt stehen. Bin ich jetzt bis hierher gegurkt, nur um unverrichteter Dinge wieder umzudrehen? Nöö, das muß mal genau erkundet werden. Nun sind es ein paar Kilometer bis zum Bad, durchgehend geschotterte Kilometer, wenn man bei dem feinen Lavageröll überhaupt von Schotter im Sinne einer aufgetragenen Fahrbahn sprechen kann. Bei maximal Tempo 20 bleibt es eine materialschonende Fahrt bis Reykholt, und siehe da, hier ist nix geschlossen. 

 

Das Schild ? Ach so, ja nun, das wird der Wind umgedreht haben ... Macht überhaupt nichts, je weniger Touris verirren sich bis hierher. Das Bad wirkt wie eine Oase im der Einöde, mit ein paar Bäumen und saftig grünem Rasen ringsum. Hinter dem Bretterzaun an der Rückseite der Anlage dampft es, hier sprudelt irgendwo das heiße Wasser aus dem Boden. Duschen und zwei Hotpots sind vorhanden, dazu ein großes Schwimmbecken, das zu einer Seite ganz flach, fast wie ein Strand, ausläuft. Wenn hier zwecks Anlage des Beckens seinerzeit mal nicht eine Planierraupe am Werk war. Eintritt pro Person in 2008: 300 Kronen.

 

Da war doch noch was ...? Jepp, genau, die lästigen kleinen Fliegen, der Mückenersatz Íslands sozusagen. Am Bad sind sie bereits sehr aufdringlich, auf dem anschließend anvisierten Knackplatz einfach nicht mehr zu ertragen. Wer hat dieses Viehzeugs bloß erfunden? Sandátunga mag ein sehr schöner Flecken im Þjórsárdalur sein, zudem ist hier heute mal wieder kein weiterer Camper zu entdecken ( wegen der mýflýgur ? ), aber mit den kleinen Quälgeistern kommt ein Aufenthalt nicht in Frage.

 

Und Alternativen? Mehr schlecht als recht ließe sich ein Stück zurück abseits der 32 auf einer alten Trasse übernachten, aber auch hier haben sich die kleinen "Freunde" schnell eingefunden, wie sehr bald deutlich wird. Die Wahl fällt schließlich auf den Campingplatz Árnes, hier sind die Biester zwar auch allgegenwärtig, treten aber wenigstens nicht in Scharen auf. 1000 Kronen werden für eine Übernachtung fällig, aber welcher Campingplatz kann auch schon mit einem Hotpot aufwarten? Ist heute aber im Prinzip rausgeschmissenes Geld, war ja gerade mehr als ausgiebig baden.

 

Nun lassen sich die mýflýgur leicht austricksen, immer in Bewegung bleiben, und bei Wind einfach die Nase in selbigen halten, schon ist man die Viecher los. Was aber, wenn man sich mal umdrehen muß, oder es gerade einmal nicht weht? Ironie des Schicksals, trotz der anhaltend steifen Brise aus Nordost herrscht im Schutze der Bäume auf Árnes eine wohltuende Windstille, die es leider unmöglich macht sich mit Hilfe des Windes die lästigen Biester vom Hals zu halten. Macht aber auch nix, sobald die Sonne untergeht, begeben sich die mýflýgur in die Heia. Wie schön, wenn es da um diese Jahreszeit quasi rund um die Uhr hell bleibt.

 

auf dem Campingplatz von Árnes

 

Es ist hell beim Zubettgehen, und es ist hell beim Aufstehen, daran sollte man sich um diese Jahreszeit in Ísland schnell gewöhnen, oder mit entsprechender Abdunklung die Nacht simulieren. Ansonsten kann der Tagesrhythmus ein wenig aus den Fugen geraten. Die kleinen "Freunde" haben damit kein Problem, sind zu früher Stunde bereits wieder unterwegs. Das kann einem schon ganz schön auf den Keks gehen. Trotzdem ist das Þjórsárdalur noch nicht passé, es soll heute vor dem Start nach Strandir einen zweiten Aufenthalt in Reykholt geben.

 

Vorher ist aber noch etwas Sightseeing angesagt; am Weg von Árnes ins Þjórsárdalur liegt links am Weg eine markante, vor den eigentlichen Berghängen befindliche Erhebung, Gaukshöfði. Es ist noch nicht lange her, da schrammte die benachbarte Þjórsá genau an den Felsen vorbei, und die 32 führte hinter Gaukshöfði durch einen Einschnitt weiter in Richtung Þjórsárdalur. Modernere Straßenbaumethoden machten es möglich, zwackten vom Flußbett ein Stück ab und ließen die markante Erhebung links liegen. Erreichbar ist Gaukshöfði aber weiterhin, eben über die alte 32, und das ist auch gut so. Von oben hat man einen hervorragenden Blick über die Ebenen südlich und südwestlich, dann nach Nordosten ins Þjórsárdalur und nicht zuletzt nach Südosten auf die Hekla ( so sie nicht von Wolken eingehüllt ist).

 

Ausblick von Gaukshöfði auf die Hekla

 

Eine weitere gut zu erreichende Sehenswürdigkeit ist der zweigeteilte Hjálpárfoss am Eingang zum Þjórsárdalur. Besonders schwer zu finden ist der Wasserfall nicht, kurz vor der Brücke über die Fossá weist ein Schild an der 32 den Weg. Entlang der kurzen Schotterpiste zum Fall werden Erinnerungen an die Tour 1994 wach, hier gab es seinerzeit einen Übernachtungsplatz, und das morgendliche Bad fand bei wenig anheimelnden Temperaturen in der nahen Fossá statt, wobei es auch noch barfuß über das spitze Lavageröll ging.

 

Davon kann heute keine Rede mehr sein; zum Übernachten bieten sich längst bessere Alternativen an, und es muß nicht mehr ein kaltes "Outdoor" - Bad sein. Reykholt wartet schon, am Hjálpárfoss gibt es zuvor ein paar Bilder und ein kurzes Frühstück. Einige Touristen sind am Wasserfall unterwegs, der obligatorische Bus fährt zum Glück gerade ab. Das Wetter ist heute morgen wie schon seit Tagen, mal mehr, mal weniger bewölkt, mit einer steifen und trockenen Brise aus Nordost. "Brise" ist dabei untertrieben, der starke Wind wirbelt erneut Staub und Sand auf. Dann die Überraschung, das Bad öffnet erst um 13:00 Uhr; macht auch nix, dann wird die nach der Schwimmrunde geplante Waldwanderung eben vorgezogen. 

 

Wald, wo gibt es den denn in Ísland ? Nun, unter anderem im Þjórsárdalur, weitere Waldgebiete folgen auf dem Weg zurück zu Fähre ( s.u. ) ... Richtig viel Wald hat es in Ísland nie gegeben, aber zur Zeit der Besiedlung vor rund 1100 Jahre waren etwa 1/3 des Landes bewaldet. Davon ist quasi nichts übrig geblieben, was Menschen und Naturkatastrophen nicht vernichtet hatten, verschwand in den Bäuchen der Schafe. Seit nunmehr ca. 100 Jahren gibt es ernsthafte Anstrengungen, Teile des Landes wieder aufzuforsten. Dazu galt es zunächst, der Erosion Einhalt zu gebieten, und man mußte die Schafe aus den betreffenden Landstrichen heraushalten. Dann ging es daran herauszufinden, welche Baumarten am besten im Klima Íslands gedeihen. In einigen den "neuen" Wälder gibt es kleine Lehrpfade, an denen entlang sich die unterschiedlichsten Baumarten finden - zumeist sind es Nadelgehölze -, mit einer kleinen Informationstafel dazu, von wo der Baum stammt, und wann er gepflanzt wurde.

 

Der Wald im Þjórsárdalur ist mittlerweile unübersehbar, von Süden die 32 in Richtung Tal fahrend, fällt er allerspätestens nach Passieren der Zufahrt zum Campingplatz Sandátúnga links an den Berghängen ins Auge. Daß gerade hier ein neuer Wald entstanden ist, hängt einmal mit dem Engagement des Eigentümers des nächstgelegenen Hofes zusammen, aber auch mit den guten Voraussetzungen, die der Boden hier bietet. Die Asche der Hekla ist ungemein fruchtbar, es muß nur die Bodenerosion gestoppt werden. Das gelingt durch Anpflanzen spezieller Gräser, und um zusätzlich Dünger in den Boden zu bringen, werden Lupinen ausgesät.

 

an der Sandáfurt unterhalb des Waldgebietes

 

Das Waldgebiet ist von der 32 aus über wenigstens drei Wege mehr oder weniger direkt erreichbar; in allen Fällen bietet es sich an, den Wagen stehen zu lassen und zu Fuß weiterzumarschieren, an einer Stelle ist es - wenigstens mit einem Geländewagen - auch ohne weiteres möglich, bis in den Wald hineinzufahren, und einen Großteil der Wege auch mit dem Wagen abzufahren. Wie immer gilt auch hier die Devise: "Uti, non abuti".

 

Den ersten Zugang bietet der o.g. Campingplatz, die Zufahrt dorthin liegt kurz hinter der Brücke der 32 über die Sandá links des Wegs. Auf dem Platz vor dem Waschhäuschen der Spur nach rechts bis zum Ende oberhalb des Flusses folgen. Der Campingplatz an sich ist der dichten Vegetation und der vielen kleinen Wiesen und Plätze dazwischen schon einen Spaziergang wert. Zudem liegt er etwas erhöht oberhalb der Sandá, die hier in einem Bogen und in einer kleinen Schlucht um den Platz herumführt, und das gegenüberliegende Ufer wird von senkrechten Felswänden gebildet. Vom Ende o.g. Spur gibt es in den Sommermonaten eine kleine Brücke über die Sandá in den Wald auf der anderen Seite. Ansonsten: Schuhe aus und durchwaten ...

 

Der nächste, altbekannte, und auch mit einem Geländewagen zu bewältigende Zugang zum Wald ist etwas schwerer zu finden, da nicht direkt ausgeschildert oder besonders offensichtlich. Wer weiß, wo es noch vor dem Abzweig nach Reykholt möglich ist, nach rechts zum Hjálpárfoss zu fahren ( nicht erst bei der ausgeschilderten Piste, s.o. ), hat es am Einfachsten, genau gegenüber geht eine Fahrspur über die schwarze Geröllebene Richtung Wald ab. Ansonsten hilft nur etwas Suchen, bevor die 32 in einer leichten Rechtskurve etwas ansteigt und den Abzweig nach Reykholt erreicht, führt nach links eine Spur in Richtung der Berghänge und des Waldes. Wie immer man die Zufahrt nun auch findet, und immer unter der Voraussetzung, daß dieser Weg noch nicht für den öffentlichen Verkehr gesperrt ist, ist es hier möglich, mit einem entsprechenden fahrbaren Untersatz bis in den Wald hineinzufahren. 

Die Fahrspur erreicht anfangs ein mit Birken bestandenes Gelände diesseits der Sandá, mit weitläufigen Wiesen dazwischen. Das Campieren ist hier mittlerweile verboten, leider ... Die Spur gabelt sich in mehrere Wege auf, die teils über besagtes Gelände, teils auch daran vorbei verlaufen. Wie auch immer, man fährt nun ein Stück zurück in die Richtung, aus der man zuvor auf der 32 gekommen ist, erreicht die Sandá und hat die Möglichkeit, den Fluß zu furten. Ein Schild auf der anderen Seite verbietet zum heutigen Stand lediglich das Fahren mit Motorcrossrädern ... Die Spur auf der anderen Seite der Sandá verläuft nun bereits mitten durch das Waldgebiet, kürzt den Verlauf des Flusses ein Stück ab, erreicht ihn aber wieder an einer recht zentralen Stelle, wo Wege in verschiedene Richtungen in den Wald hineinführen, es zur Orientierung außerdem eine Informationstafel gibt.

 

am neuen Zugang zum Waldgebiet

 

Der dritte Zugang ist neu, den gibt es erst seit diesem Jahr. Hinter der Zufahrt nach Sandátúnga zweigt eine neue Fahrspur ebenfalls nach links Richtung Wald ab, endet oberhalb der Sandá bei einer Fußgängerbrücke. Hier startet heute der anberaumte Waldspaziergang. Die kleine Brücke quert den Fluß an einer sehr schmalen Stelle, Felswände haben die Sandá eingeengt, aber gleich unterhalb der Querung weitet sich das Flußbett, weite Sandbänke tauchen auf, mit fast weißen Bimssteinablagerungen. 

 

Sandbänke in diesen Ausmaßen, das ist ebenfalls neu für mich. So oft ich jetzt schon an der Sandá war, einen derart niedrigen Wasserstand hab' ich noch nicht erlebt. Da ist die Brücke fast überflüssig ...  Zudem ist das Wasser glasklar, auch das geht ganz anders. Nach anhaltenden Regenfällen steigt nicht nur der Pegel merklich an, das Wasser wird trüb, fast wie ein Gletscherfluß, und ist gespickt mit Bimssteinen. Aus dem vorzüglichen Trinkwasserliefereranten wird eine schmutzige Brackwasserrinne, nicht mal mehr zum Zähneputzen taugt das Wasser dann.

 

Blick von der neuen Brücke nach Nordosten Richtung Þjórsárdalur

 

Sandbänke in der Sandá unterhalb der neuen Brücke

 

Jenseits der neuen Brücke gelangt man über eine Treppe direkt in den Wald und auf einen neu angelegten Wanderweg, sieht plötzlich den Wald vor lauter Bäumen nicht. Vorbei an Fichten und Kiefern zumeist, schlängelt sich der Pfad durchs Gehölz, links ist durch die Bäume meist der Fluß zu erkennen. Sogar einen kleinen Picknickplatz gibt es am Weg, sehr schön angelegt, das Ganze. Aber das soll noch Ísland sein? Diese Frage kommt sofort auf, wenn der Wind in den Bäumen rauscht, die Sonne durchs Geäst blinzelt, und es intensiv nach Wald duftet. Keine Frage, hier läuft irgendetwas verkehrt, das kann einfach nicht Ísland sein, nach all' den Einöden ein paar hundert Meter weiter. Und doch, es geht, einfach die Erde zusammenhalten und die Schafe aussperren ...

 

auf einem der neuen Wanderwege des Waldes im Þjórsárdalur

 

An der ersten Weggabelung trifft der neue Pfad auf die von o.g. Furt kommende Fahrspur; nach rechts wandernd ist die Flußquerung alsbald erreicht. Links geht's zu genanntem zentralen Punkt im Wald, wo besagte Informationstafel aufgestellt ist, um die Orientierung etwas zu erleichtern. Ist auch schlimm hier, der Wald ist einem schlechten Zustand, überall hat's Bäume ( na, Asterixfreunde, aus welchem Band stammt das Zitat ? ). Noch vor dem Orientierungspunkt gabelt sich die Fahrspur, der Beginn zu einem der interessantesten Wege durch diesen Teil des Waldes.

 

Folge dem Weg nach rechts, der Start zu einem sehr schönen Rundkurs durch den Wald. Die Spur steigt anfangs an, überquert eine Kuppe, erreicht dahinter den Abhang zur Sandá. Zwischen den Bäumen ist auf der anderen Flußseite o.g. birkenbestandenes Gelände mit den weitläufigen Wiesen erkennbar, dahinter die Geröllfelder zu beiden Seiten der 32. Am Hang steigt der Weg abermals an und erreicht den Dímon, eine markante Erhebung im nördlichsten Teil des Waldes. Hier beginnt/endet der alte Weg über die Sprengisandur. Während die Fahrspur nun fast im 180°-Winkel nach links abknickt und weiter in den Wald hineinführt, startet nach rechts - unterhalb des Dímon- der alte Weg über die Sprengisandur.

 

Ausblick nach Süden in Höhe des Abzweigs der alten Sprengisandur-Route

 

im Wald unterwegs

 

Der ausgefahrene Jeeptrack verläuft bis auf Weiteres mäßig ansteigend durch dichten Wald, nichts, aber auch überhaupt nichts, erinnert anfangs an die Tatsache, hier gerade in Ísland unterwegs zu sein. Bei genauerem Hinsehen fallen aber doch einige Unterschiede zu den Wäldern Mittel- und Nordeuropas auf:

Die Bäume erreichen bei Weitem nicht die Höhen vergleichbarer Spezies daheim ( noch nicht ), und das Unterholz ist durchsetzt mit den typischen niedrigwachsenden Birken Íslands. Im Unterholz findet sich außerdem eine Pflanze, die nur in Ísland gedeiht, die sog. hrútaber, die Widderbeere. Der Waldboden ist - wo sichtbar - oft mit schwarzem, feinen Lavageröll vermischt, vereinzelnd findet sich auch weißer Bimsstein dazwischen. Die in Nadelwäldern unserer Breiten häufigen Ameisenhaufen wird man hier vergeblich suchen, es gibt keine Ameisen in Ísland ( noch nicht ? ). 

 

im Unterholz blühende Hrútaber

 

nicht zu verwechseln mit der ebenfalls vorkommenden Walderdbeere

 

Die Fahrspur endet auf einer Erhebung mitten im Wald, nach Südwesten ist nun der Blick frei über den größten Teil des Waldes im Þjórsárdalur. Gleich vorn breitet sich ein weites, zumeist baumbestandenes Tal aus, die Grenze des Waldes bildet die Sandá am Ausgang des Tals. Der Fluß trennt auch weiter nach Süden hin die deutlich kargere, fast baumlose Ebene links von den üppiggrünen und meist baumbestandenen Flächen und Berghängen rechts. An letzteren sind deutlich die Reihen der angepflanzten Bäume zu erkennen. Der angepflanzte Wald besteht ausnahmslos aus Nadelgehölzen, dazwischen gedeihen die in Ísland natürlich vorkommenden Krüppelbirken, allerdings weit üppiger als sonst üblich.

 

der Wald im Þjórsárdalur

 

Wer sich mit seinem Geländewagen bis hier oben heraufgequält hat, dem bleibt als Rückweg nur die gekommene Piste. Als Fußgänger ist man besser dran, kann den Rundkurs durch den Wald fortsetzen. Nicht auf Anhieb sichtbar führt ein schmaler, in Abständen blau markierter Pfad vom Aussichtspunkt den Hang hinunter ins bewaldete Tal. Der steile Trampelpfad verläuft anfangs durch das dichte Birkengestrüpp am Hang, dann durch den hohen, aber angepflanzten Wald weiter unten. Im Tal ist alsbald eine Fahrspur erreicht, über die man zum o.g. zentralen Punkt bei der Informationstafel kommt. Es zweigen auf diesem letzten Stück mehrere Wege vor allem nach rechts weiter in den Wald hinein ab, über einen der verschlungenen Pfade erreicht man die Grabstätte des Initiators dieses Waldgebietes.

 

Das Timing ist nahezu perfekt, Punkt 13:00 Uhr bin ich zurück am Wagen. Rolle gemächlich gen Reykholt, wie erwartet hat das Bad sowieso noch nicht geöffnet, es dauert etwas, bis die Betreiber auftauchen. Die folgende Baderunde fällt noch ausgedehnter aus als die gestrige, es gibt ein paar interessante Gesprächspartner. Aus der anvisierten halben Stunde sind jedenfalls gut zwei geworden, da heißt es jetzt sich sputen, immerhin steht noch ein Ausflug nach Strandir an.

 

Aber wie heißt es so schön: ekki að stressa sig .... Und darum gibt es unterwegs auch noch ein paar Stops. Die Versorgung an Gerstenkaltschale muß für das Wochenende sichergestellt sein, für das leibliche Wohl wird zwar Gunna sorgen, aber etwas beisteuern kann nie schaden, der Staub muß vom Auto runter, und die Tanknadel greift auch schon wieder ins Leere. Vor dem Durchstarten nach Reykjavík gibt es also noch einen längeren Aufenthalt in Selfoss.

 

Richtig interessant wird es dann in Reykjavík, Gonsi ist nicht daheim, und auch per Telefon nicht zu erreichen. Wat nu ... ? Fahre auf gut Glück zu seiner Baustelle, treffe ihn wie er gerade einige für Strandir benötigte Sachen auf den ( nicht angemeldeten ? ) Hänger lädt. Zementsäcke, Schaufeln, Abwasserrohre, das schaut alles sehr nach Arbeit aus. Meine Kiste bleibt unter der Veranda auf der Baustelle zurück, wir gabeln jetzt erstmal Gunna auf, fahren anschließend zu Bónus zum Einkaufen, beladen den Wagen mit dem Rest von daheim, lassen an der Tanke die Gasbuddeln befüllen, rollen dann noch kurz beim Baumarkt vorbei. Ok, Organisation ist etwas anderes, später wird sich auch herausstellen daß wir die Hälfte vergessen haben, aber irgendwie geht's.

 

Gegen 20:00 Uhr, für den durchschnittlichen bundesdeutschen Haushalt ist jetzt Heiabutzi angesagt, rollt der vollbeladene Nissan endlich über die 1 gen Norden. Hätte nur noch jemand mit der Klampfe gefehlt, um ein passendes Lied anzustimmen. Und was soll ich sagen, der hat gefehlt, definitiv. Im Urlaub - pardon: auf den An-und Abreise zu einer Oldtimerveranstaltung - in den Urlaub zu fahren, das hat doch was. Ist zwar "nur" ein verlängertes Wochenende, aber es geht hoch in die Westfjorde, nach Strandir ( ausgerechnet ! ), und das bei bestem Wetter. Der Wind hat merklich abgenommen, die Wolken sind im Laufe des Tags immer weniger geworden, das paßt !

 

Lektion 1 auf der 1: immer sutje unterwegs sein. Die Raubritter lauern in Gräben oder haben gleich automatische Kameras ( myndavél ) installiert. Im Hvalfjarðargöng sind es gleich mehrere dieser netten, grauen Bildmaschinen. Wer eilig unterwegs ist, blecht für den Tunnel nicht nur in Form der erhobenen Maut, sondern später nach Erhalt eines knuffigen Bildes noch einmal. Auf etwa halbem Weg zwischen Hvalfjarðargöng und Borgarnes dann der nächste dieser modernen Inkassokästen, der Nutzen ist offenbar aber nur gering. Die Klöterkiste kennt jeder Hans, und vor und nach dem Ding wird geheizt was das Zeug hält. Obwohl, die Geschwindigkeitsrekordmeldungen in den Nachrichten von www.mbl.is stammen meist von der Strecke zum Flughafen, oder von der 1 nach Selfoss ...

 

Sieh an, auch der Ísländer spart am Sprit; die nicht laut gestellte Frage, warum wir beim Gasflaschenbefüllen nicht auch getankt haben, beantwortet sich in Borgarnes. Hier ist der Sprit ein paar Kronen billiger. Und weil es wohl dazugehört, wird nicht nur der Tank, sondern auch der Magen befüllt, der eine in ausschließlich flüssiger, der andere in zumeist fester Form. Einem geschenkten Barsch schaut man nicht hinter die Kiemen, selbst hätte ich für die Hotdogs an der Tanke bestimmt nichts ausgegeben. Sind ein wenig gruselig ...

 

Hinter Borgarnes "darf" ich mir schon mal anschauen, was mich in der nächsten Woche mit meinem alten Töfftöff erwartet. Bei Bifröst wird die 1 über mehrere Kilometer auf eine komplett neue Trasse gelegt, das Resultat ist eine entsprechend lange, und recht grobe Baustelle. Der arme Lack ! Wenn's denn bis zur Fähre die einzige Baustelle bleibt ... Was jetzt schon weh tut ist die Tatsache, daß für die neue Trasse ein nicht unerheblicher Teil einer einmaligen Landschaft zerstört wird. Bifröst liegt an einem alten Vulkankegel, und ringsum breitet sich ein skurriles, oft dicht bewachsenes Lavafeld ( Grábrókarhraun ) aus, das nun von der 1 brutal zerschnitten wird. Ok, die alte Trasse führte auch durch die Lava, schlängelte sich aber wenigstens dem Gelände angepaßt durch die Landschaft. 

 

Wir verlassen die 1 nördlich von Bifröst, nehmen die 60 über den Paß Brattabrekka weiter nach Norden, passieren dabei das Matterhorn Íslands, den 934m hohen Berg Baula. Die Fahrt gestaltet sich jetzt sehr entspannend, abseits der Ringstraße ist um diese Zeit kaum noch jemand unterwegs. In Búðardalur bekomme ich die nächste Unterweisung in Sachen Verkehrserziehung; der Dorfsheriff sei zu jeder Tages- und Nachtzeit unterwegs, würde auf alles Jagd machen, was auch nur ein Gran schneller unterwegs ist als die erlaubten 50km/h innernorts. Viel dürfte er da nicht zu tun haben, hier hält sich der Verkehr doch sehr in Grenzen.

 

Eine Lehrstunde ganz anderer Art bietet sich weiter nördlich vor dem Damm über den Gilsfjörður. Die extrem tiefstehende Sonne beleuchtet dünne hohe Wolken, und an einer bricht sich das Licht in Regenbogenfarben, zum Teil gleißend hell. So etwas gibt es auch nicht alle Tage zu sehen. Ein ähnliches Phänomen tritt in Ísland ansonsten allenfalls im Winter auf, wenn die tiefstehende Sonne ganz bestimmte, sehr dünne und hochliegende Wolken aus Eiskristallen anleuchtet, die sog. "glitský".

 

Abendhimmel über den Westfjorden

 

Um von der 60 auf die andere Seite der Westfjorde nach Strandir zu gelangen, gibt es auf den nächsten Kilometern insgesamt drei passable Möglichkeiten, zwei davon sind im Sommer auch mit einem normalen PKW zu meistern. Größere Umwege in Kauf nehmend und mit einem entsprechenden Gefährt unterwegs, sind es sogar mindestens fünf Strecken. Ob nun drei oder fünf, keine der Pisten ist für ein schnelles Vorankommen geeignet, dafür sollte man von vornherein den längeren Weg von der 1 über die 61 nehmen. Unsere Wahl fällt auf No.2 der eingangs genannten drei Routen, auf den Weg über Tröllatunguheiði. Ausgerechnet ... 

 

Es ist ein elendiges Gejuckel über den Bergrücken, die Schlaglöcher wollen kein Ende nehmen. Nebenan, in Gauts- und Arnkötludalur, ist bereits eine neue Trasse im Bau, aber noch bleibt nur die holperige Piste über die Heide. Als wir die Seen auf der Paßhöhe erreichen wird mir aber schnell klar, warum wir ausgerechnet diesen Weg nehmen "mußten". Gonsi will in einem der Seen fischen, irgendwer hat ihm gesteckt, daß dies seit neuestem ein lohnendes Fischgewässer ist. Aber auch ohne Tip braucht man nur ein wenig am See entlangzugehen und die Wasseroberfläche zu beobachten. Da dürfte der ein oder andere leckere Braten durchs Wasser pflügen. Aber, wie war das vorhin mit dem Thema Organisation? Eine Angelrute ohne Angelrolle ist nur eine halbe Angel, mit der sich schlecht fischen läßt ...

 

an einem der Seen auf Tröllatunguheiði

 

So wie es mir in früheren Jahren erging, wenn ich des nachts vermeintlich einsam in der Pampa Íslands nächtigte, und dann wider Erwarten doch noch jemand aus dem Nichts auftauchte um sich nebenan einzuquartieren, so dürfte es nun den Touris gehen, die sich ausgerechnet zwei Plätze nahe den Bauarbeiterhütten auf Eyjar für die Nacht ausgesucht haben. Es ist kurz vor Mitternacht, als wir mit dem Nissan an den Touris vorbei zu den Hütten rollen, und es ist noch immer taghell. Der Abend ist auch noch nicht vorbei, es gilt, sich erstmal einzurichten, anschließend steht ein ausgiebiges Abendbrot mit Fisch aus der Region auf dem Plan. 

 

Ursprünglich wurden auf dem Land des alten Hofes Eyjar, direkt an der 643, insgesamt drei recht komfortable Blockhütten errichtet, um als Unterkunft für die Bauarbeiter zu dienen, welche die Piste zwischen Bruará und dem Eingang zur Kaldbaksvík komplett erneuerten. Die Straße ist nun seit mehr als einem Jahr fertig, geblieben sind die Hütten. Eine davon steht heute am Steingrímsfjörður, als Sommerhaus, zwei befinden sich weiterhin auf Eyjar, gehören Gonsi und seinem Onkel. Beiden gehört aber nicht Eyjar, sondern Asparvík, das verlassene Gehöft südlich davon, die Hütten müssen also über kurz oder lang dorthin wechseln. Gonsis Onkel ist bereits mit dem Fundament für seine Hütte fertig, nun sind wir an der Reihe.

 

auf Eyjar

 

Aber alles der Reihe nach .... Zunächst wird ausgepennt, da hat der dicke Nebel am Morgen Zeit, sich aufzulösen. Anschließend gibt es Frühstück, dann werden die restlichen, noch benötigten Dinge aus den zwei Hütten auf den Hänger geladen. Was wohl der Dieselgenerator soll? Egal, auf Asparvík angekommen inspizieren wir die "Baustelle" und besprechen, was heute zu tun ist. Jetzt wird mir klar, wozu der Generator ist, er soll den Zementmischer antreiben, der in der Baugrube des Onkels liegt. Und tatsächlich, das Ding setzt sich wirklich in Bewegung, obwohl aus dem Schalterkasten fortwährend das Regenwasser rinnt.

 

"Við vorum að steypa", das werde ich später zu berichten wissen, wenn der Urlaubsbericht bei den Tagen in den Westfjorden angelangt ist. Es geht in der Hauptsache darum, die bereits von Gonsi in zwei Gräben aufgestellten, und entsprechend den Maßen der Hütte ausgerichteten Kunststoffröhren mit Zement zu füllen. Dabei geht es zu wie in alten Zeiten; in zwei großen Wannen stehen Sand und Geröll des nahen Strandes bereit, dies gilt es nun im Zementmischer mit dem mitgebrachten Zement zu vermengen und anschließend in die Röhren zu füllen. Der grobe, mit Muscheln und Meersalz durchsetzte Sand gibt auch nach langem Rühren keine wirklich homogene Masse, und die Haltbarkeit ist heute an den Ruinen rings um Ísland gut abzulesen. Nun ja, wir errichten wenigstens keine freistehenden Wände oder ein Fundament für ein mehrstöckiges Gebäude, sondern wollen damit "nur" einer einfachen Blockhütte zu etwas mehr Standhaftigkeit verhelfen.

 

Der eine schippt Sand und Klamotten, der andere kippt den fertigen Zement mit Eimern in die Röhren, dann kommen noch ein paar Steine und Eisen mit dazu. Klingt recht einfach, ist aber eine Knochenarbeit, die sich den Tag über hinzieht. Steypa, steypa, hab' ich mir auch nicht träumen lassen, hier mal beim Bau eines Sommerhausfundamentes zu helfen. Es bleibt auch nicht allein beim Setzen der Fundamente, wir legen gleich noch die Abwasserleitung und beginnen hinterher, die Löcher, in denen die Pfeiler stehen, aufzufüllen. Nichtsdestotrotz, hier ein vergleichbares nettes Fleckchen, mit einer schnuckeligen kleinen Hütte darauf, und das Ganze direkt am Meer, das könnt' mir gut gefallen ....

 

das Fundament steht...

 

... drei Wochen später auch mit Blockhütte darauf

 

Zu Asparvík gehört das Asparvíkurdalur, ein nördlich des alten Hofgeländes weit landeinwärts führendes Tal mit einem klaren, und dank des vielen Schnees in den Bergen zu allen Jahreszeiten ausreichend Wasser führenden Fluß. Gonsi hat zusammen mit seinem Onkel im Flußbett ein paar kleine Becken angelegt, um Fische anzusiedeln, denn leider versperrt bislang ein kleiner Wasserfall kurz vor dem Meer den Fischen den direkten Zugang. Nach getaner Arbeit am Sommerhausfundament werden die wassergefüllten Kuhlen inspiziert, die darin im letzten Jahr ausgesetzten Fische sind jetzt hoffentlich in der Fossá unterwegs, nicht hinunter ins Meer oder in irgendwelchen Kochtöpfen abhanden gekommen. Gunna sammelt nebenher Kräuter für die Lammkeule, die es heute zum Abendbrot geben soll. Und natürlich gehen wir wieder einmal all' die Dinge durch, die man hier im Tal und an der nahen Küste noch so "anstellen" könnte.

 

Einen Tag arbeiten, zwei Tage ausspannen, das lasse ich mir gefallen. In Sachen Sommerhaus passiert die nächsten zwei Tage nicht mehr viel, für das letzte Stück Abwasserrohr fehlen die passenden Winkel, und mit nur einer Schaufel die Löcher um die Fundamente zu füllen ist müßig, und viel viel zu mühselig. Wir belassen es bei ein paar halbherzigen Schaufelversuchen, gehen anschließend auf Minkjagd. 

 

Die felsige Küste steckt voll dieser kleinen Raubtiere, die in Ísland ebenso fehl am Platze sind wie Ratten, Mäuse, oder seit neuestem die Spanische Nacktschnecke. Aber der Mensch hat wie so oft überhaupt nicht nachgedacht, als er den Nerz zwecks Fellzucht im Land einführte, und ihn dann - ob freiwillig oder nicht - in die Freiheit entließ. Die flinken Viecher wildern im natürlichen Seevögelbestand an dem Küsten, und weil sie auch vor den Eiderenten nicht Halt machen, werden sie bejagt.

 

Aber wie an die pelzigen Räuber herankommen, freiwillig krabbeln sie nicht aus den Löchern zwischen den Felsen, schon gar nicht, wenn der Mensch in der Nähe ist. Metallischer Lärm gefällt den Nerzen jedoch überhaupt nicht, ein Hund im Nacken noch viel weniger, aber wenn es dann brennendes Benzin in die Felsspalten regnet, hilft nur noch die Flucht ins offene Terrain. Der Mink ist allerdings sowas von flink, so schnell, wie er aus einem Loch herausgeschossen kommt, ist er im nächsten auch wieder verschwunden. Schiet, wenn die Wumme dann ausgerechnet in die verkehrte Richtung zeigt. Diesen Samstag steht es jedenfalls 1:0 für den Mink, und das liegt vor allem daran, daß sich der Diesel aus dem Tank nicht einfach durch einen Funken entzünden läßt. Und die nächste Tankstelle ist etwa 50km entfernt ... Der Marsch an der Küste entlang sorgt wenigstens dafür, das opulente Mahl des Vorabends zu verdauen, und das flüssige Brot verflüchtigt sich nach und nach.

 

Sonntag ist Rückreisetag, aber gaaanz sutje. Erstmal wieder ausschlafen, alles in den Wagen laden, und ausgiebig frühstücken. Anschließend werden noch einmal die Fundamente auf Asparvík inspiziert, und das Netz muß eingeholt werden. In einer der Buchten hatten wir gestern ein Netz gespannt, und tatsächlich haben sich ein paar Fische darin verirrt, trotz dem die Bucht sehr flach ist. Eine kapitale Meerforelle lebt sogar noch, wandert auch gleich in einen Eimer und nach oben in eines der Becken in der Fossá. Naja, und eh der Fisch von der Bucht im Fluß ist und das Netz im Wagen verstaut ist auch schon nach Mittag. Eigentlich wollte ich heute zum Oldtimertreffen in Árbærsafn ...

 

Über den gekommenen Weg geht's nach Süden zurück, sprich nach Reykjavík ( Süden in Ísland = Reykjavík ). Das Wetter schlägt heute wieder alle Rekorde, vor allem in Sachen Temperatur; morgens auf Strandir sind es noch 6°C, vor Brattebrekka bereits über 15, und beim Tankstop in Bifröst zeigt das Außenthermometer 22°C an, plus, versteht sich. Reykjavík liegt wieder deutlich drunter, bei "nur" noch 13°C, dem Nebel sei Dank. Wär' ansonsten auch nicht zum Aushalten ...

 

7. Juli, Reykjavík - Hvalfjörður

 

Der Montag startet wie der Sonntag endete, mit Nebel. Nachdem sich dieser verzogen hat, strahlt die Sonne von einem wolkenlosen Himmel und läßt die Temperaturen in T-Shirt-verdächtige Regionen klettern. Abenteuerlich .... Nach einen kurzen Ortstermin am Stadtrand von Reykjavík, zwecks eines weiteren "Beweisphotos", werden einige Geschäfte "geplündert". Der äußerst günstige Kurs der Krone macht das Einkaufen im Vergleich zu früheren Jahren in Ísland spottbillig, ich glaube, das Thema hatte ich schon anderswo kurz angerissen. 

 

Wie dem auch sei, 66° Norður ist der erste Stop, nebst warmer Winterkleidung wandern auch einige T-Shirts in den Einkaufkorb, davon habe ich auf die Reise einfach zu wenige mitgenommen. Wer rechnet auch mit solch' einem Sommer hier oben. Als nächstes ist der Plattenladen im Einkaufscentrum Kringlan an der Reihe. Leider gibt es die CD-Serie "svona er sumarið xxxx" nicht mehr, da gab es einmal pro Jahr die neusten ísländischen Titel auf einer CD. Und so richtig adäquater Ersatz ist auch nicht zu finden. 

 

Zum Abschluß der kleinen Shoppingrunde kehre ich im Touriladen ein, Postkarten kaufen. "Man" schreibt ja Postkarten aus dem Urlaub, da schließe ich mich voll mit ein. Allerdings fallen die "Antworten" mehr als spärlich aus, und das nun schon über Jahre. Dies wird mir wieder bewußt, als ich die Kartenständer im Laden etwas unschlüssig hin- und herdrehe. Daher fällt für mich an dieser Stelle der Entschluß, in den kommenden 12 Monaten genau zu beobachten, wer im Urlaub schreibfaul ist, und wer nicht, und entsprechend wird dann die Postkartenschreiberei eingestellt. Basta ...

 

Gonsi treffe ich leider nicht mehr an, weder im alten noch im neuen Heim, kann mich nicht mehr persönlich für dieses Jahr verabschieden. Denn nach einem kleinen Mittagessen bei Isafoldtravel in Garðabær kehre ich Reykjavík für 2008 den Rücken, es geht auf den Weg zurück Richtung Fähre, zurück nach Ostísland. Nach einem letzten Tankstop und einer kurzen Autowäsche fahre ich die 1 aus der Stadt raus Richtung Norden, und obgleich ich auf Grund des Verkehrs ungern auf der Ringstraße unterwegs bin, bleibt es des Wagens wegen erstmal durchweg bei der 1, auch wenn es streckenweise Alternativrouten gibt.

 

an der 1 von Selfoss kommend

 

Es ist mal wieder viel später geworden als ich dachte, hatte mich noch viel zu lange in der Stadt aufgehalten und bei Freunden "festgesabbelt". Das Ziel, heute irgendwo nördlich von Borgarnes zu übernachten, gebe ich auf, biege stattdessen vor dem Hvalfjarðargöng nach rechts ab auf die alte 1 um den Fjord herum ( jetzt die 47 ). Die Strecke ist gut ausgebaut und durchgehend geteert, wird aber nunmehr wenig genutzt. Hier fährt nur noch, wer die Maut für den Tunnel nicht zahlen will, oder Zeit hat. Zur Weiterfahrt auf der 1 bedeutet der Weg um den Hvalfjörður herum einen Umweg von etwa 60km.

 

Umwege sind heute unerheblich, was zählt ist die Möglichkeit, am Fjord ein nettes Plätzchen für die Nacht zu finden. Und da gibt es nicht nur eines, bereits auf früheren Touren stand die alte 1 um den Hvalfjörður herum für Übernachtungsmöglichkeiten nahe Reykjavík hoch im Kurs. Nebst einigen Parkplätzen direkt an der Straße bieten sich auch ein paar etwas abgelegenere Stellen sehr gut zum Übernachten an.

 

Leider nicht mit direktem "Wasseranschluß", dafür mit einer einmaligen Aussicht über den Fjord ausgestattet ist ein Flecken hinter Hvammur am Südufer. In einer leichten Linkskurve an der Hvammsvík zweigt von der 47 ein Schotterweg nach rechts ab, ein Schild vermittelt den Eindruck, als sei dies die Zufahrt zu einem Hof. Da gibt es aber nix, was auch nur entfernt an ein Haus oder einen Hof erinnert, sondern nur steil abfallende Berghänge von Reynivallaháls, und nebst einer alten Straßentrasse die genannte Aussicht über den Hvalfjörður.

 

Und bei dem Wetterchen heute ist die Aussicht einfach nur toll. Keine Wolke, kein Nebel trübt den Ausblick über den Fjord und die umliegenden Berge. Und: der Aussichtspunkt ist verwaist ... Wie so oft, wirklich interessant wird es jenseits dessen, was in jedem Reiseführer zu finden ist. Hier gibt es keinen Wasserfall, keinen Geysir und auch keine brodelnde Schlammquelle, aber eine grandiose Aussicht und viel, viel Ruhe, um diese genießen zu können. Vom gelegentlichen Poltern einiger Felsbrocken am nahegelegenen Hang einmal abgesehen ...

 

Richte mich "häuslich" ein, mal wieder ist es ein Genuß, sich mit seinen Sachen draußen auszubreiten, ohne daß alles sofort davonfliegt. Überhaupt, Wind ist heute Abend ein Fremdwort, es weht allenfalls ein laues Lüftchen, mit ebenso lauen Temperaturen. Es ist frisch, aber nicht kalt, und es läßt sich sehr gut im T-Shirt draußen aushalten.  Quäle mich durch die Postkartenschreiberei, in dieser Masse wird es das letzte Mal sein. Anschließend ist der gemütliche Teil des Abends angesagt, mit einem Happen zu essen, und einem guten Tropfen dazu.

 

Es wird kaum merklich dunkler am Abend, erst kurz vor Mitternacht beginnt die tiefer sinkende Sonne, die Landschaft in verschiedene Rottöne zu tauchen. Zeit, noch einmal die Fotoapparat zu zücken und Bilder zu machen. Das mögen sich auch einige Ísländer gedacht haben und gesellen sich zu mir. Allerdings nur für ein paar Fotos, nicht für die Nacht. 

 

der Hvalfjörður nördlich von Reykjavík

 

Übernachtung oberhalb des Hvalfjörður

 

Ausblick nach Osten gegen Mitternacht

 

 

8. Juli, Hvalfjörður - Vaglaskógur

 

 

Heute stehen einige Kilometer auf dem Plan, der Tag startet entsprechend früh. Der frühe Vogel fängt den Wurm, daß müssen sich auch die Angler gedacht haben, die bereits zu so früher Stunde die Flüsse am weiteren Weg belagern. Schlecht für mich, die Badestellen sind also belegt, bleibt nur ein "offizielles" Bad für die morgendliche Körperpflege. Am Nordufer des Fjords gibt es solch' Einrichtung, die öffnet aber erst um 14:00 Uhr, paßt sich damit der sonst so üblichen Zeit an, zu der Ísländer als Touristen in den Tag starten.

 

Bleibt das Bad in Borgarnes, es hat bereits zu so früher Stunde geöffnet, und einige Leute drehen auch schon ihre Runden. Für 330 Kronen ist die Benutzung ein Lacher, mit großem Außenbecken, diversen Hotpots, Innenbecken etc.etc. Liegt zwar etwas versteckt am Ende einer Seitenstraße mitten im Ort, aber mit einer tollen Aussicht vom Außenbecken nach Südwesten über den Borgarfjörður. 

 

Die N1 in Borgarnes ist bis Akureyri die letzte Tankstelle mit 98 oktanigem Sprit, keine Frage also, wo nach dem morgendlichen Bad der nächste Stop eingelegt wird. Nein, ich möchte den Wagen nicht verkaufen, nicht für 2, und auch nicht für 3 Millionen ísländische Kronen. Wobei sich die Frage auftut, wie ernst das Angebot letzten Endes gewesen wäre, wenn ich zugestimmt hätte. Fahr' an die Tanke, da kannst Du was erleben .... Da kann es auch passieren, daß man plötzlich einem Ísländer erklären muß, wie er ohne Kreditkarte an das begehrte Naß aus der Zapfsäule kommt. Naja, einfach drücken, na da, auf den Knopf. 

 

Der Kurs der Krone hat wieder angezogen, für 116 zu 1 tausche ich nebenan bei Kaupþing. Trotzdem, gegenüber des Kurses im vergangenen Sommer ist dies ein merklicher Verfall der Währung. Erste Anzeichen für ... ja, wofür eigentlich? Zerbreche mir darüber nicht den Kopf, fahre die 1 weiter, jetzt in Richtung Akureyri. Der Hochnebel von heute Morgen ist verschwunden, die Sonne lacht wieder von einem wolkenlosen, blauen Himmel. Das ist schon absurd, wenn ein Tag wie der andere ist.

 

Nach einer Frühstückspause auf einem Rastplatz nördlich von Borgarnes kommt der nervenaufreibendste Teil der heutigen Strecke, die Baustelle rund um Bifröst. Wär' alles halb so wild, würden die Ísländer sich nur ansatzweise an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten. Aber so ist die Frage, was wiegt schlimmer, der Steineregen durch vorbeibretternde Wagen, oder der selbst aufgewirbelte. Naja, die Lackiererei daheim wird's richten.

 

Entspannend dann die Fahrt hinter der Baustelle, allerdings legt der seit Tagen beständige Nordwind beträchtlich zu. Auf dem Weg über den Paß Holtavörðuheiði dreht die Wetterküche Íslands so richtig auf, die Sonne ist jäh hinter dickem Nebel und tiefziehenden Wolken verschwunden, es beginnt zu nieseln und wird saukalt. Wer hat denn hier den Schalter umgelegt ... ? Die Sicht geht gen Null, auf dem Weg über die Heide ist die umgebende Landschaft nicht einmal ansatzweise zu erahnen. Schade, ein paar Motive hätte ich gern eingefangen, war hier in den letzten 15 Jahren bislang nur einmal unterwegs.

 

Der Nebel lichtet sich erst wieder mit Erreichen des Meeresspiegels bei der Servicestation Brú, aber es bleibt kalt, bedeckt und windig, mit Nieselregen. Wirklich Spektakuläres gibt es von den nächsten rund 85km bis Blönduós aber eh nicht zu berichten, das Sehenswerte liegt abseits der 1, Schotterpisten führen dorthin, nichts für die diesjährige Tour. Ein wenig nervig sind die Kilometer auf der Ringstraße, weil recht eintönig. Beschließe daher kurzfristig, hinter Blönduós die 1 zu verlassen und die neu ausgebaute Strecke weiter nördlich in Richtung Osten zunehmen. Erhoffe mir auf diesem Weg weniger Verkehr und besseres Wetter.

 

Bereits vor Blönduós reißt der Himmel wieder auf, verziehen sich die dicken Nebelschwaden, hinter dem Ort scheint durchweg die Sonne. Nun ja, er liegt heute auch im Windschatten hoher Berge, und was sich dahinter angestaut hat, sieht man schon von Weitem. Vorerst bleibt es aber sonnig, die Fahrtstrecke über die 74 und anschließend nach rechts über die 744 sind nicht nur des Sonnenscheins wegen recht entspannend. Auch den eilige Durchgangsverkehr von der 1 sucht man hier vergebens.

 

Mit dem schönen Wetter ist es aber schnell wieder vorbei, wo die 744 im Norðurárdalur zur Paßhöhe hin ansteigt, zieht es sich wie schon zuvor auf der 1 ganz plötzlich zu, die Sicht sinkt wieder gen Null. Die dicke Suppe hält sich allerdings nicht ganz so hartnäckig, schon kurz nach dem Paß, jetzt im Laxárdalur, ist wieder gute Sicht, wenn auch weiterhin bei bedecktem Himmel. Im Tal "unten" angekommen biegt die 744 in einer weiten Rechtskurve in Richtung Sauðárkrókur ein, die 745 zweigt nun als Nebenstrecke nach links ab. Auch die sich nun anschließende Teil der 745 bis zum Ort ist durchgehend ausgebaut worden, nichts erinnert mehr an die alte Schotterpiste. Und am Ortseingang von Sauðárkrókur wurde die Straße auf eine neue Trasse gelegt, weg von der kurvigen Piste am Müllplatz vorbei

 

Doch wozu dieser ganze Aufriß ? Daß Nebenstraßen wie diese derart gut ausgebaut wurden - noch vor Kurzem waren die 744 und das letzte Stück der 745 mehr oder weniger einspurige, schlechte Schotterpisten - hängt mit dem Vorhaben zusammen, die Ringstraße zwischen Blönduós und Akureyri auf eine komplett neue und kürzere Trasse zu legen. Dazu gehört unter anderem der Abschnitt zwischen Blönduós und Sauðárkrókur, der die Strecke zwischen beiden Orten schon mal um rund 30km verkürzt. Im Weitern soll die 1 dann über den Mündungsbereich der Héraðsvötn verlaufen ( jetzige 75 ), und schließlich weiter nach Osten an Hólar vorbei über komplett neue Trassen und durch Tunnel bis ins Oxnadalur. Aber das wird wohl noch einige Zeit dauern.

 

Nein, Eisbären gab es bis Sauðárkrókur keine zu sehen, nur karge Landschaft. Den Ort lasse ich mehr oder weniger rechts liegen, fahre zunächst die 75 weiter nach Osten, dann die 76 zurück zur 1. Hmm, die 1 in die Täler weiter nördlich zu legen ist doch noch nicht so endgültig ? Im Norðurárdalur - ja, von Tälern dieses Namens gibt es in Ísland mehrere - wurde die Ringstraße vom Ausgang des Tals bis hinauf zur Öxnadalsheiði komplett erneuert, und in diesem Zuge auf eine neue Trasse gelegt. Erst hat man einfach ein Stück vom Flußbett abgezweigt, weiter oben dann die Seiten gewechselt, die 1 führt hier nun an der Südseite des Tals entlang. 

 

Die alte Ringstraße ist weiterhin vorhanden, aber warum nun zu beiden Seiten eingezäunt ? Zäune hat`s ja reichlich in Ísland, für oder gegen die Schafe, an Straßen, Flüssen und Wegen entlang, und selbst quer durch's Hochland. Aber diese Nummer muß mir mal jemand näher erklären ...  Kurz vor der Paßhöhe treffen alte und neue Trasse wieder aufeinander und geben für heute einen guten Pausenplatz ab, prinzipiell ließe sich die Stelle, insbesondere bei der alten Brücke über die Norðurá, gut zum Übernachten nutzen.

 

im Norðurárdalur an der alten Brücke über die Norðurá

Ausblick in den oberen Teil des Norðurárdalur

 

Das Wetter zeigt sich wieder wie ausgewechselt, vorbei der Nebel und die tiefhängenden Wolken, kein Nieselregen und keine nasse Kälte mehr. Nur der Wind aus Nord, er ist geblieben und fegt recht unangenehm durch das Tal. Die nächsten Kilometer über Öxnadalsheiði sind im Winter oft ein Wetterloch, Schnee und Schneeverwehungen versperren nicht selten die Ringstraße. Und das, obwohl die Öxnadalsheiði keine richtige Hochebene ist wie z.B. Holtavörðuheiði, sondern "nur" ein Hochtal inmitten noch viel höher ansteigender Berge. Wohl auch darum ist man auf der Suche nach einer alternativen Trassenführung. Heute gibt es Schnee allenfalls noch hoch oben in den Bergen, die allerdings hier Höhen von über 1400m erreichen und auch einige kleine Gletscher beherbergen.

 

Jenseits der Heide ist das Oxnadalur erreicht, ein zunächst schmales und karges, gänzlich menschenleeres Hochtal. Das ändert sich aber schnell, wo das Tal weiter unten breiter und grüner wird, tauchen auch die ersten Höfe auf. Das Tal ist dicht besiedelt, große Höfe reihen sich bis zum Ausgang am Eyjafjörður aneinander, dazwischen gibt es sogar kleine Stücken mit etwas Wald. Über dem Ganzen thronen teils ungewöhnlich zackige, teil schnee- und eisbedeckte Gipfel.

 

Akureyi ist nun nicht mehr weit, in einem weiten Bogen aus dem Oxnadalur heraus in südliche Richtung eingebogen, dann ist, inmitten einer üppiggrünen Kulturlandschaft, oberhalb des Eyjafjörður die Stadtgrenze erreicht. Die Stadt mit ihren etwa 14.000 Einwohnern - zum Vergleich: der Großraum Reykjavík zählt knapp 200.000 Einwohner - ist herrlich übersichtlich. Entlang der nun vierspurigen 1 reihen sich die für Touris wichtigsten Versorgungseinrichtungen wie Tankstelle, Supermarkt ( Bónus ), Bank und Baumarkt auf. Links zum Fjord hin erstrecken sich anfangs lockere Wohngebiete, später dann die ganzen Gewerbe der Stadt. Dort findet sich auch ein weiterer großer Supermarkt, Hagkaup. Rechts erstrecken sich ebenfalls erst Wohngebiete, dann, wo die Ringstraße das Fjordufer erreicht, die City von Akureyri.

 

Laufe als Erstes den Supermarkt an und decke mich für die letzten Tage mit Lebensmitteln ein. Akureyri hat eine sehr gute Bäckerei, das Brot wird auch bei Bónus vertrieben. Wer also nicht auf die Einheitspappe der Großbäckerei aus Reykjavík steht, sondern gern frisches und herzhaftes Brot mag ... Nächster Stop ist die N1 unten am Wasser, aber nur um festzustellen, daß Benzin mit 98 Oktan hier nicht mehr vertrieben wird. Da hinkt die Internetseite der Esso also etwas hinterher. Bei Skeljungur ( Shell ) am anderen Ende der Stadt, sprich dort, wo ich gerade herkam, gibt es den Stoff noch, also einmal vollgetankt.

 

Über die 1 geht die Reise weiter Richtung Osten, raus aus der Stadt. Daß die Ringstraße nicht immer die wichtigste Verbindungsstraße rings um Ísland ist, zeigt sich u.a. am südlichen Ortsausgang von Akureyri, um der 1 zu folgen biegt man nach links ab, die geradeaus ins Eyjafjarðardalur führende 821 ist die Vorfahrtsstraße. Über einen Damm kürzt die Ringstraße seit Jahren den vielverzweigten und sumpfigen Mündungsbereich der Eyjafjarðará ab, gleich rechts hinter der N1 ist in diesem Gelände der Flugplatz von Akureyri zu sehen. Auf das die Flieger stets gute Bremsen haben, sonst gibt es nasse Füße.

 

Bemerkenswert sind die vielen neuen Eigenheime am der Stadt gegenüberliegenden Berghang; immer größere und luxuriösere Villen entstanden und entstehen hier, mit einem nach oben hin zunehmend erstklassigen Ausblick auf den Eyjafjörður und Akureyri. Hier ein schnuckeliges Häuschen, das tät mir auch gefallen. Die Lage ist einfach nur schön, und Akureyri als möglicher Arbeitsplatz nur einen Steinwurf entfernt.

 

Wer sich die Häuschen auf seinem Weg nach Osten näher betrachten möchte, der kann dies, ohne eine Umweg in Kauf zu nehmen, ohne Weiteres tun. Durch einen Teil der Ansiedlung führt die alte Trasse der Ringstraße, dazu einfach nach Passieren o.g. Dammes nach rechts auf die 829 abbiegen, dann gleich wieder links den Berghang hinauf. Der Weg ist nun nicht mehr nummeriert - ältere Karten nennen noch die 828 und/oder 832 -, aber ein Verfahren ist kaum möglich. Entweder man landet in einer Sackgasse inmitten der Anwesen, oder folgt der alten 1, wie sie immer weiter den Hang hinauf ansteigt, schließlich die Neubausiedlung verläßt.

 

Leider ist die Strecke geschottert, und wird hinter den letzten Häusern zu einer miserablen Piste, nix für heute also. Aber der Weg ist nicht zuende, führt weiter bergan, teils in Serpentinen, mit einer entsprechenden Aussicht über Fjord und Stadt. Schließlich knickt die alte 1 nach Osten ab, überquert die Vaðlaheiði, erreicht dahinter nach etlichen Kurven das üppiggrüne Fnjóskádalur. Dazu gleich mehr ...

 

Dem fahrbaren Untersatz zuliebe bleibt es heute bei der Ringstraße, zumal hier auf die o.g. Aussicht nicht verzichtet werden muß. Nach einem kurzen Anstieg am Hang gibt es links einen größeren Rastplatz, der quasi einen Logenplatz für den Ausblick auf Fjord und Stadt bietet. Naja, bei Regen dürfte es ein eher trüber Ausblick sein, heute aber sind Regenwolken weit entfernt - laut Wetterbericht in der Zeitung tummeln sich diese unter anderem in Mitteleuropa -. Akureyri und der Eyjafjörður liegen dem Betrachter praktisch zu Füßen, es gibt einen ungehinderten Ausblick, bis weit nach Süden ins Eyjafjarðardalur, und ebenso weit Richtung Norden zum offenen Meer hin. Perfekt ...

 

an der 1 oberhalb des Ostufers des Eyjafjörður

 

Akureyri zu Füßen ...

 

das Fjordende mit dem Damm der Ringstraße

 

oberhalb des Eyjafjörður bei herrlichstem Sommerwetter

 

Der anvisierte Platz für die Nacht liegt jenseits der Vaðlaheiði, im bereits genannten Fnjóskádalur. Es böten sich zwar Alternativen weiter abseits in der Pampa, aber eben in der Pampa, mit reichlich Schotterpiste dazwischen. Aber es muß auch nicht wirklich ein Platz in der Einöde sein, denn im Tal östlich der Vaðlaheiði erstreckt sich der Vaglaskógur, eines der größten Waldgebiete Íslands. Und mitten darin, zudem noch direkt an der Fnjóská, liegt ein weitläufiger Zelt- und Campingplatz.

 

Von der 1 aus ist der Wald gar nicht mehr zu verfehlen. Nachdem die Ringstraße in einem weiten Bogen nach Norden hin die Vaðlaheiði teils umkurvt, teil überquert hat, steuert sie im Fnjóskádalur in südliche Richtung verlaufend direkt auf das Waldgebiet zu, knickt erst unmittelbar davor nach Osten ab. Wege zu beiden Seiten der Fnjóská führen weiter nach Süden in das Tal hinein, und damit anfangs direkt in den Wald. Da der Weg am Ostufer anfangs geschottert ist, wähle ich den Weg am Westufer des Flusses entlang, die 833. Hier bietet sich zudem eine gute Aussicht auf den Vaglaskógur, der sich größtenteils auf der anderen Seite des Tals erstreckt. Wer übrigens vorhin die alte Trasse über die Vaðlaheiði gewählt hatte, landet nun von rechts kommend im Tal, und auf der 833. 

 

Nach einigen Kilometern quert eine Brücke den Fluß direkt in den Vaglaskógur hinein, davor ist am jenseitigen Ufer bereits ein Teil des Campingplatzes zu sehen. Da ich derartige Ziele zum Übernachten eher selten ansteuere, frage ich mich beim kleinen Kiosk im Wald durch, wie es sich mit der Bezahlung verhält und wer wo stehen darf. Aber wie auf vielen anderen Campingplätzen Íslands, so kommt auch hier abends jemand vorbei, um zu kassieren, und es gibt offenbar keine festen Plätze nur für Camper oder Zelter. Ekkert stress ...

 

So eine Wiese ist ja ganz nett, aber die Spurrillen darin nicht ohne Tücken. Vor allem, wenn sie im hohen Gras nicht zu sehen sind und das Vehikel etwas bodennah gebaut ist. Wenigstens gibt es keine Aufsetzer ... Wähle einen Platz direkt an der Fnjóská, geschützt hinter hohem Weidengebüsch. Zwar strahlt die Sonne weiterhin ungehindert, jedoch bläst aus Norden ein unangenehm kalter Wind durchs Tal. Zuviel Windschutz ist heute Abend eh nicht gut, hier schwirren wieder die leiben kleinen "Freunde" umher.

 

700 Kronen kostet die Übernachtung im Vaglaskógur, wenn man mit dem Zelt unterwegs ist. Aber das bleibt auch heute Abend eingepackt, der Fahrersitz tut's auch. Zumal Heia eh noch nicht angesagt ist, dazu ist der Abend viel zu schön. Ähnlich des gestrigen Abends geht es mit dem Abendbrot nach draußen, die fliegenden Quälgeister bleiben dank des durch die Hecken rauschenden Windes auf Distanz. Leider bleibt der Abend nicht ganz so schön wie der gestrige, mit einem Mal zieht Nebel auf, es wird kalt und ungemütlich. Was mich erstaunt, der Campingplatz füllt sich auch zum Abend hin kaum, und das mitten in der Hauptsaison ...

 

im Vaglaskógur am Ufer der Fnjóská

 

Camping im Wald

 

 

9. Juli, Vaglaskógur - Hallormsstaðarskógur

 

 

Dicht verhangen beginnt der vorletzte Tag in Ísland, mit einem leichten Grinsen im Gesicht stelle ich fest, daß auch diese Tour keine Bilder des nahen Goðafoss im Sonnenschein bringen wird. Egal, um den Snæfellsjökull vollständig zu Gesicht zu bekommen, mußte ich auch 10 Jahre warten. Die 200 Kronen für die Dusche auf dem Campingplatz spare ich mir, nach einer Katzenwäsche in der Fnjóská geht`s heute als Erstes zum Goðafoss, Frühstück einnehmen und Touris beobachten. 

 

Der Wasserfall wirkt auch unter einer dicken Wolkendecke ( oder ist es doch "nur" Nebel? ) wie ein Magnet auf alle Reisenden, kein Wunder, der Fall liegt mehr oder weniger direkt an der Ringstraße. Wer ihn übersieht, der muß schon sehr große Tomaten auf den Augen haben. Ein Bus nach dem anderen rollt heran, es stellt sich die Frage, was spektakulärer ist, der Götterfall oder die Touristenmassen. Ähnlich dem Jökulsárlón an der Südküste finden sich hier alle Touris wieder ein, die ansonsten wie vom Erdboden verschluckt zu sein scheinen.

 

der Götterfall, wieder unter dichter Bewölkung

 

später gibt es tatsächlich Sonnenschein am Goðafoss

 

Nicht ein Bruchteil der vielen Touristen vom Goðafoss verirrt sich dagegen zu einem weiteren sehr lohnenswerten Ziel der Region, zum Museum Ystafell. Die Gründe dafür sind nur Vermutungen, aber die landläufige Spezies Íslandtouri interessiert sich eher selten für alte Autos in Ísland, das Museum liegt etwas abseits, wenn auch an der Hauptstraße nach Húsavík, und nicht jeder Reiseführer kennt das Museum. Letztlich dürfte die besondere Mischung aus Autofriedhof und Museum wohl nur denjenigen in seinen Bann schlagen, der ein Faible für rollendes Altmetall hat.

 

Aus Richtung Akureyri kommend zweigt noch vor dem Goðafoss die 85 nach links in Richtung Húsavík ab. Nach ca. 8km liegt das Museum unübersehbar rechts der Straße. Die 500 Kronen Eintritt sind es allemal wert, sich auf Ystafell eingehend umzuschauen. Einen halben Tag kann man locker einplanen, um alle Fahrzeuge - und was sonst noch so ausgestellt ist - eingehend zu betrachten. Prinzipiell läßt sich mit einem Museumsbesuch wie diesem immer sehr gut ein Schlechtwettertag überbrücken. Frei nach dem Motto: wenn schon draußen nix zu sehen ist, dann wenigstens drinnen ...

 

auf Ystafell 2008

 

Da die "Außenanlagen", sprich der überwucherte Schrottplatz auf der Rückseite von Ystafell, bereits im letzten Jahr in Augenschein genommen wurden ( siehe Reisebericht Ísland 2007 ), beschränkt sich der Besuch heute auf die zwei Hallen. Diese sind vollgestopft mit alten Fahrzeugen, aber Ystafell ist auch ein wenig Heimatmuseum, und so gibt es alte Bilder aus der Region zu betrachten, und alle möglichen Gerätschaften, bis hin zu alten Öldosen und ähnlichem. Es ist ein kunterbuntes Sammelsurium dessen, was in der meist jüngeren Vergangenheit im täglichen Gebrauch war, aber normalerweise früher oder später im Müll gelandet wäre. Hinfahren und anschauen, tut nicht weh, und den Kaffee sowie einen Klönschnack mit dem Museumsbetreiber gibt es gratis dazu.

 

Gegenüber des letzten Besuches sind einige Fahrzeuge hinzugekommen, besonders fällt die einstige Karosse des Staatspräsidenten auf ( s.u. ). Auch noch ganz frisch ist der restaurierte Ford-LKW, der gleich hinter dem Eingang rechts seinen vorläufigen Platz gefunden hat. Chassis und Front sind bereits fertig, was noch fehlt ist der Aufbau. Überhaupt sind die ganzen Fahrzeuge, ähnlich wie beim Oldtimertreffen in Selfoss, in recht unterschiedlichem Zustand. Vom rostigen Wrack, über original erhaltene und fahrbereite Fahrzeuge, bis hin zum toprestaurierten Modell, ist alles dabei. Und wie schon viele der Fahrzeuge in Selfoss, so können auch die ausgestellten Exemplare auf Ystafell jedes für sich ihre ganz eigene Geschichte berichten, liebevoll zusammengetragen auf Infoblättern hinter den Scheiben, und das auch noch mehrsprachig.

 

Bilder aus den Hallen auf Ystafell:

 

 

Das Museum Ystafell hat auch einen eigenen Internetauftritt, siehe hier.

 

Ein von Touristen wieder ungleich stärker frequentierter Ort ist der Mývatn gut 50km Fahrtstrecke östlich des Goðafoss. Rund um den See reihen sich diverse Sehenswürdigkeiten auf, und allein des Wetters wegen - der Nebel ist fort - wäre es heute angebracht, diese allesamt abzuklappern. Zwei Tage sind dafür wenigstens einzuplanen, zu dumm, das morgen bereits die Fähre Richtung Heimat ausläuft. Es bleibt daher bei einem Stop an der Ostseite des Sees, um ein wenig zu verschnaufen und einige Bilder zu machen, und bei einem Abstecher zum Supermarkt in Reykjahlíð, zwecks Erwerbs von Räucherfisch der Region.

 

Wie sich die Zeiten ändern ... An der Ringstraße östlich von Reykjahlíð steht eine Kieselgurfabrik, in der die Ablagerungen aus dem Mývatn für die Sprengstoffindustrie aufgearbeitet werden. Vor der Fabrik, direkt an der 1, befindet sich ein warmer See, in dem bislang das Baden nicht ausdrücklich verboten war. Jetzt gibt es entsprechende Schilder, wohl auch, um die Touris in jenes Bad zu lotsen, das es nun rechts etwas abseits der 1 inmitten eines Lavafeldes gibt. Natürlich ist die Benutzung dort kostenpflichtig ...

 

an einer Bucht an der Ostseite des Mývatn

 

Pause an der Ringstraße am Mývatn...

 

(Noch ) Nicht kostenpflichtig ist die Aussicht vom sich anschließenden Paß ( Námaskarð ) über das Námafjall. Im Verlauf des Anstiegs gibt es rechts einen kleinen Parkplatz, mit einer hervorragenden Aussicht zurück auf den Mývatn und die ihn umgebende Landschaft. Daß man sich hier in der "aktiven Zone" Íslands bewegt, sprich dort wo die Kontinentalplatten auseinanderdriften und es das Land förmlich zerreißt, wird allerspätestens auf Námaskarð nicht nur sicht-, sondern auch riechbar. Der Erde entströmt ein faulig stechender Schwefelgeruch, was müssen nur die ersten Siedler Íslands in einer Region wie dieser gedacht haben ? Daß sich sogleich die Tore zur Hel öffnen ?

 

Ausblick von der Westseite des Námafjall zurück zum Mývatn

 

hier steigt nicht nur Wasserdampf auf ...

 

Die Touris freut's, Photomotive en massé, Krater, schwefelgelb gefärbte Landstriche, dampfende und bisweilen fauchende Erdlöcher. Das gibt es daheim in Mitteleuropa eher selten zu betrachten. Und es ist an der Westseite des Námafjall auch nur der bescheidene Anfang. Auf der anderen Seite des Berges breitet sich rechts der Straße ein weites Gelände aus, auf dem es überall dampft, blubbert, kocht und zischt. 

 

Bei anhaltendem Regen verwandelt sich dieses Solfatarenfeld in eine einzige dampfende "Hölle", das eindringende Regenwasser steigt aus jeder Spalte als Dampf wieder empor. Jetzt, nach längerer Trockenheit, sind die vielen brodelnden Schlammlöcher stark geschrumpft, der nun noch aufsteigende Dampf ist konzentriert, beißend setzt sich der Schwefelgeruch in der Nase fest. Nicht gerade gesundheitsfördernd, das Ganze. Man sollte schon versuchen, sich nicht direkt in die Dampfschwaden zu stellen, bei einem Rundgang über das Gelände läßt sich dies aber nicht immer vermeiden. Und: Füße weg von den kochenden Löchern, ansonsten gibt es schnell Kurzgegartes frisch vom Stück.

 

Solfatarenfeld an der Ostflanke des Námafjall

 

je heller die Erdkruste in diesem Bereich, desto dünner

 

bleihaltiger, kochender Schlamm

 

heiß und stinkend

 

kein Ort für ein gemütliches Päuschen ...

 

Eine weitere Sehenswürdigkeit dieser Region ist die Krafla, ein Vulkan nordöstlich des Mývatn. Kurz hinter dem Solfatarenfeld an der Ostflanke des Námafjall zweigt eine Piste nach Norden, die 863, dorthin ab. Neben dem Vulkan, einem eher unauffälligen Hügel, gibt es einen Kratersee, den Viti, zu betrachten, außerdem ausgedehnte Lavafelder, Höhlen in der Lava, und nicht zuletzt das Geothermalkraftwerk Kröflustöð, mit dem die Energie der Krafla direkt angezapft wird. Bilder und weitere Infos dazu gibt es in der Tourenbeschreibung 1994.

 

Heute steht aus Zeitgründen keine eingehendere Besichtigung der Krafla auf dem Plan, ohnehin ist der Weg nur eine Schotterpiste, also nix für den fahrbaren Untersatz. Östlich des Mývatn wird es nun karg und öd, zu beiden Seiten der 1 breiten sich weite Lavafelder, Sand- und Geröllwüsten aus, die nur spärlich oder gar nicht bewachsen sind. Auch hier stellt sich mir die Frage, was die ersten Siedler bei Anblick dieser Wüstenei empfunden haben mögen. Zumal es auf weite Strecken keine Flußläufe gibt, die ganzjährig trinkbares Wasser führen.

 

Knapp 40km hinter dem Mývatn taucht eine Brücke in der Einöde auf, die Querung der Jökulsá á Fjöllum. Der mächtige Gletscherfluß trägt gewaltige Wasser- und Geröllmassen vom Vatnajökull nach Norden in den Öxarfjörður, in seinem Verlauf nördlich der Brücke gibt es mehrere Wasserfälle zu bestaunen, einen tiefen Canyon, vom Fluß zerschnittene Vulkane, aber auch grüne Oasen inmitten der ansonsten vulkanisch geprägten Landschaft. Doch diese Ziele stehen heut' ebenfalls nicht auf dem Programm, Ausführliches dazu ist in den Touren von 1994 und 1996 nachzulesen.

 

an der Jökulsá á Fjöllum ( sind die Felgen nicht g... ? )

 

Heute muß einzig die Brücke für ein Photomotiv herhalten, und der Platz daneben für ein kurzes Päuschen. Östlich der Brücke ändert sich die Landschaft allmählich, die weiten Lavafelder weichen gebirgigeren Regionen, mit öden, sand- und geröllgefüllten Ebenen dazwischen. Die Ringstraße biegt nun weit ins Landesinnere ein, überquert bis auf Weiteres den nordöstlichen Teil des ísländischen Hochlandes. Der einzige Weg der 1 durch das Hochland ... Zwischen zunächst sanft ansteigenden, immer näher an die Straße rückenden Bergen und Hügeln führt die Straße annähernd südwärts, und hinein ins weitläufige Víðidalur. Zwischen auf über 800m ansteigenden Bergen knickt die Ringstraße schließlich nach Osten ab, passiert zwischen Sauðahnjúkur und Vegahnúkur einen kurzen Paß, Vegaskarð. Heute ist hier traumhaftes Wetter, im Winter ist der Paß ein Wetterloch und oft zugeschneit.

 

Von Schnee ist jetzt aber nichts zu sehen, allenfalls in der Ferne. Vor dem Paß gibt es rechts die Möglichkeit zu halten, mit einem sehr guten Ausblick in südliche Richtungen, mitten ins Hochland. Und dort gibt es quasi nur einen Blickfang, den 1682m hohen Herðubreið. Dieser alte Tafelvulkan, entstanden unter dem Eis der letzten Eiszeit, ist Sitz der Götter, der Asen. Naja, profaner gesehen, ist der Berg einfach nur ein Hingucker, ein erstklassiges Fotomotiv.

 

Ausblick vor Vegaskarð nach Süden zum Herðubreið

 

Mit einem entsprechenden Gefährt unterwegs, gibt es natürlich Möglichkeiten, dem Herðubreið noch näher auf die Pelle zurücken. Noch vor der Brücke über die Jökulsá á Fjöllum zweigt eine Piste nach Süden ab, über sie sind neben dem alten Vulkan auch die Askja zu erreichen, und noch weiter südlich der Nordrand des Vatnajökull. Eine Weg für 4x4 - getriebene Fahrzeuge, aber richtige, nicht für diese Spielzeugjeeps ( isl.: jepplingi ) oder SUV's des Großstadtdschungels. Umwege in Kauf nehmend, bieten sich zwei weitere Allradpisten an, um zum Herðubreið und zu anderen Zielen nördlich des Vatnajökull zu gelangen. Sie zweigen auf den nächsten Kilometern von der Ringstraße nach Süden ab.

 

Aber auch direkt an der 1 kann man sich einen noch viel besseren Ausblick über das Hochland und in Richtung Herðubreið verschaffen, benötigt aber auch dazu 4x4 unter dem Wagen, oder muß einen längeren Fußmarsch in Kauf nehmen. Auf den Sauðahnjúkur führt eine Fahrspur, belohnt wird der "Ritt" mit einer tollen Aussicht. Jetzt bleibt es aber bei einer längeren Pause unten an der 1, der genannte Halteplatz liegt ein paar Meter abseits, und ringsum wurden, um der Erosion Einhalt zu gebieten, Gräser angepflanzt. Schaut bei einem Wetter wie heut' gar nicht mehr so öd und trostlos aus ...

 

an der neuen 1 hinter Vegaskarð, Ausblick nach Südwesten zum Herðubreið

 

Herðubreið

Bis vor wenigen Jahren verlief die 1 hinter Vegaskarð noch weiter landeinwärts ins Hochland, erreichte dabei einen der isoliertesten Höfe Íslands Möðruvellir. Da dieser Streckenabschnitt besonders im Winter oft gesperrt war, hat man nach einer tiefergelegenen Alternativroute gesucht. Heute führt die 1 daher vorerst weiter nach Osten, nutzt anfangs den Verlauf der 85. Im oberen Teil des Langidalur teilen sich dann beide Wege, die 85 verläuft wie bisher erst nach Osten, dann nach Nordosten zur Küste, während die 1 in südöstliche Richtung abknickt.

 

Zuvor steigt die Strecke aber noch ein Stück an, und wieder wird der Blick in südliche Richtungen frei, und dort insbesondere auf den Herðubreið. In etwa 35km Luftlinie Entfernung, jenseits karger Geröllwüsten und einiger schwarzer Hügel, erhebt sich der Tafelvulkan am Horizont. Ohne Frage ist der Berg hier DAS Photomotiv schlechthin. Gutes Wetter mit ungetrübter Sicht wie immer vorausgesetzt ...

 

Die nächsten Kilometer auf der neuen Ringstraße sind auch für mich ein Novum, hier fahre ich heute definitiv zum ersten Mal. Die Landschaft ringsum ist weiterhin karg, aber zunehmend weniger vulkanisch geprägt. Sand und Geröll wechseln mit grünen Matten, dazwischen Wasserläufe und Altschneefelder. Am Ausgang des Kollseyrudalur, nahe des Zusammenflusses von Kollseyra und den Gestreiðarstaðakvisl, fällt die 1 etwas ab, erricht grüne Senken und den Abzweig der neuen 85. Sieh an, auch dieser Weg wurde also in tiefere Regionen verlegt.

 

an der neuen 1 im Kollseyrudalur, am Horizont die Smjörfjöll

 

Bis zum Zusammentreffen mit der alten 1 bleibt die Landschaft karg, die flache Hochebene ist nur wenig bewachsen, und überall finden sich Schneereste des letzten Winters. Und, hier und da tauchen am neuen Weg die Reste alter Hochlandhöfe auf, viel ist allerdings nicht übrig. Erinnert ein wenig an Halldór Laxness' Roman "Sein Eigener Herr".

 

Die bei vegagerðinn vor der Tour gezogene Karte drohte es an, und tatsächlich, wo die Ringstraße nun hinunter ins Tal der Jökulsá á Dal führt, ist der Weg geschottert. Eine üble, ausgefahrene Strecke, die allerdings schon sehr bald der Vergangenheit angehören wird, denn am gegenüberliegenden Hang ist eine neue Trasse im Bau und soll noch in diesem Jahr fertiggestellt sein. Wenig tröstlich für heute, im Schrittempo rolle ich die Serpentinen ins Tal. Zum Glück ist nicht viel Betrieb, vor allem keine LKW von der Baustelle.

 

Im Tal angekommen fällt eines sofort auf: das Wasser ist weg. Nein, nicht das Kühlwasser - obwohl, da könnte ich auch mal ein Auge drauf werfen -, sondern die trüben vom Vatnajökull stammenden Fluten in der Jökulsá á Dal. Der Wasserspiegel ist deutlich gefallen, das Gros des Flußbetts liegt trocken, im Rest rinnt statt der milchiggrauen Gletscherbrühe fast klares Wasser zu Tale. Ursache: der neue Staudamm Kárahnjúkur im Hochland, viel und kontrovers diskutiert. Aber das ist eine andere Geschichte ... . Die Jökulsá á Dal wurde komplett abgeriegelt, südlich davon - zum Vatnajökull hin - füllt sich derzeit der demnächst größte, allerdings künstliche See Íslands. Mit den Wassermassen wird Strom erzeugt, dieser wiederum betreibt die neue Aluminiumhütte am Reyðarfjörður. Womit sich der diesjährige Kreis um die Insel geschlossen hätte. Fast,  ein paar Kilometer sind es ja noch...

 

Ohne das entsprechende Hintergrundwissen bleibt die weitere Fahrt auf der 1 eher unauffällig. Das Tal wird zunehmend breiter und grüner, schon bald hinter der Serpentinenstrecke tauchen die ersten bewohnten Höfe seit Verlassen der Mývatnregion auf. Nach etwa 35km öffnet sich das Tal nach Norden hin, in die Ebene der Flüsse Jökulsá á Dal und Lagarfljót. Über eine neue Brücke quert die 1 die Jökulsá á Dal, biegt dahinter in Richtung Südosten, nach Egilsstaðir, ein. Die Landschaft ist hügelig, mit weiten, grünen Ebenen dazwischen, und verstreut gelegenen Höfen. Im Osten erheben sich die Gebirge rund um die Ostfjorde Íslands.

 

Nein, das hätte nun wirklich nicht mehr sein müssen. Warum zum Henker wird hier nun auch noch gebuddelt? Haben die bisherigen Baustellen auf der 1 nicht ausgereicht? Wenige Kilometer vor Egilsstaðir wird ein Stück der 1 erneuert, gerade ist neuer Schotter aufgefahren worden, aber noch nicht gewalzt, geschweige denn asphaltiert. Wie auf rohen Eiern eiere ich durch die Baustelle, mit etlichen Stops, um den nachfolgenden Verkehr und die Entgegenkommer passieren zu lassen.

 

Ach ja, wie schön, hier treffen sich nun alle wieder; ein, zwei oder mehr Wochen im Lande verschollen, stapeln sich die Touris nun in Egilsstaðir, kaufen ein und tanken, wollen morgen wie ich mit der Fähre heim. Ein ziemliches Gewusel herrscht im Ort, mir wird etwas unwohl. Schaue deswegen auch nur nach den Öffnungszeiten von Bónus und Samkaup, wegen der letzten Einkäufe für daheim morgen früh. Rolle anschließend über die 1 aus dem Ort Richtung Hallormsstaðarskógur.

 

Welchen Auftrag haben die Jungs in ihrem lögreglubíll am Ortsausgang ? Langeweile ? Oder gibt es hier die Aussicht auf "Beute", auf ein paar Touris, die zu schnell unterwegs sind ? Die Fragen bleiben unbeantwortet, die rote Nummer interessiert offenbar nicht, das wär' nun aber auch eh egal. Morgen geht's heimwärts, leider ... . Doch zuvor gilt es, ein letztes Mal in Íslands Natur zu nächtigen. Ja, es gäbe hier in der Nähe auch das ein oder andere nette, völlig private Plätzchen; aber - wie so oft - am Ende von Schotterpisten. Die Überschrift deutet es bereits an, das Ziel ist ein weiteres Waldgebiet Íslands, DAS Waldgebiet des Landes, weil das mit Abstand größte: der Hallormsstaðarskógur.

 

Die Ringstraße erreicht den Wald nicht, dazu muß man einige Kilometer südlich von Egilsstaðir auf die 931 abbiegen. Und was soll ich sagen, schon sehr bald erinnert nichts mehr an Ísland. Inmitten der Waldregion wähnt man sich eher in Schweden, mitunter auch in Deutschland, aber bestimmt nicht in Ísland. Der Hallormsstaðarskógur erstreckt sich zum größten Teil an der Ostseite des seenartig verbreiterten Lagarfljót - in einigen Karten ist deswegen auch vom Lögurinn die Rede -, und von Neuanpflanzungen bis hin zu Waldbereichen mit mitteleuropäischen Höhenmaßen ist alles dabei. Der Name des Waldes deutet übrigens an, was da so im See haust; ein Wurm nämlich ( ísl.: ormur ), ein Verwandter von Nessie. Aber wie auch in Schottland, wirklich gesehen hat ihn noch niemand.

 

Bin zunächst etwas unschlüssig, entscheide mich letzten Endes für den Campingplatz an der Atlavík, zumal die 931 am Südende des Waldes in Schotter übergeht. Schaut alles sehr nett aus, kleine Wiesen inmitten knorriger Birken bis hinunter zum Seeufer. Ist alles sehr aufgelockert, eigentlich urgemütlich. Eigentlich ... 750 Kronen für eine Nacht, dafür kaltes Wasser und versiffte Klos, das geht in der Pampa billiger und hygienischer. Dazu an diesem Abend reichlich Betrieb auf dem Platz bis spät in die Nacht, das hätte nun nicht sein müssen. Urig ist es trotzdem inmitten der alten Birken, und das wissen eben auch viele Ísländer zu schätzen. 

 

letzter Abend, Atlavík, Hallormsstaðarskógur

 

 

6. Etappe: Seyðisfjörður/Ísland - Hamburg

 

10. - 12. Juli

 

Eins steht fest, der Campingplatz Atlavík muß es auf kommenden Touren nicht noch einmal sein. Das war ja wie auf dem Präsentierteller ... Nach einer Katzenwäsche geht's zeitig Richtung Egilsstaðir, zum Einkaufen. Als hätte ich's geahnt, die Auswahl bei Samkaup ist mehr als mäßig, und auch andere Touris wollen sich mit Eßbarem und ein paar Spezialitäten für daheim eindecken. Hier werden auch nur jene Umsätze getätigt, die sich absolut nicht verhindern lassen. Anstatt im Hinblick auf die Ankunft/Abreise der Touris die Regale bis zum Anschlag zu füllen, herrscht vielfach gähnende Leere. Und noch schlimmer, das war vor 10 Jahren, auf der letzten Tour per Fähre, nicht anders.

 

Leider öffnet Bónus erst um 12:00 Uhr, auch das ist völlig unverständlich in Anbetracht des Fährtages. Und so bleibt heute Morgen nur der Gang zu Samkaup, um das einzusammeln, was die letzten Tage niemand wollte. Bekomme nicht alles vom Einkaufszettel, vieles an gekühlten Spezialitäten ist einfach nicht mehr lange genug haltbar, wenn denn überhaupt noch etwas im Regal liegt. Wie sich nach und nach mein Korb füllt, so füllt sich auch der Laden, mit Touristen, die der gleichen Idee verfallen sind. Sie werden sich mit den Resten der Reste begnügen müssen ...

 

Die Hintergründe dafür, wer sich, und vor allem womit, kurz vor der Abreise im Supermarkt eindeckt, sind nun grundverschieden. Der Blick in andere Einkaufskörbe läßt vermuten, daß die meisten lediglich die Fährüberfahrt - und da die Zeiten zwischen den Hauptmahlzeiten - überbrücken wollen. Daneben gibt es jene Spezies, die ihren Íslandurlaub daheim - zumindest kulinarisch - ein wenig verlängern möchte. Entsprechend fällt der Einkauf aus, ist aber mit Tücken verbunden, gerade wenn es um gekühlte Lebensmittel geht.

 

Um einen Überblick zu erhalten, wie so das Preisgefüge in 2008 im Land unter dem Polarkreis war, gibt es abschließend einen Überblick dessen, was in den letzten zwei Wochen während der Tour erst in den Einkaufswagen, und dann größtenteils in den Magen, gewandert ist. Die Preisangaben beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf das Stück oder die Packung, da auf den Kassenbons keine Kilopreise ausgewiesen werden, und ich diese nicht von jedem Produkt nachträglich notiert habe. Der Kurs der Krone schwankte zwischen 116 und 123, habe zum Umrechnen auf den Preis in Euro 120 Kronen/Euro zugrundegelegt.

 

Was bleibt, ist nach Tankstop und Waschplatz der Weg über Fjarðarheiði zurück nach Seyðisfjörður. So wie die Touris vor zwei Wochen von der Fähre über den Berg nach Egilsstaðir strömten, so geht es nun retour. Um die Massen in der kleinen Ortschaft ein wenig auseinander zu halten und in einigermaßen geordnete Bahnen zu lenken, findet die Abreise weiterhin über den alten Fähranleger, und die dortigen Wartespuren, statt. Letztere sind gegen 11:00 Uhr bereits voll belegt, obwohl die Fähre noch gar nicht im Hafen liegt. Aber nach kurzem Warten beginnt bereits das Einchecken, denn auch jetzt muß wieder sortiert werden, einmal in jene Reisenden, die zurück nach Hanstholm wollen, und in jene, die auf den Färöerinseln aussteigen, entweder um dort zu bleiben, oder um nach Norwegen/Schottland weiter zu reisen.

 

die Norrøna am neuen Terminal in Seyðisfjörður

 

Die Fähre ist pünktlich, doch braucht's eine ganze Weile, bis sie leer ist, da hat sich zur Ankunft vor 14 Tagen nichts geändert, zumal der Pott auch heute - ist immerhin Hauptsaison - proppevoll sein dürfte. Das Entladen zieht sich über etwa 1 1/2 Stunden, es bleibt Zeit genug, ein wenig am Hafen zu fotografieren, mit den anderen Wartenden zu klönen, und um die Fliegeneinschläge der letzten Kilometer zu entfernen. Irgendwann wird's geschäftig, die ersten Reihen setzen sich in Bewegung, wegen des Beladens des PKW-Zwischendecks die PKW-Reihen zuerst, so daß als viertes Fahrzeug ein alter Granada auf die Fähre rollt, ins PKW-Zwischendeck, und zum Glück wieder auf die Spur an der Schiffswand. Dann bleibt wenigstens eine Autoseite definitiv heil.

 

Kabine 7502 diesmal, und ein Bett unten, ansonsten unterscheidet sich die zweitägige Kasernierung nicht von der Hinfahrt. Die Kabinen sind noch nicht bezugsfertig, so wie es auf den Gängen ausschaut wird das auch noch eine Weile dauern. Per Durchsage werden die neuen Passagiere gebeten, bis zum ablegen der Fähre an Deck zu bleiben. Dort ist es eh viel interessanter, ist quasi ein Logenplatz für das Schauspiel unten auf dem Kai mit den frisch angekommenen Touris darauf. 

 

Und das ist in der Tat ein interessantes Spektakel; grob geschätzt wird wenigstens jedes dritte Fahrzeug eingehend kontrolliert, die Reihen vor den Kontrollhallen werden gar nicht kürzer. Alles, was aus dem Ostblock kommt, wird sowieso in Richtung Hallen geschickt, aber auch die meisten der ankommenden Holländer. Wer bis zum Anschlag vollgepackt ist, darf sich ebenfalls einer eingehenden Kontrolle unterziehen, und die meisten der eingetroffenen Reisemobile werden auch auseinandergenommen.

 

Der Ísländer, mit dem ich an Deck stehe, bestätigt nur meine Vermutungen; seit Drogen im großen Stil mit der Norrøna ins Land kommen, ist es vorbei mit der nordisch-ísländischen Beschaulichkeit. Die rauhe Wirklichkeit erreicht das Land Woche um Woche, mit jeder neuen Ankunft der Fähre. Kein Wunder also, daß bei der Ankunft nicht mehr nur der Zoll allein die Tourimassen abfertigt, und die lögregla auch nach dem Passieren des Zolls Kontrollen im Ort durchführt.

 

So wie sich der Kai mit den Ankommenden langsam leert, so leeren sich auch die Wartespuren mit den Abreisenden. Wieder fällt auf, daß enorm viele Touris mit Reisemobilen unterwegs sind. Ausgerüstete Geländewagen, die sich größtenteils im Hochland tummeln werden, oder sich dort getummelt haben, sind zwar ebenfalls vertreten, aber lange nicht mehr in so großer Zahl wie noch vor 10 Jahren. 

 

Die Wetterküche Íslands meint es auch am Abreisetag gut, nach anfänglichem Nebel frühmorgens kommt schnell wieder die Sonne durch, und diese strahlt von einem blauen, fast wolkenlosen Himmel. Es ist aber, im Vergleich zu Westísland, frischer geworden hier im Osten, um nicht zu sagen, schweinekalt. Der Wind bläst beständig und eisig aus Nord bis Nordost, da kann die Sonne wenig ausrichten. Gestern Abend war mir das erst gar nicht aufgefallen, als im Wald aber der Wind etwas drehte, und plötzlich vom See her unter den Bäumen durchblies, war es, als hätte jemand die Klimaanlage auf die größte Stufe gestellt. Statt T-Shirt und kurzer Hose waren wieder dicke Jacke und warme lange Hosen angesagt.

 

nach und nach füllt sich die Fähre

 

Ausblick von achtern auf den alten Fähranleger

 

Seyðisfjörður

 

neuer Abfertigungsterminal mit noch wartenden Touris

 

vor den Kontrollhallen

 

mit dem Buggy nach Ísland ...

 

... oder doch lieber mit einem alten Jaguar ?

 

Berghänge an der Südseite von Seyðisfjörður

 

die Enten sind los ...

 

Nach dem Ablegen gegen 16:00 Uhr stiefeln weiterhin grimmig dreinschauende Slawen über die Gänge oder wuseln durch die Kabinen, die irgendwann tatsächlich bezugsfertig werden. Kabine 7502 ist für die kommenden zwei Tage in deutsch-dänischer Hand, aufgeteilt zu gleichen Teilen. Vater und Sohn aus Dänemark waren nur eine Woche in Ísland unterwegs, Ringstraße und gut. Am Bordgeschehen nehmen die zwei kaum teil, die Verpflegung stammt noch aus Dänemark, wenn beide nicht im Fitneßraum sind, pennt Vadders, und Sohnemann sitzt am Computer und daddelt. 

 

Der Deutsche aus der Pfalz war immerhin zwei Wochen in Ísland unterwegs, aber ebenfalls auf seiner ersten Reise, kennt daher lediglich die Ringstraße, und was so "drumrum" liegt. Die Gesprächsthemen bei ihm drehen sich auch mehr um die Fähre, die Anpreisungen im Prospekt und die dagegen stehende Realität. Ok, wer die Überfahrt inclusive der Decksliege bucht, der hat letzten Endes eine Koje in den Großraumkabinen unter den Wagendecks. Das sollte man sich schon vor Augen halten, und deswegen den Fahrplankatalog der Norrøna eingehend studieren. Für ihn war die Unterbringung unten im Schiff jedoch völlig indiskutabel, so daß es an der Rezeption etwas lauter zugegangen sein dürfte, eh er das freie Bett in Kabine 7502 beziehen durfte.

 

das war's ...

 

... auf ein Wiedersehen in 2009

 

Nordufer des Seyðisfjörður

 

langsam schiebt sich die Norrøna aus dem Fjord heraus

 

Wettertechnisch gestaltet sich die Rückreise recht entspannend. Die See bleibt verhältnismäßig ruhig, was aber auch bleibt, das ist die arktische Kälte aus nördlichen Richtungen. Ein Aufenthalt an Deck ist ohne entsprechend dicke Klamotten ein recht kurzfristiges Vergnügen. Nach Erreichen der offenen See verkrümle ich mich auf die Kabine, um endlich, endlich das Tagebuch auf den neusten Stand zu bringen. Seit dem Aufenthalt auf Strandir hinke ich hoffnungslos hinterher, und je länger die schriftlichen Aufzeichnungen auf sich warten lassen, desto mehr Details gehen verloren. Aber jetzt ist massig Zeit, um alles nachzuholen.

 

Für den Abend wechsle ich den Ort an Bord, hatte nach dem Auslaufen einen Platz im Restaurant reserviert, und dort möchte ich es mir so richtig gutgehen lassen. Bei einem klassischen Dreigängemenü, dessen Preis mir auf dem Festland den Appetit verdorben hätte, rollt die Norrøna gemächlich in Richtung Färöerinseln. Die Sonne ist seit Verlassen des Seyðisfjörður hinter dicken Wolken verschwunden, draußen ist es nun eher grau und trist. Ein spektakulärer Sonnenuntergang wie bei der Anreise wird ausfallen ...

 

Auf der alte Norrøna gab es, meine ich, entweder nur die Cafeteria im Heck oder das Restaurant vorn, und im letzteren konnte man entweder a la carte speisen, oder das Buffet wählen. Auf der neuen Fähre gibt es das Buffet nun in der Cafeteria, und im Restaurant gibt es nur noch a la carte. Ersteres ist mehr als gut besucht, die Schlange dort will gar kein Ende nehmen. Das Restaurant ist dagegen leer, sicherlich auf Grund der Preise. Frage mich nur, warum ein Platz im Restaurant reserviert werden muß ... ? 

 

Wie schon auf der Hinfahrt, so bestätigt sich auch auf der Rückreise mein Eindruck, in allen Bereichen mit Hilfe osteuropäischen Personals die Kosten zu drücken. Selbst der Ober im Restaurant kommt aus Polen. Aber wenigstens ist hier der Service in Ordnung, und die Qualität der Speisen ist endlich dem einer Fährüberfahrt mit Kreuzfahrtcharakter angemessen, um nicht zu sagen, excellent. Wär' mein englisch etwas besser, dann hätte ich aber zum Hauptgang allerdings Rotwein geordert, keinen Weißen. Naja, das Kalbsteak aus Argentinien schmeckt auch mit Weißwein vom Kap. Warum nun "veal" für mich "Wal" ist, das wissen wohl nur die Götter ...

 

Auslaufen aus Tórshavn

 

Frühaufsteher können auf der Rückreise am nächsten Morgen die Färöerinseln ein zweites Mal von der Fähre aus in Augenschein nehmen. Vorausgesetzt natürlich, das Wetter spielt mit. Wie an den nicht vorhandenen Bildern erkennbar ist, verpenne ich die Ankunft in Tórshavn. Obwohl es sich in den Kojen schlecht liegen läßt, ist das Schiff bereits im Hafen, und das Be- und Endladen fast abgeschlossen, als ich mein kaputtes Kreuz an Deck strecke. Ein zweites Kissen wär nicht schlecht, das muß für die nächste Reise gleich auf den Merkzettel.

 

Es ist ratsam, sich zum Zeitvertreib an Bord entsprechend auszustatten, die Zeit zwischen den Mahlzeiten kann lang werden. Ein gutes Buch, das man schon lange lesen wollte, wofür daheim aber Zeit und Ruhe fehlten, ist immer gut geeignet. Oft finden sich aber auch interessante Gesprächspartner unter den anderen Reisenden, dann hat sich das Thema Zeitvertreib schnell erledigt.

 

Recht angenehm auf der Rückreise ist die Auswirkung eines neuen Gesetzes, welches auf den Färöerinseln seit 1. Juli in Kraft ist und auch an Bord gilt. Die Raucher wurden endgültig nach draußen verbannt, wobei das Rauchen auf den Kabinen eh schon verboten war. Die Luft im Schiff hat sich dadurch merklich verbessert. An Deck muß man nun allerdings genau schauen, woher der Wind weht, um nicht eingenebelt zu werden. Aber offenbar ist die Luft auf offener See einfach zu sauber und sauerstoffhaltig ....

 

Das vorletzte Stück der Reise ist nun angebrochen, der Seeweg zwischen Tórshavn und Hanstholm. Das sind, so nichts dazwischen kommt, rund 30 Stunden auf See. Die Färöerinseln entfernen sich nach dem Auslaufen aus Tórshavn recht schnell, und der Pott schaukelt nun mal mehr, mal weniger, in südöstliche Richtung. Das nächste Land gibt es erst wieder am Folgetag zu sehen, in der Ferne ist die norwegische Südwestküste zu sehen. Wenigstens geht es es mir so auf dieser Fahrt, von meiner letzten Reise mit der alten Norröna habe ich aber in Erinnerung, daß unterwegs auch die Shetlandinseln in Sichtweite kommen. Die hab ich wohl verpaßt.

 

Mit Erreichen der nördlichen Nordsee wird es merklich wärmer, und feuchter. Die frische Luft des hohen Nordens ist fort, wer wie meine Wenigkeit mit empfindlichen Atemwegen zu tun hat, merkt dies sofort. Heute kommt hinzu, daß es irgendwann anfängt zu plestern, der erste richtige Regen seit Selfoss. Die Sicht ringsum schwindet, von Dänemark ist erst kurz vor dem Einlaufen in Hanstholm etwas zu sehen. Kein Wunder auch, über Land schüttet es wie aus Kübeln.

 

Zumindest bleibt die See ruhig, die Fähre kommt ohne Probleme und daher pünktlich in den doch recht kleinen Hafen von Hanstholm. An dieser Stelle nochmals der Tip: nicht mehr Geraffel als absolut notwendig mit auf die Kabine nehmen, denn bereits zwei Stunden vor der Ankunft in Hanstholm werden die Passagiere aus den Kabinen komplimentiert. Ein sehr unglücklicher Umstand, um nicht zu sagen, großer Mist. Wohin kriechen in diesem Zeitraum ? Die Wagendecks werden erst nach dem Anlegen geöffnet, bis dahin "türmen" sich die Touris samt Gepäck auf den Fluren.

 

Wie bereits bei der Ankunft in Seyðisfjörður, so sind die PKW-Reisenden auch bei der Ankunft in Hanstholm die Gekniffenen. Das darunter liegende Deck muß erst leer sein, bevor die Rampe vom PKW-Deck abgesenkt werden kann. Es dauert daher nach der Ankunft noch gut eine Stunde, bis sich die ersten PKW-Reihen in Bewegung setzen können. Und auch an dieser Stelle ist es wieder um etliches einfacher, nur mit kleinem Gepäck zu reisen, nur die Wenigsten kommen an ihr Auto heran und hinein. Das Gros, mich eingeschlossen, steht sich die Beine in den Bauch.

 

Aber auch das hat irgendwann ein Ende, und plötzlich geht alles sehr schnell. Eben noch im Schiff, nun im strömenden Regen an der Hauptstraße in Hanstholm. Es gibt keinerlei Einreisekontrollen ( mehr ), nur einen Haufen Touris, die gen Ísland starten wollen. Der Kai ist schon bis zum Anschlag gefüllt, und auf der Zufahrtsstraße rollen weitere Reisende heran. Auf Grund des Wetters entfällt der geplante Fototermin im Hafen, rolle sogleich aus dem Ort raus Richtung Autobahn.

 

Viele Wege führen nach Rom, und mindestens genauso viele von Hanstholm zum dänischen Highway, und auf diesem nach Süden zur Grenze. Die durch Festlandsdänemark in Nord-Süd-Richtung verlaufende Autobahn befindet sich im östlichen Teil Jütlands, während Hanstholm an der Westküste liegt. Es bleibt ein mehr oder weniger langes Stück Fahrtstrecke über Landstraßen bis dort. Der kürzeste Weg über Landstraße, aber der längste Weg insgesamt bis zur Grenze, führt über die 29 und 11 Richtung Osten nach Aalborg und dort auf die Autobahn. Dazwischen gibt es diverse Möglichkeiten, diesen Umweg abzukürzen, was aber immer mit längeren Strecken über diverse Landstraßen  verbunden ist. 

 

Die Wahl fällt heute auf die Strecke "querfeldein". Es dürfte der kürzeste Weg zwischen Hanstholm und der deutsch-dänischen Grenze sein, aber auch der mit Abstand längste über Land. Fahre hinter Hanstholm zunächst Richtung Thisted, dann weiter über die Insel Mors im Limfjorden bis Skive. Hier trenne ich mich endgültig vom Tross der anderen Norrøna - Passagiere, fahre die 186 weiter bis zur 13 südlich von Viborg, und auf dieser bis zur Autobahn kurz vor Vejle. 

 

Dieser Weg schaut anfangs danach aus, als zöge er sich unendlich in die Länge. Man darf aber das Verkehrsaufkommen in Dänemark, und schon gar nicht am Wochenende und auf dem platten Land, mit jenem in Deutschland vergleichen. Nachdem der Konvoi von der Fähre fort ist, herrscht gähnende Leere auf der Straße. Zudem gibt es entlang der gewählten Strecke erstaunlich wenige Ortsdurchfahrten, und in größeren Städten, wie z.B. Skive, gibt es Umgehungsstraßen. Das macht die Fahrt alles in allem sehr angenehm und entspannend.

 

Nicht ganz so entspannend gestaltet sich die Suche nach einer Zapfsäule mit 98 oktanigem Sprit. Die Tankstellen am Weg haben entweder bereits geschlossen, oder das Angebot hört bei 95 Oktan auf. An der Autobahnauffahrt nördlich von Vejle gibt es zwar endlich das begehrte Naß, aber nur gegen Kreditkarte. Erst auf dem Autobahnrasthof südlich der Stadt kann ich den Tank füllen. Wirklich notwendig ist der Tankstop aber nicht, der in Egilsstaðir gefüllte Tank hätte auch bis zum ersten Rasthof in Deutschland gereicht. 

 

Das Wetter auf diesem letzten Stück der Reise meint es hingegen gut, der Dauerregen von der Küste geht in Schauer über, dann bleibt es schließlich trocken. Zwar türmen sich ringsum mehr als nur einmal dunkle Wolkenberge auf, diese regnen sich aber nicht auf der Strecke ab. Ungewohnt schnell dunkel wird es nun, die hellen Nächte Íslands sind passé. Am genannten Autobahnrasthof schwindet das letzte Tageslicht, beim Grenzübergang ist es gegen 22:30 Uhr bereits stockfinster. 

 

Was hatte ich in Ísland doch gleich vermißt ? Ach ja, dieses rücksichtsvolle und entspannende Fahren auf bundesdeutschen Autobahnen. Kaum 5km in Deutschland, und schon bin ich genervt. Was wollt ihr eigentlich, meine Kiste läuft doch fast 200 ? Ist aber wohl noch nicht schnell genug. Naja, ganz so schlimm ist es dann doch nicht, nur eben eine Umstellung. Schneller als erwartet ist die Stadtgrenze Hamburgs erreicht, und es stellt sich die Frage: durch den Freihafen, oder außen herum ? Beschließe ersteres, hole mir in Waltershof einen Passierschein, den dann auf Neuhof niemand sehen will. Aber so ist das, hätte ich mir keinen ausstellen lassen, wär ich unter Garantie gefilzt worden.

 

So aber rollt der Granada um kurz nach Mitternacht über die Köhlbrandbrücke, und kurz darauf auf den heimischen Hof. Nach rund 4500km durch Skandinavien, ohne Panne, und mit roter Oldtimernummer. Wenn das nichts ist ... Die Freude darüber läßt die Realität im bislang eher benachteiligten Stadtteil Wilhelmsburg in den Hintergrund treten, die Bierflaschen auf der Straße lassen sich umkurven, und die daraus Abgefüllten ebenso. Um 0:30 Uhr fällt das Tor ins Schloß, und nachdem die Einkäufe aus Egilsstaðir verstaut sind, endet die Reise bei färingischem Bier und etwas Fisch aus Ísland.

 

sjáumst í næstu ári !

 

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